Zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärtWie geht es weiter mit der AfD?

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Björn Hoecke

Björn Höcke

Der Verfassungsschutz hat die AfD intern zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt. Die Partei wehrt sich vor Gericht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie geht die AfD gegen die Hochstufung zum rechtsextremen Verdachtsfall juristisch vor?

Bundestags-Fraktionschefin Alice Weidel blickt bereits weit in die Zukunft: „Ich bin mir sicher, dass eine solche Einstufung der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben wird”, sagte sie kurz nach den ersten Berichten, dass der Verfassungsschutz die AfD zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt hat. Doch bis diese Frage in Karlsruhe verhandelt wird, dauert es noch – vermutlich Jahre.

Die Partei wehrt sich bereits vorsorglich gegen die Beobachtung und verklagt das Bundesamt für Verfassungsschutz in zwei Eilverfahren vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Diese zielen bisher auf eine „drohende” Einstufung als Verdachtsfall und müssten nun angepasst werden. Das Bundesamt musste bis Montag dem Gericht seine Sicht auf die AfD-Einstufung darlegen. Tausende Seiten an Unterlagen gingen an die Kölner Kanzlei Höcker, die die AfD in diesem Fall vertritt. Darunter ist auch das mehr als 1000 Seiten umfassende Gutachten, das die Beobachtung begründet. Die AfD wird also in Kürze wissen, was der Verfassungsschutz genau über sie weiß und wie er die Äußerungen ihrer prominenten Vertreter bewertet.

Wann ist mit einem Urteil zu rechnen?

Eine Entscheidung im Eilverfahren wird in den kommenden Monaten, also noch vor der Bundestagswahl, erwartet. Der Verfassungsschutz hatte dem Gericht zugesagt, bis zum Ende des Eilverfahrens Kandidaten und Abgeordnete der Partei, wenn sie nicht ohnehin bereits wegen ihrer Zugehörigkeit zum formell aufgelösten rechtsextremen „Flügel” im Visier sind, nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu überwachen. Außerdem wird der Verfassungsschutz bis zum Abschluss des Verfahrens darauf verzichten, öffentlich bekanntzugeben, ob er die AfD als Verdachtsfall oder gesichert rechtsextremistische Bestrebung einstuft. Deshalb wird die Einstufung auch nicht offiziell bestätigt.

Das Gericht lehnte daraufhin einen von der AfD angestrebten sogenannten Hängebeschluss ab, der dies verhindern würde. Die AfD legte Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster ein. Dieses Gericht bestätigte jedoch die Entscheidung der ersten Instanz. Die AfD will in dieser Frage nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Das war aber nicht, was Weidel meinte – sie bezog sich auf eine Entscheidung in der Hauptsache.

Schadet die Beobachtung der AfD im Wahlkampf?

In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden am 14. März neue Landtage gewählt. In den Landesverbänden hat die Beobachtung Unruhe ausgelöst. Viele Beobachter gehen aber davon aus, dass die AfD zurzeit fast ausschließlich ihre Stammwähler mobilisiert – und die von einer solchen Nachricht nicht abgeschreckt werden. Markus Frohnmaier, Vize-Landeschef der Südwest-AfD, sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Die Indiskretion der Behörde Thomas Haldenwangs weniger als zwei Wochen vor den Landtagswahlen stellt eine äußerst schmutzige Methode der Wahlbeeinflussung dar. Die AfD bekennt sich ganz klar zum Grundgesetz und deshalb wird dieses durchsichtige Manöver unsere Wähler nicht beeindrucken. Es wird im Gegenteil viele Wähler mobilisieren.” Die Südwest-AfD verzeichne seit der Bekanntgabe der Hochstufung „mehrere Mitgliedsanfragen und großes Interesse”.

Wird die AfD im Wahljahr ihre Rhetorik mäßigen?

Es ist gut möglich, dass AfD-Wahlkämpfer aus taktischen Erwägungen bestimmte Themen meiden, um dem Verfassungsschutz keine weiteren Beweise für ihre mutmaßliche Einstellung zu liefern. In Sachsen-Anhalt kursiert ein Rundschreiben, nachdem der Landesverband im Februar vom Verfassungsschutz zum rechtsextremen Verdachtsfall erklärt wurde. „Unterlasst Äußerungen, die als Verharmlosung der NS-Herrschaft verstanden werden können”, wird empfohlen. „Es ist am besten, das Thema zu meiden.” Wer über den Islam spricht, sollte die Religionsfreiheit nicht infrage stellen. Zudem sollten „Begriffe wie ‚Umvolkung‘, ‚Volkstod‘ oder ‚Passdeutsche‘ nicht mehr verwendet werden.” Die Auflistung endet mit dem Aufruf: „Seid kreativ!“ Es gebe „abseits der Minenfelder“ genügend andere Möglichkeiten, „die Regierung und ihre Scheinopposition tüchtig anzugreifen, ohne in die Falle des Verfassungsschutzes zu tappen”.

Welche Reaktionen gibt es auf die Beobachtung?

Vertreter alle demokratischen Parteien begrüßten die Einstufung als Verdachtsfall. Auch der Zentralrat der Juden ist dafür. „Das Vorgehen des Verfassungsschutzes bestätigt die Gefahr, die von der AfD ausgeht”, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. Die Partei bemühe sich zwar um eine bürgerliche Fassade, doch das dürfe nicht über ihre Radikalität hinwegtäuschen.

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