Westspiel GmbHNRW steigt aus dem Glücksspiel aus

Lesezeit 5 Minuten
Westspiel wird verkauft1

Eine Mitarbeiterin in einem Spielcasino greift nach einer Roulette-Kugel (Symbolbild).

Düsseldorf – Der Aufschrei war groß, die Kunstszene entsetzt, einzig Norbert Walter-Borjans (SPD), damals Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, blieb angesichts der umstrittenen Versteigerung der Warhol-Bilder „Triple Elvis“ und „Four Marlons“ bei Christie’s in New York Mitte November 2014 gelassen. Kein Wunder, spülte der Rekorderlös von 152 Millionen Dollar (gut 120 Millionen Euro) doch auch 28 Millionen Euro in die Haushaltskasse des Landes.

Kunstverkauf sollte Spielbanken sanieren

Der Löwenanteil – 80,6 Millionen Euro – ging damals an die landeseigene Westdeutsche Spielbanken GmbH (Westspiel), die mit ihren vier Spielbanken in Aachen, Duisburg, Bad Oeynhausen und auf der Dortmunder Hohensyburg seit Jahren rote Zahlen schrieb. „Wenn die wirtschaftlich etwas auf die Beine stellen wollen, müssen die erst mal gucken: Was habe ich an eigenem Vermögen?“, sagte Walter-Borjans nüchtern.

Westspiel wird verkauft2

 Ein Besucher steht in New York vor den Bildern «Tripple Elvis» (1963, l.) und «Four Marlons» (1966) von Andy Warhol, die Westspiel für 152 Millionen Dollar versteigern ließ.

Beschluss in Vorbereitung

Nicht mehr viel. Der Wert der weiteren Kunstwerke, die sich aktuell noch im Besitz von Westspiel befinden, wurde vor zwei Jahren auf rund sechs Millionen Euro geschätzt. Zu wenig, um die marode Tochter der landeseigenen NRW-Bank dauerhaft über Wasser zu halten.

Mit den Warhol-Millionen verfolgte die damalige rot-grüne Landesregierung deshalb zwei Ziele: Westspiel zu sanieren und mit einer fünften Spielbank-Lizenz ein neues Casino in Köln zu bauen. Im Jahr 2012 hatte das Land sie an Westspiel mit der Maßgabe vergeben, dass sie an den Standort Köln gebunden ist.

Kabinettsbeschluss am 8. Mai

Jetzt kommt Westspiel selbst unter den Hammer. Die neue schwarz-gelbe Landesregierung will am Dienstag, 8. Mai, einen entsprechenden Kabinettsbeschluss herbeiführen. Ein Jahr nach Abschluss des Koalitionsvertrags setzt sie erstmals damit um, was der FDP besonders am Herzen liegt – alle Beteiligungen des Landes unter die Lupe zu nehmen.

In Sachen Westspiel ist diese Prüfung, an der gleich vier Ministerien unter Federführung von Finanzminister Lutz Lienenkämper (CDU) beteiligt waren, mit einem positiven Votum abgeschlossen. Das Kulturministerium, das Wirtschaftsministerium und das Innenressort haben zugestimmt. Die landeseigene NRW-Bank muss den Verkauf ihrer Tochter in die Wege leiten. Deren Verwaltungs- und Aufsichtsrat waren in die Prüfung einbezogen – und haben offenbar auch grünes Licht gegeben.

Erlöse gehen zurück

Der Abschied dürfte leichtfallen. Die Spielbanken-Branche steckt in der Krise, lebt vom Prinzip Hoffnung. Seit Jahren gehen die Erlöse vor allem im klassischen Glücksspiel zurück. Die Kasinos haben mit dem Rauchverbot zu kämpfen, mit der Konkurrenz privater Spielhallen und der Sportwetten-Anbieter und vor allem mit dem Internet, wo das Zocken mit unbegrenzten Einsätzen möglich ist.  Dagegen wirkt der Platz am klassischen Roulettetisch so sexy wie ein abgewetzter Smoking.

Westspiel hat in der Vergangenheit nur einmal schwarze Zahlen geschrieben. 2014 – durch den Warhol-Verkauf. Der Geschäftsbericht für das Jahr 2017 liegt noch nicht vor, doch alle Experten gehen davon aus, dass es wieder mit Verlusten enden wird.

