Kommentar zum VermittlungsausschussWarum Lauterbach mit seiner Warnung vor dem „Sterben“ des Cannabis-Gesetzes falsch liegt

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat das Cannabis-Gesetz auf den Weg gebracht.

Gesundheitsminister Lauterbach warnt die Länder davor, das Gesetz zur Legalisierung im Bundesrat aufzuhalten.

Karl Lauterbach lässt nicht locker: Wenn das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung an diesem Freitag von den Ländern in den Vermittlungsausschuss geschickt werde, werde es dort „sterben“, warnt der Minister in diesen Tagen bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Aber stimmt das auch? Oder ist das nur eine Drohkulisse, um wankelmütige Länder auf seine Seite zu ziehen und das Gesetz sicher vor den Landtagswahlen im Herbst in Kraft zu setzen?

Bei dem Cannabis-Gesetz handelt es sich um ein Einspruchsgesetz. Dabei hat der Bundesrat am Freitag zwei Möglichkeiten: Gibt es keinen Antrag für die Anrufung des Vermittlungsausschusses oder haben entsprechende Anträge keine Mehrheit, gilt das Gesetz als gebilligt und kann pünktlich zum 1. April in Kraft treten. Kommt hingegen eine Mehrheit von 35 Stimmen für die Anrufung zusammen – was nur mit Zustimmung von Ampel-regierten Ländern klappt – wird das Gesetz zunächst aufgehalten. Wichtig für das weitere Verfahren ist, mit welchem „Anrufungsgrund“ der Ausschuss verlangt wird, denn nur diese Punkte dürfen anschließend geändert werden.

Im Fall des Cannabis-Gesetzes wird eine Mehrheit allenfalls für eine Verschiebung des Inkrafttretens zum Beispiel auf den 1. Oktober für möglich gehalten. Hintergrund: Auch Landesregierungen mit Beteiligung von Ampelparteien fürchten durch die geplante Amnestieregelung eine Überlastung der Justiz und wollen daher Zeit gewinnen – ohne das Gesetz ansonsten inhaltlich zu ändern.

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Cannabis-Freigabe ist ein Prestige-Projekt

Was am Freitag tatsächlich passieren wird, ist völlig unklar. „Hier geht es nicht mehr um inhaltliche Details, hier geht es um große Politik“, heißt es in der Ampelkoalition. Die Kernfrage: Wollen Landesregierungen mit Ampelparteien der Koalition auf Bundesebene in den Rücken fallen? Das wäre nicht das erste Mal, schließlich ist das bereits bei mehreren Gesetzen so geschehen.

Andererseits handelt es sich bei der Cannabis-Freigabe um ein Prestige-Projekt, das stark im medialen Scheinwerferlicht steht. Endgültige Entscheidungen auf Länderseite dürften daher erst bei den sogenannten Kamingesprächen der Ministerpräsidenten am Donnerstagabend fallen. So viel scheint sicher: Wenn es zur Anrufung kommt, dann nur wegen des Starttermins.

Wird die Anrufung beschlossen, befürchtet das Lauterbach-Ministerium eine an mehreren Stellen ansetzende Verzögerungstaktik der Union. Die erste genannte Möglichkeit: Der Ausschuss tagt einfach gar nicht mehr. Das bezeichnet aber selbst der aktuelle Vorsitzende des Ausschusses, der CDU-Politiker Hendrik Hoppenstedt, in einem Brief an Lauterbach als verfassungswidrig. Zweite Variante: Das Gesetz wird – im Unterschied zu anderen strittigen Vorhaben - nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Auch das wird in der Koalition nicht für möglich gehalten. Das sieht auch CDU-Mann Hoppenstedt so: „Wird zu einer Sitzung eingeladen, sind grundsätzlich alle Gesetze, zu denen der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, auf die Tagesordnung zu setzen.“

Cannabis-Gesetz kann in Arbeitsgruppen verwiesen werden

Bleibt eine dritte Verzögerungsmethode: Die Beratung des Cannabis-Gesetzes wird vom Vermittlungsausschuss in Arbeitsgruppen verwiesen. Dann könnte es nach Einschätzung aus der Koalition auf dieser Ebene tatsächlich zu endlosen Vertagungen kommen. Das ließe sich den Angaben zufolge aber vergleichsweise leicht verhindern, wenn der Vermittlungsausschuss tatsächlich nur zur Terminfrage angerufen wird und die Ampel-Seite bereits in der ersten Sitzung mit ihrer Mehrheit von 17 Stimmen einen Einigungsvorschlag durchsetzt. Damit wäre dann auch der Weg dafür frei, dass das Gesetz mit der Terminverschiebung endgültig Bundestag und Bundesrat passieren kann.

Die Behauptung von Lauterbach, dass das Gesetz im Vermittlungsausschuss „stirbt“, stimmt in seiner Absolutheit daher nicht. Sollten die Länder eine Terminverschiebung durchsetzen wollen, können sie das ohne Gefährdung des gesamten Gesetzes tun. Nur eine stärkere Überarbeitung des Gesetzes birgt die Gefahr, dass es im Vermittlungsausschuss zerrieben wird und gar nicht mehr kommt.

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