Zu viele KleiderspendenAltkleidercontainer voll – Was Sie stattdessen tun sollten

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Viele Altkleider-Container sind überfüllt mit ausrangierten Kleidungsstücken.

Köln – Wer es im ersten Lockdown noch nicht getan hat, holt es in der tristeren und ungemütlicheren Version dieses Jahr nach: den Kleiderschrank ausmisten. Nach einem Jahr Pandemie steht fest: So viele Blusen und Hemden, wie darin hängen, braucht kein Mensch. Etwa 26 Kilo Kleidung besitzt jede und jeder hierzulande im Durchschnitt. Nur: Was passiert eigentlich mit den aussortierten Sachen? Das Deutsche Rote Kreuz in NRW bittet dringend um Zurückhaltung bei Kleiderspenden. Dort stapeln sich seit Monaten die Kleidersäcke, weil die Weitergabe kaum möglich ist.

Organisationen wie Greenpeace warnen ohnehin seit Jahren vor einem „Konsumkollaps“, verursacht durch „Fast Fashion“. Der scheint nun da zu sein: In den Lagern der Textilhändler lagen Anfang des Jahres eine halbe Milliarde unverkaufter Kleidungsstücke. Eine weitere halbe Milliarde „Frühjahrsware“ dürfte mittlerweile dazu gekommen sein. Macht eine Milliarde Kleidungsstücke für 82 Millionen Deutsche! Wohin mit dem ganzen Kram? Fragen und Antworten zu Klamotten, die keiner haben will.

Wie viele Kleidungsstücke sortieren wir jedes Jahr aus?

Etwa 1,3 Millionen Tonnen Alttextilien sammeln sich laut Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung jährlich in deutschen Containern an. In Köln kamen im vergangenen Jahr rund 4000 Tonnen in den über 500 Containern der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) zusammen. Das sei zwar mehr als im Vorjahr, aber nicht ungewöhnlich hoch, sagt Silke Sinesi von der Stadt Köln. Ähnliches beobachtet auch Thomas Ahlmann von Fairwertung, einem Zusammenschluss aller gemeinnützigen Sammler in Deutschland. Im letzten Frühjahr seien die Container alle gleichzeitig voll gewesen, im Verlauf des Jahres ist die Kurve abgeflacht. Generell steigt die Menge aussortierter Kleidung seit Jahren kontinuierlich an, weil die Menschen mehr kaufen und die Kleidung nicht mehr so lange hält. Statistisch kauft der deutsche Konsument oder die deutsche Konsumentin 60 Kleidungsstücke pro Jahr, trägt sie aber nur noch halb so lange wie vor 15 Jahren.

Was macht die Stadt Köln mit den vielen Altkleidern?

Nach einer ersten Vorsortierung, bei der zum Beispiel der Restmüll aus den Containern gefischt wird, verkauft die Stadt die Sachen an eine Sortieranlage. Der Gewinn fließt in die Abfallgebühren, sagt Silke Sinesi und kommt allen Kölnern zugute. Allerdings sinkt der erzielte Preis seit Jahren, weil die Qualität der Kleidung eben stetig schlechter wird. Stichwort: Fast Fashion! Viele Modemarken kopieren schnell und günstig teure Designerkleidung und fluten den Markt mit minderwertiger Ware aus synthetischen Materialen.

Was passiert anschließend mit den Kleidungsstücken?

Über die Hälfte der Sachen in einer Sortieranlage wird ins Ausland verschifft. „Über den internationalen Secondhand-Handel wird das kostenlose Entsorgungssystem finanziert“, erklärt der Altkleider-Experte Ahlmann. Rund ein Viertel wird in Deutschland recycelt, also zum Beispiel zu Dämmmaterial verarbeitet, und etwa ein Zehntel „thermisch verwertet“, sprich: verbrannt. Auf dem deutschen Second-Hand-Markt weitergegeben werden nur zwei Prozent der Waren. Die Wahrscheinlichkeit, mit einem abgelegten Pullover also tatsächlich einem Bedürftigen zu helfen, ist gering. Denn auch die ausländischen Märkte in Asien und Afrika sind zunehmend übersättigt und haben die Kleiderimporte teilweise schon verboten. Auch dort kaufen die Menschen lieber günstige Neu- statt Second-Hand-Ware.

