Sozialpsychologe Harald Welzer„Ein extrem gelungenes Marketing der Rechtspopulisten”

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Köln – Der Sozialpsychologe Harald Welzer führt die Diskussion über die „verängstigte Gesellschaft“, die zuletzt Gegenstand einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach war, für „ein extrem gelungenes Marketing der Rechtspopulisten“. Ihn mache „dieses ständige Gerede inzwischen regelrecht wütend, weil es die Angst selbst erst hervorruft, die es behauptet“, sagte Welzer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das Verhängnisvolle sei, „dass Politik und Medien diesen Quatsch auch noch für bare Münze nehmen.“

Welzer rät zu einem Perspektiv-Wechsel. „Wir sind ohne Sinn und Verstand auf die fiktiven Gefahren fokussiert. Wir stürzen uns auf reine Phantasmen, statt über wirkliche Probleme zu reden wie soziale Ungleichheit, Bildungsungleichheit, die Staatsverschuldung oder den Klimawandel“, so der Soziologe, der die von ihm mitbegründete Stiftung „Futurzwei“ leitet und nach Wegen für nachhaltige Formen des Lebens und Wirtschaftens sucht.

Welzer möchte auf positive Errungenschaften unserer Gesellschaft aufmerksam machen

In dieser Woche startet er die „Initiative Offene Gesellschaft“, die mit 365 Veranstaltungen bis zur Bundestagswahl für die Demokratie Partei ergreifen und auf die positiven Errungenschaften unserer Gesellschaft aufmerksam machen will:  „Warum lamentieren wir eigentlich die ganze Zeit über Integrationsprobleme, wo uns doch die Nachkriegsgeschichte zeigt, welch ungeheure Aufnahmeleistung diese Gesellschaft vollbracht hat? Warum drehen wir den Spieß nicht einfach einmal um und sagen, wie fantastisch die Integration von Millionen Flüchtlingen und Vertriebenen im Ergebnis gelaufen ist?“, fragte Welzer.

Im Kontrast wandte er sich gegen eine Haltung von „Anzugträgern mit Einstecktuch und Seidenkrawatte, die über die ach, so ‚schweren Zeiten‘ klagen, um sich anschließend in den SUV zu schmeißen und zum Barbecue am Badesee zu donnern“. Das finde er kindisch und zynisch. „Es kotzt mich echt an“, sagte Welzer.

Kritik an der CSU

Scharf griff er die CSU und deren Positionen in der Flüchtlingspolitik an. Die bayerische Unionspartei führe sich als Stichwortgeberin der AfD auf – „in der hirnrissigen Annahme, sie könnte damit bei AfD-Anhängern punkten. Zuwanderer aus dem christlich-abendländischen Kulturkreis bevorzugen zu wollen – auf so eine idiotische Idee ist ja noch nicht einmal die AfD gekommen. Und um noch eins draufzusetzen: Während die CSU mit rassistischen Versatzstücken Marketing für die AfD betreibt, soufflieren Teile der SPD von der ehemals linken Ecke aus mit ihrem Sozialneid-Vokabular. Dieses Abdriften zweier Parteien, die klassisch zum demokratischen Spektrum gehören, halte ich für ausgesprochen gefährlich.“

Ist die Debatte über Merkels „Wir schaffen das“ nicht der Versuch, diesen Satz auf seine ikonische Qualität abzuklopfen?

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