Nach Kopftuch-ProtestSorge um iranische Sportlerin – Teheran dementiert Festnahme

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Rekabi ohne Kopftuch

Elnas Rekabi beim Wettkampf in Seoul 

Seoul – Die iranische Kletterin Elnas Rekabi ist zwei Tage nachdem sie ohne Hidschab an einem internationalen Turnier teilgenommen hat, offenbar in Gefahr. Das berichten mehrere internationale Medien am Dienstag übereinstimmend.

Freunde von Elnas Rekabi hätten seit Sonntag keinen Kontakt zu der Athletin aufnehmen können, berichtete der persische Dienst der BBC und zitierte „gut informierte Quellen“, die gesagt hätten, der Pass und das Mobiltelefon der Athletin seien beschlagnahmt worden.

Rekabi sei kurz nach ihrer Teilnahme an den Asienmeisterschaften verschwunden, berichtete die BBC weiter. Der Internationale Verband des Sportkletterns sei um eine Stellungnahme gebeten worden. Die BBC-World-Moderatorin Rana Rahimpour twitterte unterdessen, dass Rekabi am Dienstagmorgen in einem Flugzeug nach Teheran gesessen habe. „Es gibt Bedenken bezüglich ihrer Sicherheit“, schrieb Rahimpour in dem sozialen Netzwerk.

Zahlreiche Iraner wollen Rekabi in Teheran empfangen

Auch die regierungskritische iranische Website „Iran Wire“ berichtete vom Verschwinden Rekabis. Die Klettermeisterin sei in die iranische Botschaft in Seoul gebracht worden. Offenbar solle sie am Dienstag und somit einen Tag früher als geplant nach Teheran zurückgeflogen werden, um Proteste am internationalen Flughafen in der iranischen Hauptstadt zu verhindern.

In der Nacht zum Dienstag waren zahlreiche Iraner zum Hauptstadtflughafen in Teheran geströmt, um Rekabi als neue Heldin der Frauenproteste zu feiern. Doch die Straßen zum Flughafen waren abgeriegelt, die Polizei erlaubte nur Personen mit einem gültigen Flugticket die Weiterfahrt. Diese Angaben wurden von den iranischen Behörden noch nicht bestätigt. Unklar war auch, wann Rekabi wieder in Teheran eintrifft.

Regierungskritische Website: Rekabi droht nach Ankunft in Teheran Inhaftierung in Ewin-Gefängnis

Laut dem Portal soll die Athletin vom Flughafen direkt in das Ewin-Gefängnis in Teheran verlegt werden. Das Gefängnis im Norden Teherans gilt landesweit als der Ort für Misshandlung und Folter von politischen Gefangenen. Am Wochenende waren bei einem Brand in der Haftanstalt acht Menschen gestorben. 

In einem Tweet teilte die iranische Botschaft in Südkorea am Dienstagmorgen mit, Rekabi sei am frühen Morgen Richtung Iran abgereist. „Die Botschaft der Islamischen Republik Iran in Südkorea weist alle gefälschten, falschen Nachrichten und Desinformationen über Frau Elnas Rekabi entschieden zurück“, hieß es in der Stellungnahme.

Rekabi selbst äußerte sich am Dienstag auch selbst. Bei Instagram schrieb sie: „Ich entschuldige mich für die Aufregung und die Unruhe, die ich verursacht habe. Ich muss sagen, dass meine Kopfbedeckung wegen meiner Aufgeregtheit im Finale der Asienmeisterschaften in Südkorea, wegen des ungeschickten Timings aus Versehen weggerutscht war. Und jetzt bin ich, wie geplant, in Begleitung der Mannschaft auf dem Weg in Iran.“ Gemeinsam mit ihrem Bruder wolle sie nach ihrer Rückkehr eine Pressekonferenz abhalten.

Wie authentisch diese Nachricht ist und ob sie womöglich dazu gezwungen wurde, blieb zunächst offen. Die iranischen Behörden üben regelmäßig Druck auf Aktivisten im In- und Ausland aus. Auch im Staatsfernsehen werden ähnliche Entschuldigungen veröffentlicht, die von Menschenrechtsgruppen als erzwungene Geständnisse kritisiert werden. Die ARD-Korrespondentin Katharina Willinger berichtete zudem, Rekabis Bruder sei mittlerweile festgenommen worden.

Irans Klettermeisterin Elnas Rekabi hatte bei Wettkampf Kopftuch abgenommen

Irans Klettermeisterin Rekabi hatte zuvor im Finale der Asienmeisterschaft in Seoul das für iranische Sportlerinnen obligatorische Kopftuch abgenommen. Iranische Medien reagierten mit Empörung auf den Vorfall. „Bleibt abzuwarten, wie das Sportministerium auf diese Aktion reagieren wird“, schrieb die regierungsnahe Zeitung Hamshahri am Montag.

In den sozialen Medien jedoch wurde die Sportlerin von den Iranern gefeiert. „Wir sind stolz auf dich“, hieß es in einer der zahlreichen Reaktionen auf Twitter. Rekabi belegte am Ende den vierten Platz.

Gesetz seit 1979: Iranische Frauen müssen in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen

Seit der islamischen Revolution von 1979 müssen die iranischen Frauen in der Öffentlichkeit ein Kopftuch und lange Jacken tragen, um so Haare und Körperkonturen zu verbergen. Dieses Gesetz gilt auch für alle Sportlerinnen des islamischen Landes, insbesondere bei Wettbewerben im Ausland.

Eine Sprecherin des UN-Menschenrechtsbüros erklärte, die UN habe bei den Behörden Bedenken geäußert. „Frauen dürfen niemals wegen ihrer Kleidung verfolgt werden. Sie sollten niemals Übergriffen wie willkürlichen Verhaftungen oder jeglicher Art von Gewalt aufgrund ihrer Kleidung ausgesetzt sein. Wir werden diesen Fall sehr genau verfolgen.“

Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, schrieb auf Twitter: „Wo ist die iranische Sportlerin #ElnazRekabi? Und wo ist ihr Bruder? Ihre Schicksale stehen für so viele Iraner*innen, gerade in diesen Tagen. Wir fordern vom Regime die Freilassung aller, die friedlich protestiert haben, für ihre Rechte eingestanden + zu Unrecht inhaftiert sind!“

Anhaltender Protest im Iran seit Tod von Mahsa Jina Amini

Demnach hätte Rekabi eindeutig gegen das Kopftuchgesetz verstoßen. Ihr droht voraussichtlich der Ausschluss aus der Nationalmannschaft. Laut Beobachtern war ihre Aktion in Seoul auch im Zusammenhang mit den anhaltenden Frauenprotesten gegen den Kopftuchzwang im Iran zu sehen, als ein Signal für ihre Solidarität mit der Frauenbewegung.

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Auslöser der Proteste war der immer noch unaufgeklärte Tod der 22-jährigen Mahsa Jina Amini im Polizeigewahrsam. Die junge Frau war im vergangenen Monat von der Sittenpolizei festgenommen worden, weil ihr Kopftuch leicht verrutscht war und ein paar Haarsträhnen zu sehen waren. (mit dpa)

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