Krise macht Schulessen teurerKölner Eltern am Limit – kostet Mahlzeit bald fünf Euro?

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Co-Küchenleiter Antonino La Rocca rührt Spaghetti.

  • Gesundes Essen wird in vielen Schulen gewünscht, doch die Lebensmittelpreise gehen durch die Decke.
  • Es bleiben eigentlich nur zwei Alternativen: Deutliche Preiserhöhungen für die Schulmalzeiten oder noch mehr Nudeln mit Tomatensauce.
  • Dabei sind schon jetzt viele Kölner Eltern am Limit.

Köln – In Fünf-Kilo-Paketen gleiten die Spaghetti in den über ein Meter breiten Topf. Knapp eine Tonne Nudeln hat Küchenchef Mathias Rüßler heute mit seinem Team verarbeitet. Dazu kommen 500 Kilo Gemüsebolognese aus frischen Möhren, Sellerie und Zwiebeln und Hackfleisch von einem Bauern aus der Region. Dazu 300 Kilogramm frischen Salat. "Der Kilopreis für die Nudeln hat sich im Einkauf innerhalb von ein paar Monaten von 99 Cent das Kilo auf 1,89 Euro fast verdoppelt", rechnet Rüßler vor. Die gehackten Tomaten in der Dose stiegen um 65 Prozent. Frisches Gemüse, Salat - alles gehe durch die Decke.

Der katholische Sozialverband In Via beliefert täglich Kölner Kitas und Schulen mit 5300 frisch gekochten Essen. Der inklusiv arbeitende Verband ist zertifiziert von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Das heißt, es gibt verpflichtend immer eine frische Gemüsekomponente, Vollkornprodukte und mehrmals die Woche frisches Obst.

Schulessen für knapp fünf Euro

„Gesundes Essen wollen alle für ihre Kinder. Nur zu teuer darf es nicht sein“, fasst Katja Scheuen, Vorständin von In Via den täglichen Balanceakt aus qualitativ hochwertig und bezahlbar zusammen. Das war immer schon ein Kunststück.

Aber unter den aktuellen Bedingungen ist es ein unlösbares Problem geworden: Die steigenden Lebensmittelpreise haben in Kombination mit den gestiegenen Energiepreisen dafür gesorgt, dass das Schulessen immer teurer wird. Im Mai musste In Via die Preise erhöhen, nach den Sommerferien folgte nun die nächste Anpassung. Und es wird wohl nicht die letzte sein. So wie bei den meisten anderen Caterern auch.

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Auch Salz und vor allem Öl, das auf die Spaghetti kommt, ist deutlich teurer geworden.

Etliche Caterer schrappen schon an der Fünf-Euro-Grenze pro Essen. Der Verband Deutscher Schul- und Kitacaterer geht davon aus, dass bis zum Jahresende auch im Durchschnitt die 5-Euro-Marke erreicht wird. Die Caterer würden die Preise in diesem Jahr im Durchschnitt zwischen 20 und 35 Prozent anheben, prognostiziert der Verband. Bei In Via sind es derzeit für eine weiterführende Schule 4,30 Euro pro Essen, in Grundschulen – wo die Preise wegen der geringeren Portionsgrößen überall niedriger sind – sind es 3,60 Euro.

Schon jetzt sei klar, dass auch dieser Preis wohl nicht gehalten werden könne. Denn es habe sich ja nicht nur der Milchpreis verdoppelt. Dazu kämen die Energiekosten, die schon jetzt um 70 Prozent gestiegen: Ab November werde sich der Preis pro Kilowattstunde noch mal mehr als verdoppeln. Die steigenden Spritpreise für die Auslieferung noch nicht berechnet.

Hilferuf an die Politik

Es ist ein Hilferuf an die Politik, den In Via auch im Namen der anderen Caterer absetzt: Gesunde Mahlzeiten seien für viele Eltern bald nicht mehr finanzierbar. In Via ist Kölns größter OGS-Träger in Kölner Problemvierteln.

„Wir haben Kinder, die mit Hunger in die Schule kommen und für die das Schulessen die einzige gesunde Mahlzeit am Tag ist“, sagt Scheuen. Ein Drittel der Familien bezögen Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Für sie übernimmt der Staat das Schulessen. „Doch die enorm vielen Familien mit kleinen Einkommen müssen den Preis voll tragen. Sie kommen an ihre Belastungsgrenzen.“

200 Euro für zwei Kinder pro Monat - nur fürs Schulessen

Wenn bei zwei Schulkindern allein 200 Euro des Monatsbudgets für das Schulessen ausgegeben werden müssen, überfordere das  viele. Die Sorge ist, dass Eltern ihre Kinder wegen des Preises vom Essen abmelden könnten. Oder es  passiert das, was auch In Via zuletzt passierte: Bei einer Kölner Schule, die mit 1000 Essen beliefert wird, habe sich der Träger des Ganztags jetzt für den billigsten Anbieter entschieden.

Der sei nicht DGE-zertifiziert und nehme auch unter den aktuellen Bedingungen nur 2,85 Euro pro Essen. Das Konzept: Restbestände aufkaufen, abgepackten Wackelpudding, jeden Tag Nudeln oder Pommes und Schnitzel anbieten. Denn: Das Kilo Schweineschnitzel stieg nur um zwölf Prozent im Preis, während etwa frische Tomaten ein Viertel teurer wurden.

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Im Grunde gibt es derzeit nur noch zwei Alternativen: Immer höhere Essenspreise oder nur noch billiges, ungesundes Essen. - mit viel Fett und Zucker. Und das vor dem Hintergrund, dass in Deutschland nach Angaben des RKI bereits jedes sechste Kind übergewichtig oder adipös ist und in der Pandemie jedes dritte Kind in der Altersgruppe der Zehn- bis Zwölfjährigen dicker geworden ist. Hinzu kommt, dass genau die Familien mit niedrigen Einkommen ohnehin schon am meisten unter der Inflation leiden.

Schmerzgrenze für Eltern

Wo ist die Belastungsgrenze von Eltern? Und: Was ist einem Staat in der Krise die gesunde Ernährung seiner Kinder und Jugendlichen wert?, fragt sich Renate Claaßen-Zöller, Geschäftsführerin von In Via. Zumal doch Schwarz-Grün im NRW-Koalitionsvertrag eigentlich festgehalten haben, dass es künftig einheitliche Standards beim Schulessen geben solle.

Ideen zur Entlastung beim Schulessen gibt es bereits einige: „Wir fänden so etwas wie einen Schulessendeckel gut“, sagt Schauen. Das heißt so etwas wie eine Schmerzgrenze für Eltern. Der Rest müsse dann vom Staat getragen werden. Der Verband Deutscher Schulcaterer fordert, dass Kita- und Schulessen von der Mehrwertsteuer befreit werden. Denn: Während das Schulessen mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belastet ist, wird die Currywurst vom Imbiss nur mit sieben Prozent belastet.

Eltern können Zuschuss beantragen

Das NRW-Schulministerium verweist auf Anfrage auf den zu Beginn der Coronapandemie aufgelegten und in der Öffentlichkeit wenig bekannten Härtefallfonds namens „Alle Kinder essen mit“, den das NRW-Sozialministerium damals aufgelegt habe und den es immer noch gebe. Eltern, die keine Sozialleistungsempfänger, aber in einer ähnlich schwierigen finanziellen Situation steckten, könnten noch bis 30. September bei der zuständigen Bezirksregierung einen Zuschuss zur Mittagsverpflegung beantragen. 

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