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Urteil in KarlsruheVerfassungsgericht erlaubt Beteiligung am Corona-Aufbaufonds der EU

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht, (l-r) Astrid Wallrabenstein, Peter Müller, Peter M. Huber, Doris König (Vorsitz), Monika Hermanns, Sibylle Kessal-Wulf und Christine Langenfeld, verkündet das Urteil zu milliardenschweren EU-Corona-Fonds. Sie sind durch eine Scheibe fotografiert.

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgericht verkündet das Urteil zu milliardenschweren EU-Corona-Fonds.

Erstmals macht die EU-Kommission in großem Stil Schulden, um Mitgliedsstaaten nach der Corona-Pandemie zu helfen. Nun hat Karlsruhe entschieden, dass Deutschland mitmachen darf.

Deutschland darf sich nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts am milliardenschweren Corona-Aufbaufonds der EU beteiligen. Der Zweite Senat wies am Dienstag, 6. Dezember, in Karlsruhe zwei Verfassungsbeschwerden dagegen zurück.

Das Aufbauprogramm mit dem Namen „Next Generation EU“ soll den EU-Staaten helfen, nach der Pandemie wieder auf die Beine zu kommen. Dafür macht die EU-Kommission erstmals im großen Stil Schulden. Es geht um ein Volumen von 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018. Berücksichtigt man die Inflation, sind das inzwischen mehr als 800 Milliarden Euro. Einen Teil des Geldes bekommen die Länder als Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen, den Rest als Darlehen.

EU-Kommission macht Schulden in Milliardenhöhe

Ende 2058 sollen die Schulden spätestens beglichen sein. Die größten Summen gehen an besonders hart getroffene Länder wie Italien und Spanien. Deutschland rechnete mit Zuschüssen von fast 26 Milliarden Euro netto. Das Geld soll etwa in Wasserstoff-Forschung, klimafreundliche Mobilität und ein stärker digital orientiertes Bildungssystem fließen. Der Kauf von Elektro-Autos, -Bussen und -Zügen soll gefördert und die Lade-Infrastruktur ausgebaut werden.

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Auf der anderen Seite ist Deutschland laut Bundesrechnungshof mit voraussichtlich rund 65 Milliarden Euro der größte Nettozahler. Die Behörde hatte von einer „Zäsur für die europäische Finanzarchitektur“ gesprochen und vor Risiken für den Bundeshaushalt gewarnt. Genau hier setzten auch die Kläger an: Sie befürchten, dass am Ende womöglich Deutschland die Rechnung allein begleichen muss, sollten Staaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Es drohe über Jahrzehnte ein unkalkulierbarer Schuldensog. Außerdem habe das Programm keine Grundlage in den europäischen Verträgen. Sie wollten, dass Deutschland sich aus dem Programm zurückziehen muss oder es ganz beendet wird. Die Klagen richteten sich gegen das Gesetz, mit dem der Bundestag einer deutschen Beteiligung zugestimmt hat. Aus fünf anhängigen Verfassungsbeschwerden hatte der Zweite Senat zwei zur Verhandlung im Juli dieses Jahres ausgewählt.

Trotz Klagen: Deutschland darf sich an EU-Corona-Aufbaufonds beteiligen

Eine davon kommt von einem „Bündnis Bürgerwille“ um den einstigen AfD-Gründer Bernd Lucke und wird von knapp 2300 Menschen unterstützt. Die zweite hat der Unternehmer Heinrich Weiss eingereicht. Wegen des Wiederaufbaufonds hatten auch mehrere CDU-Abgeordnete in Karlsruhe geklagt. Außerdem gibt es eine Organklage der AfD-Bundestagsfraktion.

Experten gingen in der Verhandlung nicht von übermäßig hohen Belastungen für Deutschland aus. Sie bezifferten die jährlichen Mehrausgaben auf drei bis vier Milliarden Euro. Das werfe den Bundeshaushalt nicht um, sagte ein Vertreter des Bundesrechnungshofs. Sorge bereitet den Fachleuten, dass das Programm womöglich kein Einzelfall bleibt und die Fiskalregeln aufgeweicht werden könnten.

Die Bundesregierung verteidigte die gemeinsame Schuldenaufnahme für den Wiederaufbaufonds der EU. Ein entschlossenes gemeinsames Handeln der Mitgliedstaaten sei in der damaligen Situation - im Lockdown geprägten Frühjahr 2020 - notwendig gewesen. Die Verfassungsrichterinnen und -richter hatten im April 2021 die deutsche Beteiligung im Eilverfahren ermöglicht. Denn ein Stopp hätte wirtschaftlich und politisch viel Schaden angerichtet. Allerdings räumten sie auch ein, dass die Möglichkeit eines Verfassungsverstoßes durchaus im Raum steht. Das wurde nun im Hauptverfahren geprüft. (dpa)

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