Erste Städte haben angefangen, ihre Altkleidercontainer abzubauen. Droht das auch in Köln?

Dortmund und Hamburg haben damit begonnen. „In diesen Kommunen werden Altkleider hauptsächlich auf Wertstoffhöfen gesammelt, die Container sind dort nur ein zusätzliches Angebot“, erklärt Silke Sinesi. „In Köln haben wir diese Recyclingstruktur nicht.“ Deshalb halte die Stadt am Konzept der Container fest. Auch die extreme Verschmutzung der Container, über die viele private oder kommunale Altkleidersammler klagen, halte sich bei der AWB in Grenzen. „Dass die Menschen ihren Sperrmüll oder Schrott einfach neben einen Sammelbehälter stellen und denken, das nimmt schon jemand mit, beobachten wir schon. Das ist aber auch bei Altglas-Containern ein Problem.“

Was können wir als Verbraucher besser machen?

Da sind sich eigentlich alle Experten schon lange einig: Weniger Kleidungsstücke kaufen, dafür in bessere Qualität investieren und sie länger tragen. Eine kaputte Hose reparieren, Nicht-Gewolltes im Freundeskreis verschenken.

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Wer mit aussortierter Kleidung wirklich Bedürftige unterstützen möchte und die Teile nicht nur loswerden will, sollte vorher in der Kleiderkammer oder im Sozialkaufhaus anrufen und fragen, was gerade benötigt wird. Außerdem gilt laut Ahlmann von Fairwertung: „Es ist nur eine nützliche Spende, wenn die Kleidung wirklich gut erhalten ist.“

Was könnten die Unternehmen verbessern?

Textilriesen wie H&M, Zalando und Otto haben den Handel mit gebrauchter Kleidung als Geschäftsfeld entdeckt. Einerseits kann man bei H&M beispielsweise alte Kleidung zur Weiterverarbeitung spenden und bekommt einen Gutschein für Neuware. Andererseits investieren alle drei Konzerne in Online-Plattformen, auf denen gebrauchte Klamotten weiterverkauft werden. Zalando verkauft Gebrauchtes unter dem Namen „Pre-Owned“, die Otto-Tochter About You unter dem wohlklingenden Label „Second Love“.

Kölner Sammelstellen für Altkleider

Eine Übersicht aller AWB-Altkleidercontainer gibt es hier.

Das Deutsche Rote Kreuz sammelt in einem begehbaren Kleiderannahme-Container in der Oskar-Jäger-Straße 40 in Ehrenfeld Kleiderspenden. Weitere Anlaufenstellen finden sich auf der Homepage.

Allgemeine Übersichten zu Spendemöglichkeiten bieten www.wohindamit.org und  altkleiderspenden.de.

Am Grundproblem ändert diese Nachhaltigkeits-Offensive allerdings wenig: Für viele Kleidungsstücke ist ein langes Leben gar nicht vorgesehen. Die kommunalen und sozialen Altkleidersammler fordern, dass die Hersteller mehr Verantwortung für die Entsorgung der minderwertigen Waren übernehmen. Sie stellen sich ein System wie beim Verpackungsmüll vor. Dort sind die Kosten für die Entsorgung quasi beim Kaufpreis miteingerechnet. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass das System krankt“, sagt Ahlmann. „Kaum stockt der Absatz, gerät das ganze System ins Ungleichgewicht – das Tempo ist einfach zu hoch.“ Die neue Ware, die gerade niemand will, wird am Ende vernichtet, fürchtet Ahlmann.

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