Landestochter sorgte immer wieder für Aufregung

Der Abschied dürfte auch leichtfallen, weil die Landestochter in der Vergangenheit vor allem Negativ-Schlagzeilen produzierte. Den Verkauf der Warhol-Gemälde feierte das defizitäre Landesunternehmen Ende November 2014 mit Hunderten seiner Mitarbeiter auf einem Schiff am Düsseldorfer Rheinufer.

Die „After-Warhol-Party“, zu der knapp 600 der rund 1000 Mitarbeiter mit eigens angemieteten Shuttle-Bussen aus Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund, Duisburg und Bremerhaven angekarrt wurde, verschlang 77.000 Euro, ein Jahr später gab es eine ähnliche Party in einem Essener Autohaus, deren Kosten sich auf 75.000 Euro beliefen. Ein leitender Angestellter des Kasinos auf der Hohensyburg wurde freigestellt und über Jahre mit 100.000 Euro jährlich weiterbezahlt, einschließlich Dienstwagen und Tankkarte.

Man habe für ihn keine angemessene Beschäftigung gefunden, hieß es zur Begründung. Die Skandale um Westspiel waren immer wieder Thema im Landtag.

Kölner Lizenz sehr attraktiv

Was könnte die Privatisierung für das geplante Kölner Casino bedeuten? „Unser Interesse am Standort Köln ist unverändert vorhanden“, sagte ein Westspiel-Sprecher vor wenigen Tagen. Doch die Schwierigkeiten, die mit der Entscheidung für den Neubau verbunden sind, bleiben.

Westspiel wird verkauft3

Ob das Spielcasino in Köln noch so aussehen wird, ist mehr als fraglich. 

Ob ein privater Betreiber die bereits fortgeschrittenen Pläne für den Neubau zwischen dem Deutzer Bahnhof und dem Stadthaus übernehmen wird, ist fraglich. Zumal sie mit einer Reihe von Problemen verbunden sind. So soll die Fläche wegen der darunter fahrenden U-Bahn und archäologischer Funde schwierig zu bebauen sein.

Der zusätzliche Aufwand beim Herstellen des Fundaments treibe die Kosten in die Höhe, heißt es. Für den Rohbau sind 23 Millionen Euro vorgesehen. Dem Wunsch von Westspiel, das Gebäude anders nutzen zu können, falls sich der Casino-Betrieb nicht rentieren sollte, steht die Stadt kritisch gegenüber.

Insider: Das Verfahren wird sich verzögern

„Ein Kaufinteressent wird alles völlig neu bewerten“, sagt ein Insider. „Das dürfte das Verfahren weiter verzögern.“ Dass die Spielbank-Lizenz für Köln hochattraktiv ist und die gesamte Westspiel-Gruppe für Private überhaupt erst interessant macht, ist hingegen unstrittig.

Die NRW-Bank hat das vor mehr als zwei Jahren schon ausgerechnet. Nach einer Eröffnung in der zweiten Hälfte des Jahres 2021 sollte das größte Casino Deutschlands bis 2041 einen Bruttospielertrag von 700 bis 800 Millionen Euro erzielen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Spielbankabgabe an das Land hätte demnach rund 400 Millionen Euro betragen. Die Stadt Köln, die mit zwölf Prozent daran beteiligt ist, hätte etwa 95 Millionen Euro kassiert, pro Jahr 4,75 Millionen Euro.

Spielsucht kanalisieren

Das ist jetzt erst einmal Makulatur. Dass das Kölner Casino in drei Jahren steht, ist unrealistisch. Zumal das Land bei der geplanten Privatisierung darauf achten muss, dass die Bedingungen des Glücksspielstaatsvertrages eingehalten werden. Eine von ihnen lautet, Casinos seien vor allem dazu da, die Spielsucht der Menschen zu kanalisieren und in geordnete Bahnen zu lenken.

Ein Bewerber, der möglicherweise plant, unrentable Westspiel-Standorte wie Aachen und Bad Oeynhausen aufzugeben und sich auf den Neubau in Köln und das rentable Casino in Duisburg zu konzentrieren, dürfte daher nicht zum Zuge kommen.

Dennoch wird sich ein Interessent finden, der sich auf diese Bedingungen einlässt. In Deutschland gibt es in zehn Bundesländern neun Spielbankgesellschaften mit 35 Standorten in staatlicher Trägerschaft. Ihr Marktanteil liegt bei 55 Prozent. Sie erwirtschafteten 2017 einen Brutto-Spielertrag von 320 Millionen Euro. Davon flossen 124 Millionen an die Länder. Nach einem Verkauf von Westspiel läge der Staatsanteil erstmals unter 50 Prozent.   

KStA abonnieren