Krank durch HitzeWarum hohe Temperaturen auch für jüngere Menschen gefährlich sind

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Nahaufnahme einer schwitzenden Frau

In Deutschland wird es immer heißer. Das hat Auswirkungen auf die Gesundheit. Nicht nur für ältere Menschen.

Ein Experte erklärt, was bei mehr als 30 Grad zu tun ist und warum ein Hitzeschutzplan dringend nötig ist. 

Sol o Sombra? Bei Open-Air-Veranstaltungen in Spanien gibt es oft unterschiedlich teure Eintrittskarten, je nachdem, ob man in der Sonne oder im Schatten sitzt. Die Antwort der deutschen Urlauber Anfang der 2000er-Jahre? „Sol natürlich, ist doch klar. Haha, wieso muss man denn für Plätze im Schatten mehr bezahlen? Seltsam, diese Spanier.“ Jetzt, 20 Jahre später, würde die Antwort wahrscheinlich anders ausfallen. 

Seit einigen Jahren ist der Klimawandel in unserem Alltag deutlich angekommen. Heiße Sommertage empfinden viele nicht mehr als schön und angenehm, sondern eher als quälend und belastend. Und längst sind es nicht mehr nur ältere Menschen, die über gesundheitliche Probleme bei Hitze klagen. Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen und Erschöpfung kennen auch junge Menschen – und nicht nur die, die in überhitzten Dachgeschosswohnungen leben. 

Es handelt sich hierbei nicht um Wohlstands-Wehwehchen, sondern um ernst zu nehmende Gesundheitsprobleme. Bei Hitze kann das körpereigene Kühlsystem überlastet werden. Kopfschmerzen, Erschöpfung und Benommenheit können die Folge sein. Wenn der Körper mehr Wärme aufnimmt, als er wieder abgeben kann, drohen Hitzestau oder Hitzschlag. Typische Symptome eines Hitze­staus sind Schwindel, Benommenheit und Übelkeit, ein erhöhter Puls sowie eine er­höhte Körpertemperatur. Ein Hitzschlag kann die Folge eines nicht ausreichend behandelten Hitzestaus sein und geht typischerweise mit Kopfschmerzen, Erbrechen und Muskelkrämpfen einher. Manchmal werden Betroffene bewusstlos. 

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2022 sind mehr als 61.000 Menschen aufgrund der Hitze gestorben

All diese Symptome können in schweren Fällen zu multiplem Organversagen und schließlich zum Tod führen kann. Gefährlich wird das vor allem dann, wenn es an mehreren Tagen hintereinander heiß ist und es sich während der sogenannten Tropennächte auch nachts nicht abkühlt. 

Die Hitzewellen im Sommer 2022 haben in Europa zum Tod von mehr als 61.000 Menschen geführt. Allein in Deutschland starben im vergangenen Sommer 8173 Menschen an den Folgen der Hitze, wie eine in der Fachzeitschrift „Nature Medicine“ veröffentlichte Studie ergab. Die diesjährige erste Juliwoche sei wahrscheinlich weltweit die heißeste Woche seit Beginn der Wetteraufzeichungen. Die Studie zu den Hitzetoten wurde vom staatlichen französischen Gesundheitsforschungsinstitut Inserm und dem spanischen Institut ISGlobal erstellt. Vom 30. Mai bis zum 4. September 2022 gab es in Europa demnach 61.672 Hitzetote. Insbesondere Frauen im Alter von mehr als 80 Jahren zählten demnach zu den Opfern.

Nationaler Hitzeschutzplan soll helfen

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will diesen Entwicklungen mit einem nationalen Hitzeschutzplan entgegentreten, der die Verbindung zwischen Gesundheit und Hitze stärker in den Fokus rücken soll. Bisher gibt es nur eine Richtlinie zur Erstellung von Hitzereaktionsplänen, die die Kommunen unterschiedlich umsetzen.

Ein wichtiger Teil des Plans sind die Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Herr dieser Warnungen und federführend beteiligt an der Entwicklung der Hitzeaktionspläne ist Andreas Matzarakis, Professor für Umweltmeteorologie an der Universität Freiburg und Leiter des Zentrums für Medizin-Meteorologische Forschung des DWD. Er sagt: „In Bezug auf den Klimawandel ist Hitze das erste Phänomen, das bei den Menschen angekommen ist. Es ist dringend erforderlich, sich mit den Auswirkungen der Hitze auf die Gesundheit und eine mögliche Anpassung daran auseinanderzusetzen.“

Prof. Dr. Andreas Matzarakis
Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung Deutscher Wetterdienst

Prof. Andreas Matzarakis leitet das Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes.

