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„Adenauers Alptraum“Alarmstimmung in Europa – Trumps „schamloser“ Ukraine-Plan wird öffentlich

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Kremlchef Wladimir Putin dürfte sich über die US-Pläne für die Ukraine freuen. (Archivbild)

Kremlchef Wladimir Putin dürfte sich über die US-Pläne für die Ukraine freuen. (Archivbild)

Umso mehr Details zu den Plänen von US-Präsident Donald Trump öffentlich werden, desto deutlicher werden die Reaktionen aus Europa.

Die Ukraine soll einem nun öffentlich gewordenen „Friedensplan“ zufolge gegenüber Russland weitreichende Zugeständnisse eingehen: Das angegriffene Land würde gemäß dem von US-Präsident Donald Trump unterstützten 28-Punkte-Plan auf die Regionen Donezk und Luhansk verzichten, hieß es in einem am Donnerstag von mehreren Medien veröffentlichten Entwurf des Plans.

Die Halbinsel Krim sowie die Regionen Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine würden „de facto als russisch anerkannt werden, auch von den Vereinigten Staaten“, heißt es dort. Gemäß diesem 28-Punkte-Plan würden die beiden teilweise von Russland kontrollierten Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine entsprechend der aktuellen Frontlinie aufgeteilt.

Trumps 28-Punkte-Plan wird öffentlich

Überdies sieht der Plan eine Begrenzung der ukrainischen Armee auf 600.000 Soldaten vor, zudem soll die Kiew von einem möglichen Nato-Beitritt absehen. Die Nato würde sich demnach zufolge verpflichten, keine Truppen in der Ukraine zu stationieren. Im Nachbarland Polen würden jedoch Eurofighter-Kampfjets zum Schutz der Ukraine stationiert.

Am Mittwoch war bekannt geworden, dass die USA einen neuen Plan zur Beilegung des seit fast vier Jahren andauernden russischen Angriffskriegs in der Ukraine erarbeitet haben. 

Washington lobt sein Kapitulationsangebot an die Ukraine

Im Gegenzug enthält der Entwurf nur vage Angaben zu künftigen Sicherheitsgarantien für die Ukraine. US-Medien zufolge soll der Plan von Vertretern der US-Regierung gemeinsam mit Vertretern Russlands in geheimen Beratungen ausgearbeitet worden sein. Vieles deutet darauf hin, dass der Entwurf daraufhin von der russischen Seite bewusst lanciert wurde, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen.

Die US-Regierung wies Bedenken wegen einer Begünstigung Moskaus in dem bislang unveröffentlichten US-Friedensplan für die Ukraine zurück. Es sei ein „guter Plan, sowohl für Russland als auch für die Ukraine“, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, am Donnerstag über den Entwurf, der aus ukrainischer Sicht einem Kapitulationsangebot gleichkommt. 

Ukraine will eigenes Territorium „niemals“ als russisch anerkennen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte nach einem Treffen mit einem hochrangigen US-Vertreter in Kiew, sein Land brauche einen „würdevollen Frieden“, der die Unabhängigkeit und Souveränität der Ukraine respektiere.

Khrystyna Hayovyshyn, stellvertretende Ständige Vertreterin der Ukraine bei den Vereinten Nationen, wurde bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats derweil deutlicher. Die Ukraine werde niemals „ukrainisches Territorium, das vorübergehend von der Russischen Föderation besetzt ist, als ‚russisch‘ anerkennen, weder formell noch anderweitig“, stellte die Diplomatin klar.

Kyjiw bekräftigt seine „roten Linien“

Außerdem werde die Ukraine „keine Einschränkungen ihres Rechts auf Selbstverteidigung oder der Größe und Leistungsfähigkeit ihrer Streitkräfte akzeptieren, noch werden wir irgendeine Verletzung ihrer Souveränität dulden, einschließlich ihres souveränen Rechts, die Bündnisse zu wählen, denen sie beitreten möchte.“

Die Ukraine folgt damit den bekannten „roten Linien“, die sie stets ausgegeben hat, und die von der US-Regierung bei der Ausarbeitung des Plans großflächig ignoriert wurden. Eine Zustimmung der Ukraine gilt daher als extrem unwahrscheinlich. „Es gibt nur einen realistischen Weg, diesen Krieg zu beenden“, betonte Hayovyshyn. „Russland muss zum Rückzug gezwungen werden – wirtschaftlich, politisch und militärisch.“

Tote nach russischem Angriff während Sicherheitsratssitzung

Noch während der Sitzung des UN-Sicherheitsrats setzte Russland unterdessen seine Angriffe auf die Ukraine fort. Nach dem verheerenden Angriff auf Ternopil mit mehr als 25 Todesopfern folgte am Donnerstag eine Attacke auf Saporischschja. Fünf Menschen wurden nach ukrainischen Angaben dabei getötet.

