Gesichtsleser verrätWoran erkenne ich, ob das Gegenüber Interesse an mir hat?

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Der sogenannte „Dreiecksblick“ ist ein gutes Merkmal für Singles beim ersten Date.

  • Eric Standop ist Gesichtleser. Tipps zu Gesundheit, Ernährung, Persönlichkeit, Liebe, Karriere und zur Lebensaufgabe, kann er aus dem Gesicht ableiten.
  • Er gibt etwa Tipps, auf was Singles bei einer Verabredung achten müssen, um zu wissen, ob das Gegenüber wirklich Interesse hat.
  • Gesichtlesen gilt als Pseudowissenschaft. Unsere Autorin ist skeptisch, aber überrascht, was Eric Standop alles in ihrem Gesicht gelesen hat.

Köln – Eine natürliche Diplomatin, eine gute Ratgeberin, eine Frau, die immer jugendliche, rastlose Gedanken in sich trägt und die Dinge gerne etwas dramatischer sieht, als sie wirklich sind – das alles hat Eric Standop in meinem Gesicht gelesen. Mein Freund hielt das Ganze für Hokuspokus, als ich ihm von meinem Gespräch mit dem Gesichtleser berichtete. Auch ich war skeptisch, was mein Äußeres über meine Persönlichkeit sagen soll. Und trotzdem neugierig darauf, was es in meinem Gesicht zu lesen gibt. Zu den Skeptikern zählte Eric Standop vor 15 Jahren noch selbst. Nach zwei Burnouts und mit 14 Krankheiten im Gepäck schnallte der damalige Manager seinen Rucksack auf den Rücken und reiste um die Welt.

„In Südafrika berichteten mir Freunde von einem Mann in der Bar, der Gesichter lesen kann. Ich bin eher ein logischer Typ und hielt es für Zauberei. Nur wegen einer Wette ging ich zu dem Mann und war überrascht, was er alles in meinem Gesicht sehen konnte“, sagt Standop. Seine Skepsis wich der Neugier und schnell war sein Geschäftssinn geweckt. Schließlich könne er das Wissen in seinem Job als Manager anwenden. Doch dann wurde Eric Standop klar, dass er nicht mehr zurück wollte. Er lernte von einem deutschen und einem chinesischen Lehrmeister die Kunst des Gesichtlesens und entwickelte daraus eine neue Karriere. Ob das Gesicht etwas über das Innere eines Menschen aussagen kann, ist sehr umstritten. Die Physiognomik, also das Erkennen der Persönlichkeit an äußeren Merkmalen, gilt als Pseudowissenschaft (weitere Informationen siehe Kasten).

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Der Facereader Eric Standop

Gesichtlesen kann bei der Partnersuche helfen

Tipps zu Gesundheit, Ernährung, Persönlichkeit, Liebe, Karriere und zur Lebensaufgabe kann Standop nach eigener Aussage aus dem Gesicht ableiten. „Ein Facereader ist ein Ratgeber – ein Coach, ein Gesprächsleiter, ein Mentor. Das Gesichtlesen ist nur sein Werkzeug.“ Im Grunde lesen wir uns alle gegenseitig, beobachten schon als Säuglinge die Mimik und Gestik unseres Gegenübers. Es stecke in jedem Menschen. „Im Alltag kann Gesichtlesen helfen, sich in eine Situation einzufinden, weil wir uns nicht immer auf die Worte unseres Gegenübers verlassen können. Dieses Wissen kann uns helfen, Informationen, die wir bekommen, besser einzuschätzen und empathischer miteinander umzugehen.“

Fakten zur Physiognomik

Physiognomik bedeutet, dass vom Ausdruck und der Gestalt des Körpers, besonders aber des Gesichts, auf innere Eigenschaften geschlossen werden kann. Charakter und Anatomie eines Menschen werden also in Zusammenhang gebracht. Auch wenn sich schon Philosophen wie Aristoteles, Hippokrates von Kos oder später Charles Darwin mit der Lehre der Physiognomie beschäftigten, ist nicht wissenschaftlich belegt, dass sich die Persönlichkeit in äußeren Merkmalen widerspiegelt.

