Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Marathon VorbereitungWo sich Investitionen für Laufveranstaltungen lohnen – und wo Irrtümer dominieren

7 min
Läufer beim Köln Marathon

Nicht nur für die Teilnahme am Marathon bezahlen Läuferinnen und Läufer – auch die Vorbereitung kann ins Geld gehen. 

Carbonschuhe, Energiegels und Faszienrollen sollen das Laufvergnügen optimieren, gehen aber ins Geld – doch nicht jede Anschaffung ist notwendig.

Wenn am Sonntag zehntausende Läuferinnen und Läufer beim Marathon, Halbmarathon oder in der Staffel durch Köln rennen, haben die meisten von ihnen im Vorfeld nicht nur viel Zeit und viele Kilometer in ihr Training investiert, sondern vermutlich auch eine große Portion Gehirnschmalz. Wie bereite ich mich auf einen Langstreckenlauf vor? Wie gestalte ich meine Ernährung? Welcher Laufschuh soll es sein? Hält mein Körper so eine Belastung überhaupt aus? 

Unwissenheit und Verunsicherung nutzen kommerzielle Anbieter gerne aus. Im Internet und den sozialen Medien häufen sich Tipps für die optimale Vorbereitung und Produktempfehlungen jeglicher Art – auch, weil mit dem aktuellen Laufboom ordentlich Geld gemacht werden kann. Hinzu kommen die üblichen Mythen: „Immer schön stretchen vor dem Laufen“, „Muskelkater beugst du mit einer Faszienrolle vor“ oder „Langstrecke - das geht im Alter zu sehr auf die Gelenke“. 

Doch was ist dran an diesen Empfehlungen? Wo lässt sich Geld sparen? Und an welche Tipps sollte man sich halten? Lars Donath, Professor am Institut für Trainingswissenschaften der Deutschen Sporthochschule Köln, liefert Erkenntnisse aus der Forschung:

Der Trainingsplan: kostenlos oder individuell zugeschnitten?

Wer nicht Mitglied eines Lauftreffs oder einer Trainingsgruppe im Sportverein ist, der ist, was die Trainingsplanung angeht, auf sich allein gestellt. Statt einfach ungeplant draufloszulaufen, können etwa 12- bis 16-Wochen-Programme Struktur in die Trainingsgestaltung bringen. Denn welcher Laie hat schon eine Ahnung von der richtigen Steuerung von Dauerläufen, Intervallen, Lockerungs- oder Kräftigungsübungen, Lauf-ABCs und Regeneration?

Die Wissenslücke haben sich Plattformen, Fitness-Influencer und digitale Lauf-Communities zu Nutze gemacht und verkaufen die Pläne, meist angepasst an die Zielzeit der Läuferinnen und Läufer, online zum Download oder in Apps. Den viermonatigen Marathon-Trainingsplan der Online-Community Kraft Runners etwa gibt es für 70 Euro. Auch E-Books, Bücher und Fachmagazine geben Rat.

Zwei Frauen joggen am Rheinufer. Sie sind von hinten zu sehen.

Zu einem Marathon-Trainingsplan gehören nicht nur Dauerläufe, auch Intervalle oder Tempoläufe stehen auf dem Programm – Empfehlungen gibt es kostenlos im Internet oder zu kaufen.

Den gibt es aber auch kostenfrei, wie eine kurze Internetrecherche ergibt. Orientierungshilfen bieten etwa Firmen wie Nike oder Sportscheck auf ihren Websites. Auch ChatGPT spuckt detaillierte Empfehlungen aus, wenn man es mit den nötigen Informationen füttert – mit zufriedenstellenden Ergebnissen.

„Für Einsteiger und Hobby-Läufer sind solche standardisierten Pläne durchaus geeignet“ so das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2024, erklärt Lars Donath. „Sie müssen allerdings Anpassungsmöglichkeiten erlauben.“ Denn ein guter Trainingsplan basiere auf individuellen Faktoren. Neben Fitnessstand, Verletzungshistorie und Zielzeit können das auch soziale Komponenten sein, wie Motivation oder Vereinbarkeit mit Beruf und Familie. Heißt: Durch KI generierte Pläne können gerade für Anfänger zwar die Basis liefern, eine medizinische und individuelle Betreuung ersetzen sie aber nicht, fasst der Trainingswissenschaftler zusammen.

Die Laufschuhe: mehrere Paare und am besten Carbon?

