Der Westen fordert einen Waffenstillstand von Putin – und der lehnt ab. Wird das Ultimatum von Merz, Macron und Co. zum Rohrkrepierer?
Hinweise entlarven Putins Taktik„Dann steht Friedrich Merz begossen da“

Kremlchef Wladimir Putin scheint keineswegs von seinen Maximalzielen in der Ukraine abrücken zu wollen. (Archivbild)
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Es war bereits spät, als Kremlchef Wladimir Putin in Moskau in der Nacht auf Sonntag vor die Weltpresse trat – und mit vielen Worten seine klare Ablehnung eines 30-tägigen Waffenstillstands in der Ukraine zum Ausdruck brachte. Wie bereits in den letzten Wochen konterte der Kremlchef ein entsprechendes Ultimatum des Westens mit eigenen Forderungen und Bedingungen und bekräftigte so noch einmal, dass Moskau weiterhin nicht vorhat, seinen martialischen Kurs aufzugeben.
Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Staatschefs von Großbritannien, Polen, Frankreich und Deutschland in Kyjiw empfangen und gemeinsam mit seinen Gästen den Druck auf Moskau erhöht.
„Koalition der Willigen“ setzt Putin mit Ultimatum unter Druck
Die „Koalition der Willigen“ forderte am Samstag schließlich erneut einen 30-tägigen Waffenstillstand von Moskau, der am Montag (12. Mai) beginnen sollte. Erst dann seien Verhandlungen möglich, hieß es von den westlichen Regierungschefs, die sich für ihr Vorhaben den telefonischen Segen von US-Präsident Donald Trump geholt hatten.
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Doch was als starkes, gemeinsames Signal geplant war, bröckelte bereits am Sonntag dahin – denn Trump scherte mal wieder aus, ging auf Putins nächtliche Vorlage ein und erklärte, die Ukraine müsse das Gesprächsangebot der Kremlchefs nun annehmen. Dass Russland die zuvor formulierten Bedingungen keineswegs akzeptierte, kümmerte den Republikaner dabei nicht.
Donald Trump schert aus – und bekommt Lob aus Russland
„Präsident Putin will kein Waffenstillstandsabkommen mit der Ukraine, sondern eher ein Treffen in der Türkei am Donnerstag, um über ein mögliches Ende dieses Blutbads zu verhandeln“, verkündete Trump am Sonntag auf seiner Plattform Truth Social. „Die Ukraine sollte zustimmen – SOFORT“, fügte der Republikaner im Kommandoton an.
Aus Moskau gab es dafür prompt ein Lob für den US-Präsidenten: „Gut gesprochen“, kommentierte Putins Sondergesandter für die Ukraine, Kirill Dmitrijew, Trumps Statement auf der Plattform X. Die russische staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti frohlockte derweil in einer Kolumne darüber, dass Trump einen „weiteren Sieg über Deutschland“ errungen und „Merz gebrochen“ habe.
In Europa fielen die Reaktionen auf Trumps Vorstoß derweil anders aus: Der US-Präsident habe das europäische Ultimatum an Putin bereits „kastriert, bevor die Frist erreicht war“, kommentierte der ehemalige litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis die erneut erratische Vorgehensweise des US-Präsidenten.
Donald Trump: Wladimir Putins „gehorsamer Diener“?
Anders Åslund, ehemaliger Berater des russischen Präsidenten Boris Jelzin, fand derweil noch härtere Worte für Trump: Es sei nicht einmal so, dass Putin den US-Präsidenten für seine Zwecke „ausspiele“, sondern noch schlimmer: Trump „gehorche“ Putin viel mehr wie ein „gehorsamer Diener“, befand der schwedische Russland-Experte.
Kyjiw reagierte unterdessen sofort auf den erneuten Kurswechsel von Trump – und nutzte die Worte aus den USA, um den Ball erneut nach Moskau zu spielen. „Ich werde am Donnerstag auf Putin in der Türkei warten, persönlich“, schrieb Selenskyj auf der Plattform X kurz nach Trumps Statement – und erfüllte somit sofort die Forderung des US-Präsidenten.
Selenskyj reagiert sofort auf Trumps Forderung
Er hoffe, dass Russland diesmal „keine Ausreden“ erfinden werde, erklärte der ukrainische Präsident weiter und betonte noch einmal, dass die Ukraine erwarte, dass Russland die Waffen ab Montag schweigen lasse. Wenige Stunden später hatte sich diese Erwartung erledigt.
Die ukrainische Luftwaffe teilte am Montagmorgen mit, dass Russland mit 108 Drohnen und Drohnen-Attrappen das Nachbarland angegriffen habe. Davon seien 55 Drohnen abgeschossen worden, hieß es auf Kyjiw. Auch zivile Infrastruktur sei erneut zu Schaden gekommen, so die Angaben aus der Ukraine.
