Svenja Schulze über Tierhaltung„Wir müssen weg von Masse und billig“

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Hühner in Massentierhaltung – immer noch die Regel in Deutschand

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) fordert einen Systemwechsel in der Landwirtschaft. Ein Gespräch über schlimme Bedingungen in der Massentierhaltung, tiefe Differenzen zwischen der Bundesumwelt- und Landschaftsministerin und die schwierige Zukunft von Landwirten in Deutschland.

Frau Schulze, ist es nicht ein Jammer, dass die Grüne Woche in diesem Jahr nur digital stattgefunden hat? Sonst hätten Sie dort mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei einem Glas Riesling all ihre Streitthemen besprechen können …

Hübsche Idee, aber eine Landwirtschaftsmesse ist ja nicht der Ort, wo Bundesministerinnen ihre politischen Differenzen klären. Julia Klöckner und ich reden sehr viel miteinander. Aber wir sind bei vielen Themen unterschiedlicher Meinung, da haben Sie recht.

Sie fordern einen Systemwechsel in Landwirtschaftspolitik. Was stört Sie?

Unser Agrarsystem funktioniert nicht. Nicht für die Umwelt, nicht für die Tiere und auch nicht für die Landwirte. Wir importieren Soja aus Brasilien, für das dort Regenwälder abgeholzt werden. Damit mästen wir Millionen Schweine, deren Gülle unser Wasser belastet und deren Billigfleisch regionale Landwirtschaft hier und in ärmeren Ländern unter Druck setzt. Wir setzen auf Masse, und wir setzen auf billig. Davon müssen wir weg.

Sie sagen den Schweinemästern, die Ställe müssen leerer werden?

Die Haltung muss besser werden. Und wir müssen die Tierhaltung wieder an die verfügbaren Flächen anpassen. Die EU investiert allein in Deutschland jährlich 6 Milliarden Euro in ein Agrarsystem, das Tierwohl oft missachtet, Gewässer belastet und Landwirte unter enormen Preisdruck setzt. Das will ich ändern.

Wie?

Fördergelder sollen sich nicht mehr an der Flächengröße der Betriebe bemessen, sondern stärker daran, was sie für den Umweltschutz leisten. Die deutschen Landwirte müssen mehr zum Schutz von Klima und Natur beitragen, daran führt kein Weg vorbei. Wir können mit der Natur nicht verhandeln. Übrigens gibt es schon heute viele Landwirte, die Gewässer sauber halten, Rückzugsräume für Tiere schaffen und den Humusaufbau in ihren Böden fördern. Ich will, dass dieser Einsatz belohnt wird.

Dass bei der Agrarförderung künftig auch ökologische Kriterien eine Rolle spielen sollen, ist doch längst entschieden. Worüber streiten Sie noch?

Die Verhandlungen in Brüssel laufen weiter. Und ein nationaler Strategieplan, den die Landwirtschaftsministerin vorlegen muss, ist nicht in Sicht. Bislang habe ich von Frau Klöckner viele Fragen gehört, aber noch keine Ideen. Die Zeit drängt, die Landwirtschaftsministerin muss jetzt liefern. Ich habe dazu meine Vorschläge auf den Tisch gelegt.

Julia Klöckner wirft Ihnen vor, Sie wollten aus Bauern Landschaftsgärtner machen. Wollen Sie?

Unsinn. Ich will, dass es in 20 Jahren in Deutschland noch Landwirte gibt. Wenn wir weitermachen wie bisher, könnte das schwierig werden.

Jetzt übertreiben Sie …

Ich glaube nicht. Die Landwirtschaft darf sich nicht ihrer eigenen Grundlagen berauben. Nehmen Sie das Insektensterben, das zu einem großen Teil auf ausgeräumte Agrarlandschaften und den übermäßigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurückzuführen ist. Ohne Insektenvielfalt gibt es keine stabile Ernte. Wenn das Insektensterben in diesem Tempo weitergeht, haben wir alle ein Problem – die Landwirte ganz besonders.

Versteht Frau Klöckner das nicht?

Wir waren uns beim Insektenschutz schon einmal einig. Die Eckpunkte für das Aktionsprogramm Insektenschutz hat das gesamte Kabinett beschlossen. Frau Klöckner stellt das jetzt wieder in Frage, indem sie das Insektenschutzgesetz blockiert und die ebenfalls beschlossenen Beschränkungen beim Pflanzenschutzmitteleinsatz nicht konsequent umsetzt. Sie greift damit nicht nur mich an, sondern die gesamte Bundesregierung. Die Landwirtschaftsministerin ist hier im Interesse der Agrarlobby unterwegs, die aber vor allem die Interessen der Großbetriebe vertritt. Und natürlich werde ich darauf bestehen, dass wir wie beschlossen endgültig aus Glyphosat aussteigen.

Was passiert, wenn Sie sich nicht einigen?

Ich bestehe darauf, dass das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart und im Kabinett beschlossen haben, jetzt auch umgesetzt wird. Wer sonntags die Biene für systemrelevant erklärt, muss auch montags etwas für ihren Schutz tun. Für viele Menschen ist das Thema Insektenschutz ein Herzensanliegen. Die CDU kann ja mal versuchen, denen im Wahlkampf zu erklären, warum sie am Einsatz von Glyphosat festhält und auch sonst wenig für den Artenschutz tut.

Das Gespräch führte Andreas Niesmann

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