Ein Blick aufs Schuhwerk der besten Marathonläufer zeigt: Wer schnell sein will, setzt auf High-Tech. Für Aufsehen sorgte 2019 der Nike Vaporfly, mit dem der Kenianer Eliud Kipchoge die 42 Kilometer als erster Mensch unter zwei Stunden lief. Immer mehr Läufer, auch Hobbyathleten, sichtet man seither mit den Leichtgewichtstretern samt voluminöser Carbonsohle, die weit über 200 Euro kosten. 

Die Investition könne sich selbst für Breitensportler lohnen, sagt Donath. Mit etwas Übung und nach einiger Eingewöhnungszeit können die Schuhe wie eine Feder wirken, speichern die Energie und geben sie wieder ab. „Damit ist es möglich, die Laufökonomie um bis zu vier Prozent zu steigern.“ Ansonsten gelte natürlich: „Der Schuh muss passen, bequem sein und die Performance bieten, die der Fuß braucht.“ Zu Einlagen rät der Trainingswissenschaftler derweil nur bei klinischer Indikation durch den Orthopäden.

Und wie steht es um die Lebensdauer des Schuhwerks? Laut Sportartikelherstellern halten Laufschuhe ein paar hundert Kilometer, danach sollten sie durch neue ersetzt werden. Hinzu kommt die Empfehlung, nicht nur ein Paar pro Saison zu nutzen, sondern sie von Lauf zu Lauf zu wechseln. Was wie ein schlauer Marketing-Schachzug der Schuh-Industrie klingt – schließlich müsste man sich nach diesem Prinzip nicht nur alle paar Monate neue Schuhe anschaffen, sondern auch mehrere auf einmal – hat Donath zufolge tatsächlich wissenschaftliche Evidenz. 

Eliud Kipchoge bei seinem Rekordlauf in Wien.

2019 galten die Carbonschuhe von Ausnahmeläufer Eliud Kipchoge als Innovation, heute kann sie sich jeder kaufen.

„Laufschuhe haben eine Lebensdauer von 300 bis 1000 Kilometern“, sagt er. Bei einer Untersuchung eines New Balance Schuhs habe das Material nach rund 700 Kilometern insbesondere im Bereich des Mittelfußes versagt. „Der Schuh nutzt sich ab, die Dämpfung lässt nach und die Belastung des Fußes steigt“, so Donath. Die Haltbarkeit der Schuhe hänge unter anderem von der Nutzungsfrequenz ab. „Wenn ich 300 Kilometer in einem Monat abreiße, kann ich sie danach wegschmeißen.“ Ermöglicht man ihnen Materialregeneration durch ein paar Tage Trainingspause oder Nutzung mehrerer Paare, dann dürften auch 1000 Kilometer kein Problem sein, so der Spoho-Professor.

Die Empfehlung zum Kauf eines Zweitschuhs bestätigt er noch aus einem anderen Grund: „Das Risiko für Verletzungen bei gleichzeitiger Nutzung mehrerer Paare, die unterschiedliche Beanspruchung und Belastung für den Fuß bieten, ist geringer“, das zeigen Studien. Selbst während eines Laufes lohne es sich, zu wechseln – das aber wirklich nur bei sehr langen Trainingsstrecken. 

Die Ernährung: Energiegel und Powerdrink oder Banane und Apfelsaft?

Nicht nur in Fachgeschäften, auch aus den Regalen diverser Drogerien und Supermärkte sind Eiweißriegel, Energy-Bällchen, Power-Drinks und Long-Distance-Gele kaum noch wegzudenken. Verbunden die Frage: Komme ich ohne diese meist süßen Kraftquellen überhaupt noch ins Ziel? 

Entwarnung gibt Trainingswissenschaftler Donath für all diejenigen, die unter einer Stunde unterwegs sind. „Da reicht Flüssigkeit aus, der Körper hat genug Glykogen gespeichert.“ Wird die Belastungszeit länger, steigt der Energiebedarf und kann etwa durch Fruchtschorle gedeckt werden. Ab Läufen von 90 Minuten rät Donath, die Speicher zu füllen – „am besten, bevor man ein Defizit bemerkt, sonst ist es schon zu spät.“

Ein Läufer schüttet sich am beim Marathon in Köln (Nordrhein-Westfalen) an einer Verpflegungsstelle Wasser ins Gesicht.

Bei Belastungen von über 90 Minuten sollten Läuferinnen und Läufer während des Laufs die Energiespeicher mit Flüssigkeit und Kohlenhydraten füllen.

