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Merz zu Besuch in Kiew„Größte diplomatische Initiative“ drängt auf Kriegsende – Kreml reagiert vulgär

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Friedrich Merz (l-r, CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Keir Starmer, Premierminister von Großbritannien, und Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen in Kiew.

Bundeskanzler Friedrich Merz (l-r, CDU), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Keir Starmer, Premierminister von Großbritannien, und Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen in Kiew.

Bundeskanzler Friedrich Merz sieht eine Chance auf ein zeitnahes Kriegsende und macht sich für den EU-Beitritt der Ukraine stark.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat bei seinem Besuch in Kiew die „große Geschlossenheit“ Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens und Polens bei der Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe im Ukraine-Krieg hervorgehoben. „Dies ist die größte diplomatische Initiative, die es in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren gegeben hat, um den Krieg in der Ukraine zu beenden“, sagte Merz am Samstag im ZDF-„heute journal“ laut vorab verbreiteten Auszügen.

Gleichzeitig stellte Merz klar, dass es Deutschland und seinen Partnern um eine bedingungslose Waffenruhe gehe. „Es gibt keine Verhandlungen, sondern es gibt ein Angebot. Und dieses Angebot lautet Waffenstillstand. Und Waffenstillstand heißt Waffenstillstand auf beiden Seiten“, sagte er im ZDF. Auch die Ukraine stelle keine Bedingungen.

Die Initiative sei mit US-Präsident Donald Trump abgestimmt. „Wir haben ihn vorher angerufen, wir haben ihn unmittelbar nach unserem Treffen informiert“, sagte Merz in dem Fernsehinterview. Es gebe „ein Commitment der amerikanischen Regierung, einen Waffenstillstand zu überprüfen, zu überwachen, zu monitoren“.

Merz sieht „kleine Chance“ auf absehbares Kriegsende

In der ARD sagte Merz, er sehe nun eine „kleine Chance“, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine in absehbarer Zeit enden könnte. Kreml-Chef Wladimir Putin müsse die Aussichtslosigkeit einer Fortsetzung dieses Krieges erkennen. „Denn wir haben ja nicht nur dieses Angebot gemacht, sondern wir haben es auch mit einer ganz klaren Ankündigung verbunden, die da lautet: Wenn er sich auf dieses Angebot nicht einlässt, dann wird die Ukraine nicht nur weiter unterstützt - dann wird es auch ein weiteres Sanktionspaket geben“, sagte Merz. Dies sei in der EU bereits in Vorbereitung.

Deutschland werde die Ukraine zudem in Abstimmung mit den europäischen Partnern weiterhin so unterstützen, „dass sie die Chance hat, diese Aggression weiter abzuwehren“, fügte Merz laut Vorabauszügen in den ARD-„Tagesthemen“ hinzu. „Da wird Deutschland nicht zurückstehen.“

Kreml reagiert harsch auf Forderungen nach Waffenruhe

In Moskau ist die ukrainische Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe auf Ablehnung gestoßen. Sie könnten sich ihre Friedenspläne „in den Hintern“ schieben, schrieb der Vizechef des russischen nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, auf Englisch auf der Plattform X. Der frühere Kremlchef äußerte sich in vulgärer Sprache zum Treffen der „Koalition der Willigen“ in Kiew, darunter auch Kanzler Friedrich Merz (CDU).

„Macron, Merz, Starmer und Tusk sollten in Kiew über Frieden sprechen. Stattdessen stoßen sie Drohungen gegen Russland aus“, sagte Medwedew. Er fragte, ob es klug sei, Russland vor die Wahl einer Waffenruhe für die „Horden“ oder neuer Sanktionen zu stellen.

Medwedew äußert sich immer wieder mit besonders drastischem Vokabular. Kremlsprecher Dmitri Peskow hatte vor Bekanntwerden des Ultimatums für Montag gesagt, Russland lasse sich von Sanktionen nicht abschrecken. Außerdem dürfe eine Waffenruhe nicht zu einem Vorteil für Kiew führen, sich militärisch neu aufzustellen. Als konkrete Bedingung für eine Waffenruhe von 30 Tagen nannte Peskow den Stopp von westlichen Waffenlieferungen an das Land.

CDU-Bundeskanzler Merz macht sich für ukrainischen EU-Beitritt stark

Zu möglichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine sagte der neue Kanzler: „Die Ukraine muss verteidigungsfähig bleiben, die Ukraine soll auch Mitglied der Europäischen Union werden. Insofern werden wir dafür viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gemeinsame Verteidigungsanstrengungen unternehmen müssen.“

Merz war in der Nacht mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und den Regierungschefs von Großbritannien und Polen, Keir Starmer und Donald Tusk, nach Kiew gereist und dort mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zusammengetroffen. Nach Angaben des ukrainischen Außenministers Andrij Sybiha führten Selenskyj und seine Gäste bei dem Treffen auch ein „ergiebiges“ gemeinsames Telefongespräch mit US-Präsident Trump über die „Friedensbemühungen“ für die Ukraine.

Ukraine-Krieg: „Koalition der Willigen“ ins Leben gerufen

Frankreich und Großbritannien hatten im März eine „Koalition der Willigen“ ins Leben gerufen, der rund 30 Länder angehören, darunter auch Deutschland. In der Gruppe werden vor allem mögliche Beiträge Europas zu einer Waffenruhe und zur Friedenssicherung in der Ukraine diskutiert.

Mit ihrem gemeinsamen Besuch wollten die vier europäischen Staats- und Regierungschefs ihre Solidarität mit der Ukraine demonstrieren. Trumps Forderung nach einer bedingungslosen 30-tägigen Waffenruhe im Ukraine-Krieg hatten sich Merz und seine Kollegen bereits am Vorabend in einer gemeinsamen Erklärung angeschlossen. Am Samstag wurde dann in der Ukraine verkündet, dass die Waffenruhe bereits am Montag beginnen soll. (afp/dpa)