Bislang war Donald Trumps Zollpolitik völlig unberechenbar. Die Europäer dürfen sich nicht einschüchtern lassen, kommentiert Karl Doemens.
Trumps ZollpolitikDer „Dealmaker“ gerät unter Druck


US-Präsident Donald Trump spricht Anfang April während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses. (Archivbild)
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Das schwindelerregende Tempo, mit dem sich Ereignisse überschlagen, war von Anfang an das Markenzeichen der zweiten Trump-Amtszeit. Eben noch hat der Präsident gegen die Elite-Universität Harvard gewettert, da erklärt er Kreml-Chef Wladimir Putin für verrrückt. Es stört nicht, dass er kurz zuvor das Gegenteil gesagt hat. „Flood the zone with shit“, heißt die vom rechtsnationalen Vordenker Steve Bannon entwickelte Strategie: Man muss soviel Mist heraushauen, dass im öffentlichen Diskurs kein Platz mehr für andere Themen bleibt.
Gerichte durchkreuzen Trumps Pläne
In jüngster Zeit hat sich die rasante Taktzahl noch einmal drastisch erhöht. Zunehmend funken nämlich mutige Richter dem Potentanten im Weißen Haus dazwischen. Sie haben seine Abschiebungen, seinen Kahlschlag bei den Behörden und seinen Visa-Stopp moniert. Mit einem spektakulären Urteil hat nun am Mittwoch ein New Yorker Handelsgericht das Herzstück von Trumps Wirtschaftspolitik aufgespießt: Es befand, dass die mit einem Notstandsgesetz von 1977 begründeten pauschalen Zölle schlicht rechtswidrig sind. Kurz darauf freilich entschied ein Berufungsgericht, dass die Strafabgaben trotzdem bis zur endgültigen Entscheidung in Kraft bleiben dürfen.
Wer sich künftig einen Reim auf die Washingtoner Zoll-Orgie machen will, der muss neben der wilden Obsession und aberwitzigen Sprunghaftigkeit des Präsidenten also auch die unvorhersehbaren Klippen des amerikanischen Rechtssystems mit einkalkulieren.
Trump wird mit Zollvorhaben bis vor den Supreme Court gehen
Trump wird den Streit bis vor den mehrheitlich konservativen Supreme Court treiben. Er wird mit der Besessenheit des Überzeugungstäters nach Möglichkeiten suchen, neue Zölle mit anderen Begründungen zu verhängen. Und er legt mit seinen Pöbeleien gegen die - teils von ihm selbst ernannten - angeblich linksextremen Richter die Grundlage für eine Delegitimierung und mögliche Missachtung künftiger Gerichtsurteile.
(((Dass der Präsident aufgrund des rechtlichen Gegenwinds leise einlenkt, erscheint extrem unwahrscheinlich. Das widerspräche nicht nur dem Charakter des politischen Straßenschlägers, der bei Widerstand noch fester draufhaut. Die Zölle sind auch Kernbestand seiner „America-First“-Ideologie: Angeblich wurden die USA über Jahrzehnte von fremden Mächten über den Tisch gezogen und ausgeplündert. Die Strafabgaben auf Importe verkauft Trump seiner loyalen Basis nun als wunderbares Allheilmittel. Sie sollen Jobs für amerikanische Arbeiter schaffen, den Drogenhandel unterbinden, die USA geopolitisch unabhängiger machen und billionenschwere Einnahmen für den Staat generieren. Tatsächlich eröffnen sie vor allem dem Präsidenten persönlich ungeahnte Möglichkeiten zur Erpressung und Vorteilnahme durch den Verkauf von Ausnahmeregelungen.)))
Trumps Politik: Noch mehr Unberechenbarkeit sehr wahrscheinlich
Die Welt muss sich also auf noch mehr Konfusion und Unberechenbarkeit in der amerikanischen Handelspolitik einstellen. In den vergangenen Monaten hat Trump die Prozentzahlen für die Zölle eigenmächtig gewürfelt. Für die Unternehmen, die von verlässlichen Lieferketten und planbaren Kosten abhängen, war das schon katastrophal genug. Nun aber sitzen die Gerichte mit am Tisch. Irgendeine Verlässlichkeit wird es in den kommenden Monaten nicht geben.
Für die Europäer, die besonders im Fokus von Trumps handelspolitischem Furor stehen, kann das nur eines bedeuten: Sie müssen selbstbewusst auftreten und dürfen sich nicht einschüchtern lassen. Keinesfalls sollten sie einseitige Zugeständnisse machen. Ihre Position ist durch die jüngsten Urteile tendenziell gestärkt. Das Chaos in der Zollpolitik setzt Trump innenpolitisch zunehmend unter Druck. Der Präsident braucht einen transatlantischen „Deal“ dringender als der alte Kontinent. (rnd)