Es müsse aber nicht zwangsläufig das verhältnismäßig teure Energiegel sein, das zwischen 20 und 25, teilweise bis zu 40 Gramm Kohlenhydrate pro Beutel bereithält. Bananen (rund 25 Gramm Kohlenhydrate pro 100 Gramm) oder Trockenobst wie Rosinen täten es ebenfalls, so Donath. „Die kommerziellen Anbieter übertreiben meistens ein bisschen, was den Bedarf betrifft. Klar, die wollen verkaufen“, sagt er. Bei Marathonstrecken und gerade für ambitionierte Läufer seien Gels dennoch praktisch. „Sie sind klein, kompakt und gut verdaulich.“

Das Aufwärmen: Stretching, Faszienrolle oder nichts dergleichen?

Wenn Herbst und Winter vor der Tür stehen, wird auch das Aufwärmen vor der Joggingrunde wichtiger. Übrigens: Niedrige Temperaturen sprechen Donath zufolge nicht gegen einen Lauf im Freien. Allerdings sei die Sauerstoffaufnahme durch zusammengezogene Bronchien gehemmt und die Verletzungsgefahr bei abrupten, explosiven und schnellen Bewegungen größer. Er rät zu geminderter Intensität und einem entsprechenden Warm-up – dann kann man dem Hobby auch bei Minusgraden nachgehen.

Eine Frau rollt ihren Rücken auf einem Faszienball aus.

Faszienrollen und -bälle sind ein beliebtes Trainingsutensil – ihre positiven Effekte sind laut Trainingswissenschaftler Lars Donath kaum belegt.

Aber auch bei gutem Wetter ist das Thema mit dem Aufwärmen so eine Sache. Die einen lassen es gleich ganz bleiben – aus Faulheitsgründen oder mangelnder Lust –, die anderen sitzen vielleicht mehreren Irrtümern auf. Stretching, insbesondere statisches Dehnen, „ist keine Erwärmungsroutine und hat auch für die Verletzungsprävention keine Auswirkungen“, so der Professor. Also lieber mit der Faszienrolle und ihren diversen Ausführungen das Gewebe auflockern? Auch das habe mehr von einem psychischen Placebo-Effekt, meint Donath. „Das macht die Muskeln nicht weicher, das macht sie nicht leistungsfähiger, das beugt keinen Verletzungen vor.“ Zumindest gebe es dafür kaum wissenschaftliche Befunde. 

Besser sei ein laufspezifisches fünf- bis zehnminütiges Programm, zum Beispiel Anfersen, Kniehebeläufe, Steigerungsläufe. Man könne auch Richtungswechsel einbauen für die Koordination, ein paar Gleichgewichtsübungen oder auch Kniebeuge oder Ausfallschritte. „Und wenn man nicht gleich Fullspeed losläuft, ist auch das eine gute Erwärmung.“ 

Die Gelenke: Ausdauerhelden oder zukünftige Osteoporose-Patienten?

Wacker hält sich das Gerücht, die Gelenke würden unter zu langen Belastungen langfristig leiden. Tatsächlich zeigen MRT-Befunde Veränderungen am Knorpel im Schienbein, Oberschenkel oder an der Patella. Meist würden sich diese zwar zurückbilden. „Wenn man schlechtes Schuhwerk wählt, wenig Regeneration einbaut und zu viel trainiert, dann kann das aber auch auf dauerhafte Schäden hinauslaufen“, so Donath. Schmerzen sollten Aktive daher nicht ignorieren: „Die Signale des Körpers muss man ernst nehmen und dann entsprechend handeln.“

Trotz des allgemein bekannten Risikos brechen die Teilnehmerzahlen bei Volksläufen wie dem Köln Marathon derzeit Rekorde. „So eine Distanz zu schaffen, da steckt einfach auch eine heroische Leistung hinter, die muss gut vorbereitet werden, das schafft nicht jeder. Da kann man schon stolz drauf sein. Da kann man mindestens vor sich, wenn nicht vor anderen, auch ein bisschen dick auftragen“, begründet Donath die Faszination so vieler. Er sagt aber auch: „Wenn mich jemand fragen würde, sollte er die 21 Kilometer einmal laufen oder sie lieber in drei mal sieben Kilometer aufteilen, dann würde ich immer empfehlen, die moderate Strecke zu wählen. Dann wird der Körper nicht so stark belastet.“


Lars Donath ist Professor am Institut für Trainingswissenschaften und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Lars Donath ist Professor am Institut für Trainingswissenschaften und Sportinformatik an der Deutschen Sporthochschule Köln.

Lars Donath, 45 Jahre, ist Professor für Trainingswissenschaftliche Interventionsforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Er beschäftigt sich unter anderem mit akuten und chronischen Anpassungen an körperliches Training im Ausdauer-, Kraft- und Gleichgewichtsbereich im Lebensverlauf.