Der Pfarrer Johann Caspar Lavater sorgte mit seinem Werk „Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ für die Popularität dieser Methode. Der Psychologe Carl Huter griff die Erkenntnisse Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Neben Charaktereigenschaften soll das Gesicht auch etwas über den Gesundheitszustand verraten. In der sogenannten Sonnerschau oder auch Antlitzanalyse nach Wilhelm Heinrich Schüßler soll das Gesicht auch über Mineralstoffmangel Auskunft geben können.

Im dritten Reich bemächtigten sich die Nationalsozialisten der Physiognomie. Sie diente ihrer Rassentheorie. Sie bedienten sich vor allem der unwissenschaftlichen Phrenologie (Schädelkunde), um bestimmte Menschengruppen als minderwertig zu definieren.

Dass das Gegenüber müde ist oder nicht so gut gelaunt, könne eigentlich jeder erkennen. Interessanter ist es für Menschen auf Partnersuche, die Zeichen des Angebeteten deuten zu können. „Ein sehr gutes Merkmal ist der Dreiecksblick, er guckt zuerst in das linke, dann in das rechte Auge, wandert zum Mund und wieder hoch. Ist jemand interessiert, führt er den Blick häufig durch.“ Ein schlechtes Signal hingegen sei, wenn sich der potentielle Partner an die Unterlippe greift oder die Traumfrau sie mit den Zähnen stimuliert, das tun wir nur, wenn wir uns in der Situation unwohl fühlen. Freuen könnten sich Singles, wenn ihre Verabredung die Oberlippe stimuliert, dort sitze der Amorbogen – eine Berührung sage unterbewusst, dass das Gegenüber ein Partner oder eine Partnerin sein kann.

Mimik und Auftreten unserer Autorin verraten ihre Liebe zu Wörtern

In meinem Gesicht kann Eric Standop lesen, dass die Liebe für mich viel Schmerz bereithalten kann, weil ich idealistisch und nachforschend bin. „In einer Beziehung reicht es dir nicht aus, dass du und dein Partner die gleichen Bücher lest oder ihr guten Sex habt“, sagt er zu mir. Ich solle mich nicht finden lassen, sondern selbst einen Partner suchen. Fast schon wie eine selbsterfüllende Prophezeiung kommt es mir vor, dass der Partner, den ich selbst gesucht und gefunden habe, zu mir passt und mich glücklich macht. Ich frage mich aber immer noch, wie der Gesichtleser bloß anhand von zwei Fotos von mir – eins mit und eins ohne Emotionen – und einem eineinhalbstündigen Video-Telefonat so viel in meinem Gesicht lesen konnte. Er erkennt Dinge, die er eigentlich nicht von mir wissen kann. Es sind keine Informationen wie mein Beruf, mein Studium oder mit wem ich befreundet bin, die er schnell mit einer Suche über Google gefunden hätte.

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Unsere Autorin Rebecca Häfner

Durch eine 3.000 Jahre alte Technik aus Südchina weiß Eric Standop, dass ich ein Kranichgesicht mit Elementen des Jade- und des Fassgesichts habe. Was erstmal wenig schmeichelhaft klingt, bedeutet, dass ich ein feinfühliger, empathischer Mensch bin, der anderen gerne hilft, kreativ und intuitiv ist, erklärt der Gesichtsleser. Ich bin neugierig, informiere gerne, möchte Fußspuren hinterlassen und andere Menschen anleiten. Menschen mit meinen Fähigkeiten hätten meist das Bedürfnis, sich in Worten auszudrücken – meine Berufswahl als Journalistin scheint mir also ins Gesicht geschrieben zu sein.

