Fehlende MedikamenteÄrzte rechnen mit starken Arznei-Engpässen in Herbst und Winter

Lesezeit 3 Minuten
Eine Apothekerin öffnet eine Schublade mit Medikamenten.

Eine Apothekerin öffnet eine Schublade mit Medikamenten. Ärzte erwarten, dass die Arzneimittel im Herbst und Winter wieder knapp werden könnten. (Symbolbild)

Deutschland droht erneut ein Medikamenten-Notstand. Auch ein dagegen beschlossenes Gesetz kann diese Entwicklung noch nicht komplett abfedern.

Ein Mangel an Medikamenten droht wie auch im vergangenen Jahr bundesweit auch für diesen Herbst und Winter. „Wir rechnen mit noch schlimmeren Engpässen“, sagte Jakob Maske, Bundespressesprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Es fehle an Antibiotika, Schmerz- und Fiebersäften, Inhalationsprodukten mit Cortison sowie Impfungen. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich laut Maske die Versorgungslage kaum verbessert. „Eltern müssen immer noch 20 oder 30 Apotheken anrufen, um das passende Medikament zu finden“, so Maske.

Im stationären Bereich ist die Lage ähnlich. „Acetylsalicylsäure zur intravenösen Anwendung, welches in Deutschland begleitend bei schweren Herzinfarkten eingesetzt wird und bei manchen Patienten alternativlos ist, ist seitens des Herstellers bis Mitte 2025 nicht lieferbar“, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker, Christopher Jürgens. Somit müssen Kliniken und Rettungsdienste vor Verwendung streng prüfen, ob der Einsatz dieses Arzneimittels zwingend erforderlich sei, führt der Fachapotheker aus.

Weiterhin sei die Verfügbarkeit von Metamizol, einem Schmerzmittel, das sehr breite Anwendung in Krankenhäusern finde und Lokalanästhetika, das ebenfalls im Rahmen schmerztherapeutischer Maßnahmen eingesetzt würde, regelmäßig eingeschränkt. „Die schwankende Verfügbarkeit führt zu häufigen Wechseln bei Herstellern, Wirkstoffen oder der Zusammensetzung des Arzneimittels. Trotz aller Maßnahmen der Krankenhausapotheken kann dies die Arzneimitteltherapiesicherheit negativ beeinflussen“, so Jürgens.

Die Gründe sind vielseitig

Im Herbst steigt der Bedarf an Medikamenten erfahrungsgemäß, weil es mehr Infektionen zu dieser Jahreszeit gibt. Dabei habe es dieses Jahr kaum ein „Sommerloch“ im Aufkommen von Infektionskrankheiten gegeben, wie es der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte gewöhnlich verzeichnet. Eltern rät der Verband, keine Hamsterkäufe zu tätigen. „Wir raten eher, nur dann etwas zu besorgen, wenn der Arzt es auch verordnet – ansonsten entstehen künstliche Engpässe“, sagte Maske. Kaufen manche einen Vorrat, litten die Patienten mit chronischen Erkrankungen, die kontinuierlich auf Medikamente angewiesen sind.

Grund für den Mangel ist laut Maske beispielsweise der „Aufholeffekt“ nach Corona. Die Immunität ging auch bei Kindern durch die Schutzmaßnahmen während der Pandemie zurück, sodass mehr Menschen für Infektionen erreichbar sind. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nennt als Gründe für die gemeldeten Lieferengpässe in Bezug auf Antibiotika den deutlich gestiegenen Bedarf, der nicht kompensiert werden könne.

Auf der Engpass-Liste des BfArM stehen aktuell 510 Arzneimittel. Aufgezählt sind nur rezeptpflichtige Medikamente, die Meldung der Engpässe ist freiwillig. Ein weiterer Grund für Engpässe ist die Abwanderung von Produktionsstätten nach Indien und China. Unter anderem wegen des russischen Angriffskrieges gibt es nun unterbrochene Lieferketten, für die Medikamente und auch deren Verpackungen.

Lieferengpässe könnten auch in naher Zukunft bestehen

Um den Kostendruck auf Pharmaunternehmen zu senken und Festbeträge sowie Rabattverträge für Kinderarzneimittel zu unterbinden, verabschiedete der Bundestag im Juni das Lieferengpassbekämpfungsgesetz. Doch für den bevorstehenden Winter kommt es zu spät. „Das neue Gesetz bringt eine kleine Verbesserung, aber die Mangellage wird dadurch nicht aufgehoben“, sagte der Verbandssprecher der Kinder- und Jugendärzte.

Mit „zahlreichen“ Lieferengpässen im Herbst und Winter rechnet auch Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes. „Weder das kürzlich beschlossene Lieferengpassgesetz noch einzelne kurzfristige Pläne und Ideen des Bundesgesundheitsministers werden daran etwas ändern“, prophezeite er. „Der Kostendruck im Gesundheitswesen führt zu immer mehr Globalisierung und Preisdumping. Eine erhöhte Versorgungssicherheit muss dagegen langfristig geplant, bestellt und auch bezahlt werden, aber das sollte sie uns wert sein.“ Der Verband geht davon aus, dass sich die Liefersituation auch in naher Zukunft nicht entspannen werde. (RND)

KStA abonnieren