Freiburger Schule legt vorSoll Fleisch in Schulessen verboten werden?

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Schulessen gibt es im Breisgau nur noch vegetarisch.

  • Die Stadt Freiburg hat beschlossen, Fleisch vom Speiseplan in Kitas und Grundschulen zu streichen. Das hat der Gemeinderat beschlossen, um Kosten zu sparen.
  • Wäre das auch eine Idee für Kölner Schulen? Alexandra Ringendahl plädiert dafür. Sie findet: Anstatt Nuggets gehört mehr gesundes Essen wie Gemüse auf die Mensateller.
  • Das Preisargument der Stadt Freiburg zieht nicht, findet Christian Löer. Statt Verbote sollten die Schulen auf regionales Fleisch mit entsprechender Zucht setzen und den Konsum reduzieren.

Köln – Bei zwei Themen schlägt in Deutschland der Erregungspegel verlässlich aus: Tempolimit und Vorgaben zum Fleischkonsum. Bei der „Veggie-Pflicht“ für Freiburger Schülerinnen und Schüler geht das neoliberale Gespenst von Freiheitsberaubung und Zwang um. Mir fiel sofort der Veggie-Day ein, den die Grünen 2013 vor der Bundestagswahl vorgeschlagen hatten. Die Umfragewerte krachten danach in den Keller. Fast zehn Jahre ist das her.

Inzwischen ist die Klimakrise eskaliert. Frustrierend, dass die Reflexe trotzdem die gleichen geblieben sind. Dabei wäre vegetarisches Essen in Schulmensen zumindest eine Debatte wert. Ganz davon abgesehen, dass es in Köln längst Kitas und Schulen gibt, die das etabliert haben. Dabei ist Quatsch, dass den Kindern vorgeschrieben wird, was sie essen dürfen. Jedes Kind kann abends und am Wochenende Burger und Würstchen essen.

Endlich gesünderes Essen als Nuggets aus Pressfleisch

Aber die Schulcaterer wären endlich in der Pflicht, sich Gesünderes einfallen lassen als Nuggets aus Hähnchen-Pressfleisch, Würstchen mit Pommes oder Nudeln mit Hack aus Massentierhaltung. Die letzte Erhebung zum Schulessen ergab, dass es an jeder zweite Schule nicht den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entspricht: viel zu wenig Gemüse, viel zu viel Fleisch und Süßigkeiten. Hinzu kommt, dass das Kilo Schwein aus Massentierhaltung für den Caterer günstiger im Einkauf ist als ein Kilo regionales Gemüse.

Alexandra Ringendahl

Alexandra Ringendahl

Vegetarisches Essen in der Schule würde die Eltern entlasten: Sie hätten die Gewissheit, dass ihre Kinder einmal am Tag Gemüse auf den Teller bekommen. Es würde gerade auch den Kindern ein gesundes Angebot gemacht, deren Eltern weniger auf Ernährung achten. Vor der Pandemie war jedes siebte Kind übergewichtig, während Corona hat jedes dritte Kind nochmal zugenommen. Vegetarisches Essen hat mit Geschmacksbildung und Gewohnheit zu tun: Wenn ich in der Schule – mangels Fleisch-Alternative – verschiedene Gemüse und Salate kennenlerne, prägt das die späteren Ernährungsgewohnheiten.

Erstklässler können Folgen des Schnitzels nicht absehen

Die Eltern in Freiburg störte am meisten, dass es keine Wahlfreiheit mehr gibt. Aber die, die keine Wahlfreiheit haben, sind die Kinder: Die Jüngsten, die da jetzt vegetarisch essen sollen, sind die erste Generation, die vom Klimawandel massiv bedroht ist. Erstklässler können die Folgen ihrer Wahl des Schnitzels noch nicht absehen. Von denen, die das schon können – den 15- bis 18-Jährigen - ernähren sich laut dem aktuellen „Fleischatlas“ bereits jetzt 20 Prozent vegetarisch.

Ein Fünftel aller CO2-Emissionen wird der Viehwirtschaft zugeschrieben. Vielleicht ist es ja die Aufgabe des Staates, in seinen Einrichtungen mit dafür zu sorgen, dass die den klimamäßigen Schäden zugrundeliegenden Verhaltensweisen geändert werden.

Es geht im Kern um die Frage, welchen Freiheitsbegriff wir zugrunde legen. Die Philosophin Eva von Redecker rät, über Freiheit nicht isoliert, sondern zeitlich nachzudenken. Nicht zu fragen, was darf ich jetzt, sondern wie wird sich mein Spielraum in Zukunft gestalten: „Die Erde und ihre Bewohnbarkeit sind die Bedingung, dass wir auch in Zukunft frei sein werden.“

Alexandra Ringendahl (53) ist Redakteurin im Ressort Lokales. Sie ist Mutter von zwei Töchtern im Teenageralter, die sich vegetarisch ernähren.

