„Wir verfolgen das mit bösem Interesse“Kreml-Medien freuen sich über Wagenknecht – Medwedew verspottet Scholz

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Dmitri Medwedew, Vizechef des russischen Sicherheitsrats, zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz. Medwedew hat die Bauernproteste in Deutschland kommentiert.

Dmitri Medwedew, Vizechef des russischen Sicherheitsrats, zusammen mit Kremlchef Wladimir Putin bei einer Pressekonferenz. Medwedew hat die Bauernproteste in Deutschland kommentiert.

Sowohl die Bauernproteste als auch die neue Partei von „Genossin“ Sahra Wagenknecht sorgen für Reaktionen aus Moskau. 

Gleich zwei Ereignisse in Deutschland sorgten am Montag für Reaktionen aus Russland. Zum einen bekamen die Bauernproteste, die zu Wochenbeginn ganz Deutschland erfassten, viel Aufmerksamkeit im Kreml. Zum anderen sorgte auch die Parteigründung von Sahra Wagenknecht für wohlwollende Berichterstattung in den staatlich kontrollierten russischen Medien – und darüber hinaus.

Die schrillsten Töne kamen dabei mal wieder vom ehemaligen russischen Präsidenten und nunmehrigen Vizechef des Sicherheitsrats, Dmitri Medwedew, der sich am Montagabend im sozialen Netzwerk X zu den Protesten der Landwirte in Deutschland äußerte.

Häme aus Russland: „Höchst zweifelhaft, dass Scholz – die Leberwurst – durchhalten wird“

„Streiks in Deutschland: Die Landwirte haben weite Teile des Landes blockiert“, schrieb Medwedew und fuhr fort: „Die Subventionen wurden eingestellt, und die astronomischen Summen, die für die Ukraine ausgegeben werden, steigen weiter. Und Deutschland ist der Hauptgeldgeber.“

Wenn es „so weiter geht“, werde die Ukraine „ihre bewährte Waffe, den Maidan, nach Berlin exportieren“, so Medwedew weiter. „In diesem Fall ist es höchst zweifelhaft, dass Scholz – die Leberwurst – durchhalten wird“, schrieb Medwedew weiter. „Wir verfolgen das mit bösem Interesse“, fügte er an.

Dmitri Medwedew: „Wir verfolgen das mit bösem Interesse“

Inwiefern der „Maidan“ als Waffe gegen Deutschland eingesetzt werden könnte, ließ der enge Vertraute des russischen Präsidenten Wladimir Putin offen. Als „Maidan“ oder auch „Euromaidan“ wird die Welle des öffentlichen Protests in der Ukraine zwischen November 2013 und Februar 2014 bezeichnet. Auslöser für die Proteste war damals die Entscheidung der ukrainischen Regierung, ein geplantes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht unterzeichnen zu wollen.

Tausende protestierten fortan täglich auf dem „Platz der Unabhängigkeit“ in Kiew, der in der Landessprache „Majdan Nesaleschnosti“ heißt. Die Sicherheitsbehörden gingen mit brutaler Gewalt gegen die Proteste vor, mehr als 100 Menschen wurden getötet. Kurz darauf begann die gewaltsame Annexion der Krim durch Russland, welche in der Ukraine als eigentlicher Kriegsbeginn betrachtet wird.

Viel Aufmerksamkeit für Wagenknecht-Partei in Russland

Rückblickend werden die damaligen Proteste in der Ukraine als „Revolution der Würde“ bezeichnet. Es bleibt also unklar, wie eine pro-europäische Protestbewegung als Waffe gegen Deutschland eingesetzt werden sollte. Mit seinen Worten lässt Medwedew jedoch durchblicken, dass der pro-europäische Kurs der ukrainischen Bevölkerung in Moskau seither als Bedrohung empfunden wird.

Traktoren stehen am Rande der Bauernproteste auf einer Straße in Saarbrücken. Die Protestaktion der deutschen Landwirte wurde auch in Moskau wahrgenommen.

Traktoren stehen am Rande der Bauernproteste auf einer Straße in Saarbrücken. Die Protestaktion der deutschen Landwirte wurde auch in Moskau wahrgenommen.

