StilkolumneBin ich im Restaurant mit einer Unverträglichkeit ein Störenfried?

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Gastronomische Betriebe sind keine Ärzte und können folglich die Risiken von Allergien nicht einschätzen.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • In dieser Folge erklärt Vincent Moissonnier, warum die Zunahme von Allergien und Unverträglichkeiten auch die Gastronomie vor Probleme stellt.

Köln – Ihre Frage bringt mich in Verlegenheit. Wenn ich ehrlich antworte, verscherze ich es mir womöglich nicht nur mit Ihnen. Aber weil das Thema Unverträglichkeiten zu einem echten Problem nicht nur für die Betroffenen geworden ist, sage ich tatsächlich einmal offenen Herzens, was ich dazu denke.

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Vincent Moissonnier 

Als ich 1980 in Deutschland angefangen habe, gab es das Wort Allergene noch gar nicht. Zumindest nicht in der Gastronomie. Mir ist klar, dass unsere immer raffiniertere Zivilisation, Umwelteinflüsse, Ernährungsgewohnheiten und vieles mehr für viele Menschen zu einer echten Belastung geworden sind. Ich las unlängst, dass im Großraum Paris aus Klimagründen eine Zeit lang sehr viele Birken gepflanzt wurden. Erst später wurde man auf das Problem mit den Birkenpollen aufmerksam, die bei vielen Menschen Heuschnupfen verursachen. Es heißt, bis zu zehn Prozent der Einwohner von Paris hätten unterdessen damit Probleme. Das will ich alles gar nicht kleinreden. Aber mit der explodierenden Fülle von Allergien, Unverträglichkeiten und Intoleranzen haben auch gastronomische Betriebe gewaltig zu kämpfen.

„Wozu soll ich mir denn überhaupt noch ein Rezept ausdenken?"

Wir hatten bei uns vor geraumer Zeit den Fall, dass uns mit einer größeren Firmen-Reservierung folgender Beipackzettel zu Allergien und Unverträglichkeiten der zu erwartenden Gäste erreichte: Von den insgesamt zwölf Personen sind drei Vegetarier, zwei von ihnen essen vegan. Eine Person hat eine Knoblauch-Allergie. Drei Personen vertragen keinen Fisch und keine Krustentiere. Eine weitere Person ist allergisch gegen alle Sorten von Nüssen. Und schließlich gibt es eine Person mit Gluten-Intoleranz.

Ich frage Sie: Was soll die Küche da machen? Mein Küchenchef Eric Menchon müsste sagen: Ich werde wahnsinnig! Wozu soll ich mir denn überhaupt noch ein Rezept ausdenken?

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„Bei vegan und aufwärts gehen wir nicht mehr mit"

Diese Episode steht für einen Trend, mit dem wir tatsächlich sehr schwer umgehen können. Wir sind weder Ärzte noch Apotheker und können folglich die Risiken nicht einschätzen, die beim versehentlichen Genuss allergener Speisen entstehen. Also müssen wir jeweils betonen, dass wir die Verantwortung ablehnen. Wenn ich hier das Wort „Haftung“ in den Mund nehme, kommt das nicht von ungefähr.

Konsequenz bei uns im Restaurant: Was die Sonderwünsche betrifft, bieten wir vegetarische Gerichte an, aber bei vegan und aufwärts gehen wir nicht mehr mit. Für Unverträglichkeiten haben unsere Service-Kräfte einen Rotstift. Nur manchmal kann man anschließend vor lauter Rot auf dem Zettel die Bestellung nicht mehr lesen.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

„Ich glaube, wir brauchen im Restaurant-Betrieb Verständnis auf beiden Seiten"

Ein weiteres Phänomen mit Folgen sind die Diäten in Publikationen mit großer Reichweite. Kaum ist das neue Heft mit den jeweiligen Ernährungsempfehlungen auf dem Markt, kommen die entsprechenden Anfragen: „Ich lege Wert auf Möhren, aber nicht auf Kohlrabi und Petersilie.“ Manchmal habe ich den Eindruck, die Unverträglichkeiten richten sich nicht zuletzt nach den Tabus auf den jeweiligen Diätplänen.

Und ob wirklich jede „Zwiebel-Allergie“ eine echte Unverträglichkeit ist oder nicht doch nur die Sorge vor ein paar Blähungen, das lasse ich auch mal dahingestellt. Kurz und gut: Ich glaube, wir brauchen im Restaurant-Betrieb Verständnis auf beiden Seiten. Wir bemühen uns, den Gästen gerecht zu werden. Aber wir sind auch darauf angewiesen, dass die Gäste sagen: Tun Sie, was Sie können – und mit dem Rest komme ich klar.

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