Experten: Europa muss Sanktionen gegen Russland nun umsetzen
Der Druck auf die europäischen Staatschefs steigt unterdessen nun zu Wochenbeginn: Starmer, Tusk, Macron und Merz hatten Russland schließlich mit Sanktionen gedroht, sollte Moskau auf das neuerliche Angebot nicht eingehen. Diese müssten jetzt auch verhängt werden, forderte etwa der Sicherheitsexperte Nico Lange am Montag.
„Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen müssen sich zu dem Istanbul-Treffen gar nicht positionieren“, erklärte Lange auf der Plattform X. „Wenn sie ernst genommen werden wollen, müssen sie aber heute die in Kyjiw angekündigten Sanktionen in Kraft setzen, da es keinen Waffenstillstand von russischer Seite gibt.“
Mutiert Selenskyjs Istanbul-Reise zum „Akt der Erniedrigung“?
Die Europäer hätten am Wochenende „viel Lob“ bekommen, kommentierte auch der Kölner Politologe Thomas Jäger die jüngsten Entwicklungen. „Das war aus meiner Sicht zu früh, so richtig ihre Initiative war“, führte der Professor für internationale Politik der Universität Köln aus. „Wenn heute, da Russland weiter angreift, keine Folgen kommen – Sanktionen für Russland und Unterstützung für die Ukraine – löst sich das Lob in Luft auf und Merz steht begossen da.“

Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, wartet am Samstag in Kyjiw vor dem Marienpalast auf die Gäste.
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Auch die Ankündigung Selenskyjs, am Donnerstag im Zweifel sogar nach Istanbul zu reisen, wenn Putin dort nicht erscheinen werde, drohe dann zu einem „Akt der Erniedrigung“ zu mutieren, der lediglich dazu diene, Trump zu gefallen, erklärte Jäger weiter. „Mit europäischer Rückendeckung hingegen könnte es eine deutliche Botschaft an Putin sein.“
Putins Gefolgschaft gibt Hinweise auf Taktik des Kremls
Dass die dringend nötig wäre, zeigen derweil einige Äußerungen aus Moskau. Russland reagierte nämlich nicht nur mit absurden Propaganda-Lügen über angeblichen Drogen-Konsum von Merz und Macron auf den neuen Druck aus Europa, sondern machte auch erneut deutlich, dass sich an den Kriegszielen nichts geändert hat.
Während Putin sich inhaltlich nur spärlich äußerte, wurde seine Gefolgschaft deutlicher: So erklärte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa, dass für Moskau jegliche Gespräche über einen Waffenstillstand erst nach den von Putin vorgeschlagenen Gesprächen in Istanbul denkbar sind.
„Diese Erklärungen lassen zwei wesentliche Punkte erkennen“
Und auch Kremlsprecher Dmitri Peskow lieferte ein deutliches Indiz dafür, dass mit Frieden so schnell nicht zu rechnen ist. Die Ukraine dürfe während einer möglichen Feuerpause auf keinen Fall weiter mit Waffen aus den USA und Europa beliefert werden, stellte Peskow bereits am Samstag eine absurde Bedingung auf.
„Diese Erklärungen lassen zwei wesentliche Punkte erkennen“, übersetzte der Politologe Aleksandar Djokic die Statements aus Moskau in Klartext. „Erstens: Russland lehnt einen sofortigen Waffenstillstand in der Ukraine ab“, schrieb Djokic bei X. „Zweitens: Russland fordert die ukrainische Entwaffnung und strebt praktisch eine Kapitulation an.“
Kreml-Botschaft bleibt: „Schiebt euch die Friedenspläne in eure Ärsche“
Auch Putin selbst hatte dafür einen Hinweis geliefert – und erneut betont, die „Grundursachen“ für den Krieg gegen die Ukraine müssten beseitigt werden, bevor es zu einer Waffenruhe kommen können. Hinter dieser Floskel verbergen sich seit Kriegsbeginn Moskaus Maximalziele, die weiterhin einer ukrainischen Kapitulation gleichkommen.
Die Botschaft aus Moskau scheint also klar: „Schiebt euch diese Friedenspläne in eure Ärsche“, hatte Ex-Präsident Dmitri Medwedew bereits am Samstag in Richtung Europa vulgär gekontert. Putin, Sacharowa und Peskow haben die Haltung nun lediglich mit weniger schrillen Worten bestätigt.
Berlin droht – Russland nennt Ultimaten „inakzeptabel“
In Berlin scheinen die Signale aus dem Kreml am Montag jedoch angekommen zu sein. Wenn die Waffenruhe im Laufe des Montags nicht stehe, würden Sanktionsvorbereitungen „in Gang gesetzt“, sagte Regierungssprecher Stefan Kornelius am Mittag in Berlin. „Die Uhr läuft, wir haben noch zwölf Stunden bis zum Ablauf dieses Tages.“
Diesmal folgte die Antwort aus Moskau ohne stundenlange Wartezeit: „Die Sprache der Ultimaten ist für Russland inakzeptabel, sie ist nicht angemessen“, erklärte Kremlsprecher Peskow gegenüber Reportern am Montag. „In einer solchen Sprache kann man mit Russland nicht sprechen.“