Während die Bauernproteste zu Reaktionen aus der politischen Arena in Moskau führten, bekam die Parteigründung von Sahra Wagenknecht vor allem viel Aufmerksamkeit in den russischen Medien. Bei Ria, einer der staatlichen Agenturen, rangierte die Meldung zur Wagenknecht-Partei am Montagabend unter den drei meistgelesenen des Tages.

Russische Staatsmedien verbreiten Wagenknechts Ukraine-Zitate

Auch die Staatsagentur Tass berichtete ausführlich über Wagenknecht – und stellte vor allem die Aussagen der Parteigründerin zur Ukraine und Russland heraus. So wurde betont, dass Wagenknecht anstrebt, die Wirtschaftssanktionen gegen Russland abzuschaffen und die Hoffnung auf eine Verbesserung der ukrainischen Verhandlungsposition durch militärische Erfolge als „leeres Geschwätz“ bezeichnet hatte.

Wagenknecht habe sich dagegen ausgesprochen, „weiterhin jeden Tag Hunderte junger Menschen für einen Krieg zu opfern, den die Ukraine, wie ukrainische Generäle selbst sagen, nicht gewinnen kann“, berichtete Tass – und nutzte die beiden Zitate prominent als Einstieg in den Bericht.

Wagenknecht wird vorgeworfen, Kreml-Narrative zu verbreiten

Seitdem Wagenknecht die Gründung ihrer eigenen Partei im vergangenen Jahr angekündigt hat, bekommt das Vorhaben in Russland viel Aufmerksamkeit. Dem neu gegründeten BSW und Wagenknecht-Gefährten wie Alice Schwarzer wird unterdessen in Deutschland immer wieder vorgeworfen, die Narrative des Kremls zu verbreiten.

Wagenknecht und ihre Mitstreiter stellen den Angriff Russlands auf die Ukraine immer wieder als fast schon nachvollziehbare Reaktion auf eine angebliche Bedrohung durch die Nato in Osteuropa dar. Imperialistische und genozidale Motive können sie bei Russlands Krieg unterdessen offenbar nicht erkennen. Ungeachtet der russischen Kriegsverbrechen fordern BSW-Vertreter immer wieder eine „diplomatische Lösung“, ohne dabei konkret zu benennen, wie diese aussehen soll.

Verhandlungen? Russen fordern während BSW-Pressekonferenz Eroberung von Odessa

Bekräftigungen aus Moskau, dass man an den eigenen Kriegszielen festhalten werde und es Frieden nur zu russischen Bedingungen geben könne, werden bei den Forderungen nach Verhandlungen stets ebenso ignoriert, wie die zahlreichen russischen Drohungen in Richtung anderer ehemaliger Sowjetrepubliken.

Fast ironisch mutete es deshalb am Montag an, dass der von Russland ernannte „Chef“ der illegal geschaffenen und lediglich von Moskau anerkannten „Volksrepublik Donezk“ noch während die Gründungspressekonferenz der Wagenknecht-Partei lief, die Eroberung der ukrainischen Städte Odessa und Mykolajiw forderte. Beide Städte seien „russisch“ und müssten „befreit werden“, erklärte Denis Puschilin nach Angaben von Ria. 

Russland hofft auf Sahra Wagenknecht: „Genosse Kanzler“

Wagenknecht ist in Russland unterdessen nicht erst seit gestern beliebt. Als die ehemalige Linken-Politikerin im vergangenen Oktober ankündigte, ihre eigene Partei gründen zu wollen, kommentierte die russische Zeitung „Kommersant“ die Pläne bereits hocherfreut.

Der „sofortige Erfolg“ der damals noch in Planung befindlichen Partei beruhe „natürlich“ auf der Popularität der Gründerin, schrieb Andrey Kelekeev in einem ausführlichen Stück über Wagenknecht. „Genauso natürlich“ werde Wagenknechts zukünftiger „Aufstieg an die Macht“ sein, hieß es weiter.

„Die gebürtige DDR-Bürgerin, die von vielen im Lande immer noch als ‚Stalinistin‘ bezeichnet wird“, könnte so zur „nächsten Bundeskanzlerin“ in Deutschland werden, frohlockte Kelekeev weiter. Betitelt war sein Text mit „Genossin Bundeskanzler“.

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