Augen und Mund sind am wichtigsten

„Die Persönlichkeit, unsere Talente und Fähigkeiten, damit werden wir geboren“, erklärt der Experte. Der Charakter komme erst später hinzu, durch die Lebensumstände. „Sind Persönlichkeit und Charakter ausgewogen, sind Menschen glücklicher.“ Erkennen kann er meine Persönlichkeit in meinem Gesicht, weil er genau die Bewegungen, meine Mimik und mein Auftreten beobachtet – die Form meines Gesichts, meine Augen und meine Lippen verraten ihm, wer ich bin.

Dass ich einerseits einen analytischen Verstand habe, gleichzeitig aber über eine gute Intuition verfüge, stehe in meinen Gesichtshälften. „Die rechte Gesichtshälfte steht für rationale Fähigkeiten wie Analyse oder Logik, die linke hingegen zeige Kreativität, Empathie und Intuition.“ Die Augen als „Tor zur Seele“ und die „Lippen als Spiegel der Persönlichkeit“ seien für Gesichtsleser die wichtigsten Punkte. Schmale Lippen sagen beispielsweise, dass Menschen ihre Gesprächspartner gezielt aussuchen. Und je schmaler die Lippe, desto wortgewandter sei die Person. Wer bei Tageslicht große Pupillen hat, sei eher empathisch, entscheide aus dem Bauch heraus.

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Buchcover

Wer selbst etwas üben möchte, Gesichter zu lesen, findet Tipps im Buch des Gesichtlesers. Eric Standop: „Ich lese dich. Geheimnisse eines Facereaders – Was das Gesicht über uns und andere Menschen enthüllt”, Gräfe und Unzer, 288 Seiten, 18,99 Euro.

Foto: Gräfe und Unzer

Es sind nicht nur einzelne Eigenschaften, wie Zielstrebigkeit oder Dynamik, die in meinem Gesicht zu stehen scheinen. „Du bist sehr einfühlsam, ich glaube sogar, dass du, wenn du einen Raum betrittst, schon eine Idee davon hast, was dort für eine Stimmung herrscht.“ Ich bin erstaunt, dass mein Antlitz das verraten soll und auch, dass ich mir manchmal irrationale Sorgen mache. Denn beides stimmt. Oder sind die Aussagen einfach allgemein genug, aber doch präzise genug, um fast zwangsläufig zutreffen zu müssen? So, wie wenn ich mein Horoskop in einer Zeitschrift lese und immer ein paar Sätze zu meiner Situation passen.

Eine Mischung aus Bauchgefühl und Skepsis

Eric Standop sieht es als seine Aufgabe, alle Merkmale aus dem Gesicht zusammenzubringen, sie einzuordnen und daraus Ratschläge zu entwickeln. Den Menschen, wenn sie es wünschen, ihre Lebensaufgabe zu nennen. Mir gibt Eric Standop mit, dass ich lernen muss, nein zu sagen. Ich soll mich von allem, was mich klein hält, befreien und besser meinem Bauchgefühl trauen als meinem Kopf. Letzteres habe ich mir nach einer unpassenden Stellenwahl nach meinem Volontariat schon selbst hinter die Ohren geschrieben, in der Situation hatte mein Kopf mein Bauchgefühl überstimmt. Gleichzeitig sind es aber Ratschläge, die ich schon oft in Ratgeber-Büchern gelesen habe.

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Um die Lebensaufgaben von mir zu bestimmen, bedient sich der Gesichtsleser der chinesischen Mythologie, aus der er westliche Archetypen gebildet hat. „Deine Archetypen, von denen einer ganz sicher deine Lebensaufgabe sein wird, ist der Pfadfinder: ein Mensch, der vorangeht und anderen Menschen den Weg zeigt, und der Wegbegleiter: ein Mensch, der anderen Menschen Wissen vermittelt und sie in ihrem Wachstum begleitet“, erklärt Eric Standop mir. Was genau ich mit allem, was er in meinem Gesicht gelesen hat, anfangen soll, weiß ich noch nicht. Mein Bauch sagt mir, dass ich seinen Worten etwas Gehör schenken sollte, doch in meinen Gedanken wohnt weiter die Skeptikerin.

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