Das Preisargument hilft der öffentlichen Debatte insgesamt nicht

Die Begründung für den Fleischverzicht an Freiburger Schulen und Kitas ist tüchtig verunglückt: Man wolle Kosten sparen und den Verwaltungsaufwand reduzieren, hieß es. Von den tausend guten Argumenten gegen Fleischkonsum sind diese definitiv die schlechtesten. Doch offenbar glaubt man vor allem, sich Fleisch aus nachhaltiger Produktion nicht leisten zu können, und weil man die Kosten nicht auf die Eltern abwälzen kann, stellt man gleich ganz um auf fleischlos. Gezwungenermaßen.

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Christian Löer ist Leiter der Sportredaktion.

Am Ergebnis ist dabei gar nichts auszusetzen. Das Klima freut sich, und es droht auch kein Mangel: Wer einmal die Gorillas im Zoo besucht hat, der weiß, welche Muskelberge sogar aufbauen kann, wer nichts als Blätter isst. Das soll jetzt keine Empfehlung sein. Aber ein kleiner Denkanstoß für alle, die glauben, nur Fleisch mache groß und stark.

Darüber lässt sich mit Kindern gut diskutieren

In Freiburg aber wirkt es nun, als nehme man den Kindern etwas weg. Dabei gibt es gar keinen menschlichen Anspruch auf Fleisch in der Bolognese. Tatsächlich steht die industrialisierte Fleischproduktion unserer Zeit im krassen Gegensatz zu den Grundsätzen der Verantwortung des Menschen gegenüber Tier und Umwelt. Darüber lässt sich mit Kindern übrigens sehr gut diskutieren. Ich kenne mich da ein wenig aus.

Beim Blick aufs Tier stellt sich ein Kind nämlich nicht die Frage nach Rentabilität und Verwertbarkeit. Doch angesichts des Preiskriegs gehört es zum System, das Wohl von Tier und Mensch den kommerziellen Interessen unterzuordnen. Dass Kinder Teil eines solchen Systems werden, ohne entscheiden zu können, ist schwer zu ertragen.

Von Wertschätzung keine Spur

Das Preisargument hilft der öffentlichen Debatte insgesamt nicht. Metzger mit nachhaltigem Anspruch geben auf, weil die Leute lieber in die SB-Theke greifen, um sich mit Sonderangeboten zu versorgen. Die Kundschaft legt zwar großen Wert auf tierische Produkte. Doch von Wertschätzung keine Spur.

Dabei gibt es durchaus nachhaltig produziertes Fleisch. Niemand wird zum panierten Pressfleischhähnchen gezwungen. Und, ebenfalls nein: Niemand muss sich fragen, wie er nun sein tägliches Biofleisch denn bezahlen soll. Denn niemand muss täglich Fleisch essen. Das Thema ist frei von Zwängen. Jeder kann frei entscheiden.

Es gibt längst vegetarische Optionen

Für Kinder, die den Verzehr zu diesem Zweck gezüchteter und getöteter Tiere ausschließen, gibt es in den Schulen längst vegetarische Optionen. Doch für jene, für die Fleischkonsum nach wie vor zum Alltag gehört, muss sichergestellt sein, dass Standards eingehalten werden. Statt das Fleisch mit Verweis auf den Aufwand also vollständig zu verbannen, sollte der Konsum reduziert und Fleisch aus regionaler Herkunft und entsprechender Zucht angeboten werden, das zu subventionieren ist, um nicht in die Kostenfalle zu laufen. Das hilft auch den Produzenten. Und es braucht eine Debatte. Verbote, schlecht argumentierte zumal, werden jede Diskussion vergiften. Dabei braucht es Debatten, auf deren Basis jeder seinen persönlichen Kompromiss finden kann.

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Außerdem muss es Siegel geben, an denen eindeutig erkennbar ist, ob und wie schädlich der Konsum des jeweiligen Produkts für die Mensch, Tier und Umwelt ist. Sobald diese Standards eingeführt sind, muss klar sein: Wo Kinder essen, darf ausschließlich der Höchststandard gelten.

Christian Löer (46) ist Leiter der Sportredaktion. Er ist Vater von vier Kindern, lebt als Gelegenheits-Fleischesser in einem Haushalt, in dem kein Fleisch auf den Tisch kommt. Und kommt ganz gut zurecht.

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