Abo

In Sachen LiebeWarum erfahren wir Eltern nichts aus der Therapie unserer Tochter?

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Was mit der Therapeutin besprochen wird unterliegt der Schweigepflicht. 

  • Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
  • Diesmal beantwortet Désirée Beumers die Frage, warum Therapeuten bei Jugendlichen ab 15 Jahren nichts aus den Sitzungen erzählen dürfen.

Köln – Unsere Tochter (15) hat eine depressive Störung. Sie ist in einer Therapie. Darüber spricht sie mit uns als Eltern nicht. Auch von der Therapeutin erfahren wir so gut wie nichts. Schweigepflicht, sagt sie. Von unserer Tochter aber bekommen wir jetzt oft so etwas zu hören wie „an allem seid ihr Schuld“. Wir sollen wir damit und mit unseren Sorgen umgehen?

Jugendlichen ab 15 Jahren werden von Psychotherapeuten tatsächlich in vielen Aspekten so behandelt, als wären sie schon volljährig. Dazu gehört nicht nur, dass die Inhalte ihrer Behandlung der Schweigepflicht unterliegen, sondern auch, dass sie ohne die Erlaubnis und sogar ohne das Wissen der Eltern selbstständig eine Psychotherapie bei der Krankenkasse beantragen dürfen.

Viele Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und -therapeutinnen werden trotzdem versuchen, mit den Jugendlichen die Erlaubnis zu erarbeiten, Kontakt zu den Eltern aufnehmen zu dürfen. Besonders für anamnestische, also die Lebensgeschichte betreffende Informationen ist dies wichtig, da die Jugendlichen selbst sie nicht berichten können. Darüber hinaus macht es die Arbeit oft leichter, wenn Eltern und Psychotherapeutin sich kennenlernen dürfen und so ein vertrauensvolleres Verhältnis entstehen kann. Der Wunsch der Eltern zu wissen, mit wem ihr Kind einmal pro Woche über seine Probleme redet, ist nachvollziehbar.

Grenzen müssen akzeptiert werden

Trotzdem wird jede Psychotherapeutin es akzeptieren (müssen), wenn ihr Patient oder ihre Patientin nicht möchten, dass Kontakt zu den Eltern aufgenommen wird. Die Grenzen zu akzeptieren, die der Teenager hier setzt, ist wichtig. Oft geschieht dies ja auch aus einem guten Grund.

Leseraufruf

Regelmäßig beantwortet jemand aus unserem „In Sachen Liebe“-Team Ihre Fragen. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt; was Ihnen schwerfällt, wo Sie sich einen guten Rat wünschen!

Ihre Zuschriften unterliegen dem Redaktionsgeheimnis und werden von uns in anonymisierter Form zur Beantwortung weitergegeben. 

Schicken Sie Ihre Frage an:  in-sachen-liebe@dumont.de

Doch selbst wenn die jugendlichen Patienten die Erlaubnis für Elterngespräche geben, unterliegt der Inhalt der Sitzungen weiterhin der Schweigepflicht. Es ist absolut notwendig, dass diese sehr ernst genommen wird, da ansonsten eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich wäre und die Psychotherapeutin als verlängerter Arm der Eltern wahrgenommen werden würde. Sollte allerdings eine akute Gefahr bestehen, die noch abwendbar ist – etwa im Sinne akuter Suizidabsichten, dann ist die Grenze der Schweigepflicht erreicht, und die Eltern müssen notfalls auch gegen den Willen der jungen Patienten informiert werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nicht die Schuldfrage zählt, sondern die Ursache

Inhaltlich wird es in der Psychotherapie Ihrer Tochter vermutlich nicht darum gehen, wer „Schuld“ an ihrer Erkrankung trägt, sondern vielmehr, wo die Ursachen liegen und wer in der Verantwortung ist, nun etwas zu ändern. Gerade depressive Jugendliche sind zuhause oft enorm konfliktscheu. Nicht selten wachsen sie in einem Familiensystem auf, das – aus welchen Gründen auch immer – nicht viel Raum für Aggressionen zulässt, so dass diese sich letztendlich in abgewehrter Form als Depression zeigen müssen. Dass Ihre Tochter nun also Ihnen diese aversiven Gefühle zumutet, ist eigentlich ein recht gutes Zeichen für den therapeutischen Prozess.

Doch auch Sie dürfen nun lernen, Ihren Ärger in adäquater Form zu spiegeln. Sagen Sie Ihrer Tochter, wie es Ihnen mit diesen Schuldzuweisungen geht. Nicht vorwurfsvoll. Versuchen Sie, einfach nur Ihre Emotionen zu beschreiben. Fragen Sie sie eventuell auch, was sie sich jetzt von Ihnen wünscht oder ob sie Ideen hat, wie Sie gemeinsam diesen Konflikt bearbeiten können. Kommen Sie miteinander ins Gespräch, und das aus einer Haltung heraus, in der Sie vor allem verstehen wollen und auch bereit sind, sich Kritik anzuhören. Dann wird es Ihrer Tochter vermutlich auch leichter fallen, auf Ihr Gesprächsangebot einzugehen. Oft profitiert die ganze Familie davon, wenn ein Familienmitglied in Therapie geht. Nutzen Sie diese Chance zur Weiterentwicklung!

KStA abonnieren