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Abrechnung von US-Botschafterin„Erinnert an 1938“ – Schmieden Trump und Putin einen Pakt gegen Europa?

Lesezeit 5 Minuten
US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin 2018 in Helsinki. Die beiden Staatschefs wollen am Montag telefonieren. (Archivbild)

US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin 2018 in Helsinki. Die beiden Staatschefs wollen am Montag telefonieren. (Archivbild)

Donald Trump und Wladimir Putin wollen telefonieren – nicht nur im Baltikum werden Zweifel an den Absichten der beiden Staatschefs laut. 

Nach der Verhandlungsfarce von Istanbul soll es am Montagnachmittag so weit sein: US-Präsident Donald Trump will dann erneut mit Kremlchef Wladimir Putin telefonieren. Zuvor war ein kurzfristig möglich erscheinendes Treffen der beiden Staatschefs gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Türkei geplatzt, weil Putin die Anreise verweigert hatte.

Lediglich eine niederrangige Delegation schickte Moskau nach Istanbul – und das offenbar auch nur, um die bekannten Maximalforderungen für ein Kriegsende zu bekräftigen, wie nach dem Gespräch schnell bekannt wurde. So betonte Verhandlungsführer Wladimir Medinski laut ukrainischen Berichten in den Gesprächen, dass Russland im Zweifel bereit sei „ewig“ weiterzukämpfen, und drohte den Ukrainern angeblich, dass „vielleicht einige derjenigen, die hier an diesem Tisch sitzen, noch mehr ihrer Lieben verlieren“ werden.

Deutliche Botschaften vor Telefonat von Trump und Putin

Auch Kremlchef Wladimir Putin bekräftigte am Sonntag noch einmal seine Bedingungen, die einer Kapitulation der Ukraine gleichkommen: Nach Wunsch des Kremls soll das Land nahezu vollständig entmilitarisiert werden, keinen Schutz durch Verbündete genießen und auch Region abtreten, die Russland bisher nicht erobern konnte.

Ex-Präsident Dmitri Medwedew drohte derweil angesichts der jüngsten Ultimaten aus dem Westen kurzerhand mit einer Ausweitung des Krieges. Die Botschaften aus Moskau fallen vor dem Gespräch zwischen Trump und Putin also deutlich aus.

Litauens Ex-Außenminister warnt vor Vertrauen in Donald Trump

Ebenso deutlich sind allerdings auch die Warnungen, auf den Kurs des US-Präsidenten zu vertrauen. Vor dem erneuten Telefonat der beiden Staatschefs werden sowohl in den USA als auch im Baltikum dahingehend Zweifel laut. Gabrielius Landsbergis, ehemaliger litauischer Außenminister, nutzte nun ein Interview mit dem US-Sender CNN, um seine Skepsis gegenüber dem US-Präsidenten deutlich zu machen.

„Vielleicht ist der Grund, dass Trump überhaupt keinen Druck auf Putin ausüben will“, antwortete Landsbergis dort auf die Frage, warum Washington bisher einen im Vergleich zu den Attacken auf Selenskyj behutsamen Ton gegenüber Moskau an den Tag gelegt habe. Trumps einziges Ziel sei es, ein Treffen mit dem Kremlchef herbeizuführen, um dort über „die Zukunft der Sicherheit Europas“ zu entscheiden, erklärte der Litauer.

Landsbergis hält „Pakt“ zwischen Trump und Putin für denkbar

„Das klingt nicht wie ein Deal, das klingt wie ein Pakt, der an 1938 erinnert“, warnte Landsbergis. Dieser „Friedensplan“ habe damals „nicht gut funktioniert“, fügte er auf der Plattform X seinem Statement hinzu. Landsbergis spielt damit auf das Münchner Abkommen an, bei dem 1938 vergeblich versucht wurde, einen Kriegsausbruch zu verhindern, indem das Sudetenland – ein Gebiet in der Tschechoslowakei – an Deutschland abgetreten wurde. Beschlossen wurde das Abkommen ohne die Zustimmung der Tschechoslowakei.

Wladimir Putin und Donald Trump: Der ehemalige litauische Außenminister warnt vor einem „Pakt“ der beiden Präsidenten. (Archivbild)

Wladimir Putin und Donald Trump: Der ehemalige litauische Außenminister warnt vor einem „Pakt“ der beiden Präsidenten. (Archivbild)

„Vielleicht sind die Verhandlungen gar nicht dazu gedacht, erfolgreich zu sein“, mutmaßte Landsbergis nun und stellte in den Raum, dass Trump möglicherweise gut mit dem bisherigen Scheitern der Gespräche leben könne. „Vielleicht war von Anfang an geplant, dass Trump und Putin sich treffen, um die Grenzen Europas neu zu ziehen“, so der Verdacht von Landsbergis. 

Wollen Trump und Putin alleine über Europas Zukunft entscheiden?

