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Mehrweg ab Januar PflichtKann ich mir jetzt Essen in mitgebrachte Behälter ausgeben lassen?

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Ein Mann und eine Frau nehmen ihr Mittagessen aus einer Einwegverpackung zu sich.

Laut der Projektinitiative „Essen in Mehrweg – Wir machen mit“ entstehen in Deutschland pro Tag 770 Tonnen Verpackungsmüll durch Takeaway-Einwegverpackungen.

Take-away, aber ohne Müll: Seit dem 1. Januar 2023 müssen Restaurants und Lieferdienste Mehrwegverpackungen anbieten. Wie funktioniert das?

Das Gesamtgewicht von drei Waschmaschinen ergibt 225 Kilogramm. Ebenso viel wiegt laut Statistik die Menge an Verpackungsmüll, den jeder Deutsche durchschnittlich pro Jahr verursacht. Mehrwegbecher, Trinkhalm-Verbot, keine Plastiktüten mehr im Supermarkt: Die Europäische Union hat bereits einige Richtlinien festgeschrieben, die dafür sorgen sollen, dass Plastikmüll weniger wird. Nun kommen weitere Maßnahmen hinzu. Seit Jahresbeginn müssen Restaurants und Lieferdienste ihren Gästen Mehrweg-Alternativen für Take-away-Gerichte anbieten. Das sieht eine Änderung im Verpackungsgesetz vor, die auf der EU-Einwegkunststoffrichtlinie beruht. Weitere Pläne zur Reduktion von Verpackungsmüll werden von der EU-Kommission in Brüssel geschmiedet. Was geplant ist und was auf Verbraucher und Verbraucherinnen zukommt:

Wie funktioniert die Mehrweg-Pflicht konkret?

Wer Essen zum Mitnehmen bestellt, hat nun die Wahl, ob das Gericht in einem Einmalbehälter geliefert werden soll oder aber in einer Mehrwegverpackung. Den Mehrwegbehälter können Kunden und Kundinnen dem Restaurant oder Lieferdienst wieder zurückgeben – müssen es aber nicht. Wichtig: Das Gericht selber darf in der Mehrwegvariante nicht teurer sein als in der Einwegverpackung. Erlaubt ist aber, dass, ähnlich wie bei Mehrwegbechern, ein Pfand auf Mehrwegbehälter erhoben wird.

Gilt die Mehrweg-Pflicht auch für Pizzakartons uns Aluschalen?

Nein, denn die Einwegkunststoff-Richtlinie der EU, die durch die Mehrweg-Pflicht in Deutschland nun umgesetzt wird, zielt auf die Reduktion von bestimmten Einwegprodukten aus Kunststoff ab. Take-away-Verpackungen aus Pappe oder Aluminium sind daher nicht von der Regelung betroffen. 

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Wo gilt die Pflicht überall?

Alle Betriebe, die Speisen für den Außer-Haus-Verkauf anbieten, müssen ihren Kunden und Kundinnen künftig die Wahl zwischen Einweg- oder Mehrwegverpackung anbieten. Dazu gehören zum Beispiel Restaurants, Cafés, Bistros, aber auch Kantinen, Tankstellen und Cateringbetriebe. Die Mehrweg-Pflicht besteht allerdings nicht in allen Gastronomiebetrieben. Kleinere Läden, wie etwa Imbissbuden, sind davon ausgenommen, denn die Pflicht greift erst ab einer Verkaufsfläche von 80 Quadratmetern. Trotzdem soll es Kunden und Kundinnen auch dort künftig möglich sein, Speisen in selbst mitgebrachten Behältern mitzunehmen.

Wie werden die Mehrwegbehälter aussehen?

Festgelegt ist, dass die Mehrweg-Alternative für alle angebotenen Gerichtsgrößen zur Verfügung stehen muss. Damit soll verhindert werden, dass Kunden und Kundinnen einen Nachteil durch die umweltgerechtere Verpackung haben, wenn beispielsweise eine große Portionsgröße nicht in das Behältnis passt.

Es sind bereits einige Mehrwegsysteme auf dem Markt. Das größte bietet aktuell Recup & Rebowl an. Eine weitere Alternative kommt mit Vytal aus Köln. Das Besondere an dem Start-up der drei Gründer Sven Witthöft, Fabian Barthel und Tim Breker: Sie bieten eine pfandfreie Mehrweg-Alternative via App an. Dafür nehmen sie sich das Bibliotheksprinzip zum Vorbild. Das heißt: Jeder Nutzer und jede Nutzerin hat 14 Tage Zeit, die geliehenen Behälter zu den teilnehmenden Betrieben zurückzubringen. Im Angebot gibt es Becher, Schüsseln, Sushi-Verpackungen, Pizza-Schalen und Burger-Schachteln.