Die Veröffentlichung des gesamten US-Entwurfs sorgt unterdessen auch im Baltikum für deutliche Reaktionen. „Wenn die Ukraine das akzeptiert, wird es die Ukraine nicht mehr geben“, schrieb etwa Marko Mihkelson, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des estnischen Parlaments. „Wenn Europa das akzeptiert, müssen wir uns auf einen direkten Krieg mit Russland vorbereiten“, fügte Mihkelson auf der Plattform X hinzu.

„Europa wird ein Diktat vorgelegt“

Bei deutschen Politikexperten herrschte nach der Veröffentlichung des vollständigen Plans ebenfalls Kopfschütteln. Wer die 28 Punkte aus europäischer Sicht liest, könne erkennen, in welch schwierige Lage die „Untätigkeit von Merkel, die Besonnenheit von Scholz, die Desorientierung von Merz“ Deutschland geführt hätten, schrieb etwa der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger bei X und fügte hinzu: „Adenauers Alptraum nimmt Gestalt an. Europa wird ein Diktat vorgelegt.“

„Dem Narzissten Trump scheint die Ukraine mittlerweile so lästig zu sein, dass er die derzeitige innenpolitische Schwäche von Selenskyj (von diesem selbst verursacht) dazu nutzt, um ein ganzes Land und seine Bevölkerung Putins Russland zum Frass vorzuwerfen“, ließ auch der Osteuropa-Experte Thomas Dudek kein gutes Haar an den US-Plänen, die von Washington vorgebracht wurden, während Selenskyj wegen einer Korruptionsaffäre in seinem direkten Umfeld unter Druck geraten ist. 

Experten: US-Entwurf ist „schwammig und schlampig“

Ausführlich äußerte sich auch der Sicherheitsexperte Nico Lange zu dem kursierenden US-Entwurf. Der Plan wirke „amateurhaft formuliert, viele Punkte sind rechtlich fragwürdig, Formulierungen schwammig und schlampig, manche Punkte völlig unmöglich“, schrieb Lange bei X. Diese Unprofessionalität werde es sogar für Moskau problematisch gestalten, damit zu arbeiten, prognostizierte der Experte und fügte hinzu: „Selbst wenn es grundsätzlich ihren Interessen entspricht.“

„Die militärische Lage ist nicht so, dass die Ukraine kapitulieren und einfach diesen ‚Plan‘ annehmen müsste“, betonte Lange zudem. „Nicht einmal die seit Sommer 2024 angestrebte Einnahme von Pokrowsk hat Putin vor Veröffentlichung dieser Pläne erreichen können.“

„USA wollen sich schamlos Profite unter den Nagel reißen“

Besonders scharfe Kritik äußerte der Sicherheitsexperte unterdessen an den Punkten des Plans, mit denen die USA sich eine „Entschädigung“ und eine Beteiligung an künftigen Einnahmen der Ukraine sichern wollen.

„Dass die USA sich mit diesem ‚Plan‘ schamlos Teile der russischen Assets, von den Europäern zu zahlende Gelder, den ukrainischen Energiesektor und finanzielle Profite des Wiederaufbaus unter den Nagel reißen wollen“ zeige, dass US-Unterhändler Steve Witkoff in seiner Rolle „völlig ungeeignet“ sei, schrieb Lange.

Die in dem Plan vorgesehenen „Sicherheitsgarantien“ seien derweil „nichts als vage Zusicherungen“, stellte Lange klar und empfahl den europäischen Unterstützern, die US-Pläne zu blockieren. „Die Europäer sollten den Rücken gerade machen und eigene Vorschläge für Frieden in Europa auf den Tisch legen und endlich mit Stärke für ihre eigene Zukunft eintreten.“ (mit afp)