Allein ist der litauische Politiker mit seinen Zweifeln an Trumps Motiven nicht. „Haben jemand, der Sie mit einem Messer angreift, und jemand, der ihnen die Schuld dafür gibt, angegriffen worden zu sein, das Recht, danach in eine Bar zu gehen und Ihre Zukunft auf eine Serviette zu schreiben?“, fragte etwa der US-Historiker und Osteuropa-Experte Timothy Snyder am Sonntag auf X. „Nein?“, schrieb Snyder weiter und fügte an: „Das ist das Szenario, wenn Putin und Trump über einen ‚Deal‘ für die Ukraine sprechen.“

Gegenwind bekommt Trump unterdessen vor dem geplanten Gespräch mit Putin auch aus den eigenen Reihen: Einen Monat nach ihrem Rücktritt als US-Botschafterin der Ukraine erklärte die US-Diplomatin Bridget Brink nun in einem Meinungsartikel für die „Detroit Free Press“ die Hintergründe ihrer Entscheidung.

Rücktritt wegen Trump: „Vernichtende Kritik“ von Ex-US-Botschafterin

Die „New York Times“ bezeichnete Brinks Worte als „vernichtende Kritik“ an Trump. Sie könne keine Politik umsetzen, die „Druck auf das Opfer, die Ukraine, statt auf den Aggressor Russland“ ausübe, schrieb die US-Diplomatin.

Bridget Brink war US-Botschafterin in der Ukraine. Sie nennt Trumps Politik als Rücktrittsgrund. (Archivbild)

Bridget Brink war US-Botschafterin in der Ukraine. Sie nennt Trumps Politik als Rücktrittsgrund. (Archivbild)

„Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie ein Land überfallen, eine Demokratie bombardiert und Kinder ungestraft getötet werden“, fügte sie an. „Frieden um jeden Preis ist kein Frieden – es ist Beschwichtigung“, begründete sie ihren Rücktritt. 

Russland macht keinen Hehl aus seinen Erwartungen an Trump

Aus Russland gibt es derweil keine Hinweise, die Befürchtungen eines für die Ukraine und Europa nachteiligen Deals zwischen Trump und Putin entkräften könnten. Ex-Ministerpräsident Sergej Stepaschin legte dem US-Präsidenten wenige Stunden vor dem Gespräch nahe, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen, wenn er ein schnelles Kriegsende herbeiführen wolle. Auch die russische Staatspresse zeigt keine Zurückhaltung vor dem Gipfeltreffen am Telefon.

Moskau gehe in „hervorragender Verfassung“ in das Gespräch. Schließlich habe Kremlchef Putin „souveräne Siege“ in den bisherigen Runden „des politischen Judos“ errungen, hieß es am Montag in einer Kolumne der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti. Nun habe Putin seine Gegner erneut erfolgreich dazu gezwungen, seine Art der Verhandlungsführung zu akzeptieren, hieß es weiter.

Russische Staatspresse: Moskau in „hervorragender Verfassung“

„Nach Istanbul verlor der Westen plötzlich seine Kampfeslust“, befand Autorin Victoria Nikiforova außerdem. Kanzler Friedrich Merz habe sich „verlegen“ präsentiert, statt nach seinem Drängen auf einen Waffenstillstand tatsächlich Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen, freute sich die Kolumnistin weiter – und stellte klar, dass für Moskau Europa und nicht Trump der Feind ist.

Donald Trump steht nachts vor dem Weißen Haus. Russische Staatsmedien formulieren klare Erwartungen an den US-Präsidenten. (Archivbild)

Donald Trump steht nachts vor dem Weißen Haus. Russische Staatsmedien formulieren klare Erwartungen an den US-Präsidenten. (Archivbild)

Für den US-Präsidenten habe Russland schließlich einiges im Angebot, führte RIA aus. Hilfe in Nahost etwa oder für die US-Wirtschaft zuträgliche Wirtschaftsdeals mit dem Kreml. Es sei „kein Zufall“, dass Washington intensiv mit Moskau über Möglichkeiten einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit diskutiere, während Trump „mit Zöllen und Abgaben dem fetten Schwein namens Europa den Speck abschneidet“, so die drastische Wortwahl in der Propaganda-Kolumne.

Klare Botschaft in die USA: „Trump muss lediglich verstehen, dass …“

Dann verriet die Staatsagentur schlussendlich ganz offen, was man sich in Russland vom Telefonat am Montag verspricht. „Trump muss lediglich verstehen, dass Moskau bereit ist, den Konflikt ausschließlich durch einen starken, langfristigen Frieden zu beenden“, hieß es in der Kolumne. Dafür müsse die Ukraine „entnazifiziert“ und „entmilitarisiert“ werden. „Kurz gesagt: Dasselbe wie in Istanbul 2022“, forderte die Kolumnistin.

Damals waren die Verhandlungen in der Türkei schnell an inakzeptablen russischen Bedingungen und den Kriegsverbrechen in Butscha gescheitert. Auch Kremlchef Putin sprach am Sonntag erneut davon, dass die „ursprüngliche Ursache“ des Krieges „beseitigt“ werden müsse, und beruft sich seit mehr als drei Jahren immer wieder auf die damaligen Vertragsentwürfe, die einer ukrainischen Kapitulation gleichkamen.