Können auch selbst mitgebrachte Gefäße verwendet werden?

Ja, Betriebe ohne eigenes Mehrwegsystem sind jetzt dazu verpflichtet, selbst mitgebrachte Kaffeebecher oder Lunchboxen der Gäste anzunehmen und bestellte Speisen und Getränke abzufüllen. Darauf weist auch die Verbraucherzentrale NRW explizit hin, denn bislang beruhte das Befüllen von mitgebrachten Gefäßen auf Freiwilligkeit. Laut den Verbraucherschützern könne es sich durch die neue Regelung nun aber lohnen, in eigene To-go-Behältnisse zu investieren. Empfehlenswert seien Glas-, Porzellan- oder Edelstahlbehälter: „Sie sind zwar teurer in der Anschaffung, dafür aber langlebig, geschmacksneutral und gut zu reinigen.“

Was soll die Mehrweg-Pflicht bringen?

Laut der Projektinitiative „Essen in Mehrweg – Wir machen mit“ entstehen in Deutschland pro Tag 770 Tonnen Verpackungsmüll durch Take-away-Einwegverpackungen. Die Herstellung von Wegwerfverpackungen ist nicht nur ressourcenintensiv. Bei Plastikverpackungen kommt hinzu, dass sie oft nicht recycelt werden können, dafür aber zu massiven Umweltproblemen führen. Dazu zählen unter anderem die Verschmutzung der Meere und die Belastung von Mensch, Tier und Umwelt mit Mikroplastik. Ein flächendeckendes Angebot von Mehrwegverpackungen soll helfen, diese Plastikflut einzudämmen.

Wie reagiert die Gastronomiebranche auf die Einführung der Mehrweg-Pflicht?

Für viele Gastronomen und Gastronominnen steht zunächst die Sorge vor zusätzlichen Kosten für die Einführung eines Mehrwegsystems im Vordergrund. Gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Redaktionsnetzwerk Deutschland) warnte eine Sprecherin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), dass die Umstellung für die Branche mit hohem Aufwand und Kosten verbunden sei. Für die allermeisten Betriebe bedeute das neue Belastungen. Viele Gastwirte verzichten nach Angabe des Verbandes ohnehin schon auf Einwegartikel und setzen auf nachhaltigere Alternativen zu Plastik. „Auch immer mehr Verbraucher sind sensibilisiert für den fortschreitenden Klimawandel und die damit verbundenen Aspekte der Nachhaltigkeit“, so die Sprecherin.

Auch in der Kölner Gastronomie gibt es bereits Bestrebungen, insgesamt nachhaltiger zu werden. Erst kürzlich hat der Verein IG Kölner Gastro einen digitalen Nachhaltigkeitsleitfaden für Kölner Gastronomen und Gastronominnen veröffentlicht. Der „Green Gastro Guide“ gliedert sich in sieben Rubriken: Energie, Wasser, Smart Gastro, Essen & Trinken, Kommunikation und natürlich auch Müll und Take-away. Bewegung ist also in großen Teilen der Branche ohnehin schon in das Thema gekommen. Die neue Mehrweg-Pflicht dürfte die Dinge beschleunigen.

Welche zusätzlichen Pläne zur Plastikreduktion hat die EU-Kommission?

Die EU-Kommission hat noch mehr Pläne, um den Verpackungsmüll einzudämmen. So soll es bis spätestens 2030 keine Mini-Shampooflaschen mehr in Hotels geben. Getränke dürfen dann auch nicht mehr in Einwegbechern serviert werden, wenn Gäste vor Ort im Café oder Coffee-Shop bedient werden. Zudem müssen bis 2040 mindestens 80 Prozent der Becher wiederverwendbar sein. Ziel ist es, den Berg an Verpackungsmüll in Europa bis 2040 insgesamt um 15 Prozent zu verringern. Referenzwert ist die Menge an Verpackungsabfällen aus dem Jahr 2018. Um das zu erreichen, soll nach den Plänen der EU-Behörde ab 2030 nur noch recycelbares Verpackungsmaterial verwendet werden.

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