Merz erklärt sein „Stadtbild“ – Die Debatte darüber ist reflexartig ideologisch, aber wir müssen sie führen.
„Stadtbild“-AussageBerechtigter Hinweis auf die Realität

Friedrich Merz hat mit seiner „Stadtbild“-Aussage eine Debatte ausgelöst.
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Wenn Herbert Reul auf den Kölner Ebertplatz kommt, ist das längst Routine. Der NRW-Innenminister sucht regelmäßig Orte auf, an denen der Rechtsstaat schwächelt. Ob in Duisburg-Marxloh, Essen-Altendorf oder eben in Köln-Nordstadt. Orte, die in Polizeiberichten als „Angsträume“ und in Lagebildern als „Schwerpunkte urbaner Kriminalität“ auftauchen. Orte, die das Versprechen des Staates von Ordnung und Sicherheit infrage stellen.

Bei einem Reul-Besuch am Ebertplatz ist die Polizei vor Ort (Archivbild)
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Reul spricht dann von „rechtsfreien Räumen“ und davon, dass der Staat sich die Kontrolle zurückholen müsse. Das ist kein populistischer Reflex, sondern Ausdruck eines Dilemmas, das längst die gesamte Republik betrifft: Wie viel Autorität hat der Staat noch in unseren Städten? Auf dem Ebertplatz drehen sich 61 Prozent aller dort registrierten Straftaten um Drogen, fast jeder fünfte Fall um Körperverletzung. Viele der Tatverdächtigen stammen aus Ländern wie Guinea, Eritrea, Syrien oder Marokko. Es sind Asylbewerber, die kaum Bleibechancen, aber auch kaum Perspektiven haben. Nach einer Festnahme stehen sie oft nur wenige Stunden später wieder am selben Platz.
Formulierung war mehr als unglücklich – aber ein Hinweis auf eine Realität
Die Empörung über Friedrich Merz' Bemerkung zum „Problem im Stadtbild“ vieler deutscher Metropolen hat gezeigt, wie verkrampft die politische Diskussion inzwischen geführt wird. Der CDU-Vorsitzende sprach an, was viele denken, was aber kaum jemand öffentlich formuliert: Dass die Versäumnisse in der Migrationspolitik der letzten Jahre Folgen haben – auch im Alltag, auch auf den Straßen. Statt sich mit dem Kern des Problems auseinanderzusetzen, wird die Debatte reflexartig moralisch aufgeladen.
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Die von Merz gewählte Formulierung war mehr als unglücklich und es dauerte zu lange, bis er erklärte, was genau er meint. Aber sie war kein Aufruf zur Ausgrenzung, sondern der Hinweis auf eine Realität, die sich statistisch untermauern lässt: In NRW hat jeder dritte jugendliche Tatverdächtige keinen deutschen Pass. Das heißt nicht, dass Migration Kriminalität erzeugt. Aber es heißt, dass Integration zu oft scheitert, dass Kontrolle fehlt und dass der Staat zu lange weggeschaut hat.
Deutschland braucht beides: Ordnung und Offenheit. Wer Sicherheit fordert, darf nicht in Feindbildern reden. Wer auf der anderen Seite Humanität betont, darf das Recht nicht relativieren. Der Staat verliert seine Autorität nicht, weil er zu hart ist – sondern weil er zu oft wegsieht. Wenn sich Bürger fragen, ob sie nachts noch über öffentliche Plätze gehen können; wenn Bahnhöfe, Parks und Innenstädte zu Zonen der Unsicherheit werden, dann ist das nicht nur ein Sicherheitsproblem. Es ist ein Vertrauensproblem.
Reul verbindet die Polizei-Arbeit mit dem Appell an die Politik in Berlin, die rechtlichen Grundlagen zu schaffen. Denn mit repressiver Politik allein ist es nicht getan. Der Staat kann nicht überall Polizisten hinstellen. Er muss auch dafür sorgen, dass die Ursachen für Kriminalität nicht unentwegt fortdauern: fehlende Sprachförderung, überforderte Schulen, unkontrollierte Zuwanderung, zu wenig Rückführungen nach Ablehnung des Asylgesuchs. Hier liegt die Verantwortung der Bundesregierung. Und damit zuallererst auch bei Kanzler Merz.
Gemeinden und Kommunen sind am Limit
Es hilft wenig, nur über Rassismus zu debattieren, wenn die Realität längst strukturelle Überforderung heißt: Gemeinden und Kommunen sind am Limit. Die Koalition aus Union und SPD ist sich dieser Schieflage bewusst, aber sie agiert noch zu zögerlich – zwischen humanitärem Anspruch und sicherheitspolitischem Defizit. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Wenn Bürger das Gefühl haben, dass Gesetze nur noch auf dem Papier gelten, verliert die Demokratie an Halt.
Vor zehn Jahren gab es in der Silvesternacht die massiven sexuellen Übergriffe durch junge Männer aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum auf der Kölner Domplatte. Viel wurde seither diskutiert. Was ist passiert? Es gibt keine Silvesterfeier auf der Domplatte mehr. Ein Land, das seine Regeln nicht durchsetzt, verändert sich schleichend, aber spürbar. Und irgendwann erkennt man es nicht mehr wieder.