Hitzewarnungen werden herausgegeben, wenn eine starke Wärmebelastung vorhergesagt wird und eine ausreichende nächtliche Auskühlung der Wohnräume nicht mehr gewährleistet ist. Die erste Warnstufe tritt ein, wenn die gefühlte Temperatur zwei Tage in Folge 32 Grad übersteigt. Wird es wärmer als 38 Grad, folgt die zweite Warnstufe. Dabei liegen die Schwellenwerte am Ende des Sommers etwas höher als am Anfang, da sich der Körper an die höheren Temperaturen gewöhnt. In der Stadt wird die Hitze besonders stark wahrgenommen, da sich hier Wärmeinseln bilden. Wie heiß man die Temperatur empfindet, hat auch etwas mit Luftfeuchte, Wind, Sonnenstrahlung und der eigenen Aktivität zu tun. Auch Alter und Gesundheitszustand spielen eine Rolle.

„Hitze geht jeden etwas an“

„Wenn wir eine Hitzewarnung herausgeben, heißt das, dass es jeden betrifft. Dann wissen wir, dass auf der Grundlage von statistischen Berechnungen die Übersterblichkeit bei einer Hitzewelle bei über fünf Prozent liegt“, sagt Matzarakis. Auch, wenn es Jüngere genauso betrifft, bleibt die Gefahr für ältere Menschen besonders hoch. Sie empfinden Hitze zwar später als Jüngere, reagieren aber viel extremer, wenn die Temperaturen weiter steigen. „Der Grenzbereich ist bei älteren Menschen sehr schmal. Bis 33 Grad kann es ihnen noch gut gehen, aber schon bei über 35 Grad können sie kollabieren“, erklärt Matzarakis.

Bei einer Warnung der Stufe 2 sind die Menschen deshalb dazu aufgerufen, auf ihre Mitmenschen und Nachbarn zu achten. „Fragen Sie Ihre Nachbarn, ob Sie genug Wasser haben oder ob Sie Hilfe beim Einkaufen brauchen. Medikamente sollten aus der Sonne geräumt werden, eventuell verändert sich auch ihre Wirkung durch die Hitze. Das müsste man am besten nochmal mit seinem Arzt besprechen“, sagt Matzarakis. 

Schweiß bitte nicht von der Haut wischen

Das Wichtigste bei Hitze ist, ausreichend zu trinken und die Aktivität zu reduzieren. Sonne sollte man meiden und Innenräume möglichst kühl halten, insbesondere nachts. „Sie schlafen nicht gut, es geht Ihnen nicht gut und Sie starten jeden Morgen mit einer höheren Belastung in den Tag. Das wird irgendwann zum Problem“, so der Experte. Wenn es ganz heiß ist, helfen auch Maßnahmen, die direkt am Körper kühlen, zum Beispiel nasse Wickel. „Nur einen Fehler dürfen Sie nicht machen: Wenn Sie schwitzen, das Handtuch nehmen und den Schweiß abwischen. Nur, wenn das Wasser verdunstet, kommt es zu einer Abkühlung“, so der Experte. 

Um mit den gestiegenen Temperaturen besser umgehen zu können, beinhaltet der Hitzeschutzplan kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen. Kurzfristig bedeutet: Was passiert, wenn eine Hitzewarnung ausgesprochen wird? Wer hat die Zuständigkeiten? Wer soll informiert werden? Mittelfristig sollen vor allem Menschen im korrekten Umgang mit Hitze geschult werden. „Nicht nur die Betroffenen, sondern auch diejenigen, die draußen arbeiten oder die im Gesundheitssektor tätig sind: Krankenpfleger, Altenpfleger, ambulante Pflegedienste, Rettungsdienste, Feuerwehren“, so Matzarakis. Langfristige Maßnahmen sollen für kühlere Innenräume und weniger aufgeheizte Städte sorgen, zum Beispiel durch mehr Bäume oder künstliche Beschattung auf offenen Plätzen. Auch Kühlbereiche in den Städten wären eine wichtige Maßnahme. 

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