Nach Taurus-Nein und Luftwaffen-Leak„Nichtskönner“ und „Feigheit“ – So hart kritisiert Europa Scholz und Deutschland

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betrachtet während eines Besuchs des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr Waffen. Vor allem aus Großbritannien kommt zuletzt harte Kritik am Kanzler.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betrachtet während eines Besuchs des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr Waffen. Vor allem aus Großbritannien kommt zuletzt harte Kritik am Kanzler.

In London hält mancher Olaf Scholz für den „falschen Mann am falschen Ort“. Auch Macron legt nach – und bekommt eine Antwort.

Nach dem Abhörskandal bei der Bundeswehr und der Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), deutsche Taurus-Marschflugkörper nicht an die Ukraine zu liefern, wird heftige Kritik aus Großbritannien an dem SPD-Politiker laut. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der in der letzten Woche bereits Spitzen Richtung Scholz geschickt hatte, sorgt erneut mit einer Wortmeldung für Wirbel – will damit aber nicht Deutschland gemeint haben. 

„Wir nähern uns sicherlich einem Moment für Europa, in dem es notwendig sein wird, nicht feige zu sein“, sagte Macron am Dienstag bei einem Besuch in Tschechien. „Wir müssen der Geschichte gerecht werden“, führte der französische Präsident aus. „Wenn wir jeden Tag erklären, wo unsere Grenzen sind (…) kann ich Ihnen schon jetzt sagen, dass dort der Geist der Niederlage lauert“, sagte Macron außerdem. 

Macron spricht vom „Geist der Niederlage“ – Pistorius bezieht es auf Deutschland

Macron hatte vergangene Woche mit seiner Äußerung für Aufsehen gesorgt, wonach die Entsendung westlicher Soldaten in die Ukraine nicht ausgeschlossen werden dürfe. Damit war er bei vielen Verbündeten auf Irritation und breite Ablehnung gestoßen. Die Regierung in Paris erklärte später, damit seien keine Kampfeinheiten gemeint gewesen. Kanzler Scholz hatte umgehend versichert, Deutschland werde keine Bodentruppen entsenden.

Zuvor hatte Macron in Richtung des Kanzlers gestichelt – und daran erinnert, dass manche der Ukraine-Unterstützer anfangs lediglich Helme hatten liefern wollen. Ein Seitenhieb auf Deutschland, das mittlerweile allerdings nach den USA der größte Unterstützer des von Russland angegriffenen Landes ist.

Macrons neuerliche Worte kamen in Deutschland erneut nicht allzu gut an, obwohl man in Paris versicherte, Berlin sei mit „Feigheit“ nicht gemeint gewesen. „Das hilft nicht wirklich dabei, die Probleme zu lösen, die wir dabei haben, die Ukraine so gut wie möglich zu unterstützen“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Dienstag. „Aus meiner Sicht brauchen wir keine Diskussionen über den Einsatz von Bodentruppen oder über mehr oder weniger Mut“, sagte Pistorius auf Englisch mit Blick auf entsprechende Äußerungen Macrons. Es gehe „darum, sich auf die relevantesten Herausforderungen zu konzentrieren“.

Pistorius weist Feigheitsvorwurf zurück: „Das hilft nicht wirklich dabei, die Probleme zu lösen“

Während Paris und Berlin sich verbal weiterhin die Bälle zu spielen, ohne sich dabei gegenseitig direkt beim Namen zu nennen, kommen aus Großbritannien seitdem von Russland ausgenutzten Leak bei der Luftwaffe mitunter deutlich härtere Töne in Richtung des Bundeskanzlers. Während es Regierungssprecher in London derzeit bei dem Hinweis belassen, dass Großbritannien als erstes Land Marschflugkörper an die Ukraine geliefert habe und wenig subtil anfügt: „Wir ermutigen unsere Partner, das Gleiche zu tun“, wird der Ton abseits von Downing Street deutlich rauer. 

Scholz sei „der falsche Mann im falschen Job zur falschen Zeit“, kritisierte der ehemalige britische Verteidigungsminister Ben Wallace. Stets müsse Berlin dazu gedrängt werden, der Ukraine zu helfen, kritisierte der Ex-Minister, der Deutschland zudem vorwarf, vom russischen Geheimdienst „durchdrungen“ worden zu sein. 

Olaf Scholz „der falsche Mann im falschen Job zur falschen Zeit“?

„Scholz’ Kommentare sind falsch, verantwortungslos und ein Schlag ins Gesicht von Verbündeten“. Insbesondere dass Scholz über die Präsenz britischer Kräfte in der Ukraine gesprochen hatte, sorgte für Wirbel. „Olaf Scholz hat damit nicht die Anwesenheit britischer Truppen in der Ukraine bestätigt“, versuchte man zu Wochenbeginn in der Downing Street die Wogen zu glätten. Man habe schon häufiger angemerkt, dass „eine kleine Zahl britischer Soldaten in der Ukraine“ sei, erklärte ein Sprecher. 

In der britischen Presse wurden derweil andere Töne angeschlagen. „Wenn du willst, dass ein Geheimnis im Kreml landet, erzähl es einfach den Deutschen“, polterte da Journalist und Buchautor Edward Lucas in der „Daily Mail“. Deutsche Spione seien „arrogant, bürokratisch und nutzlos“ und ein „Haufen von Nichtskönnern“, erklärte Lucas, der 2008 ein Buch über Wladimir Putins „neuen kalten Krieg“ gegen den Westen veröffentlicht hatte. „Die unbequeme Wahrheit ist, dass Deutschland schläft, während Europa brennt, und das bedeutet schlaflose Nächte für den Rest von uns“, befand Lucas weiter. 

„Wenn du willst, dass ein Geheimnis im Kreml landet, erzähl es einfach den Deutschen“

Zuvor hatte Scholz’ Bemerkung über britische Truppen in der Ukraine und darüber, dass Deutschland nicht „dasselbe“ wie Großbritannien tun könne, bereits für scharfe Reaktionen gesorgt.

„Dies ist ein eklatanter Missbrauch von Geheimdienstinformationen, der bewusst von der Zurückhaltung Deutschlands ablenken soll, die Ukraine mit einem eigenen Langstreckenraketensystem auszurüsten“, hatte Tobias Ellwood, der ehemalige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Unterhauses, in der vergangenen Woche kritisiert. (mit dpa)

KStA abonnieren