Stunker aus dem Siebengebirge

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Das Ensemble der Stunk-Sitzung hat die Eigenarten des Traditionscorps auf seine Weise genauer unter die Lupe genommen. Und so ziehen die Bergklänge nahezu täglich im E-Werk in Köln-Mülheim auf die Bühne.

Das Ensemble der Stunk-Sitzung hat die Eigenarten des Traditionscorps auf seine Weise genauer unter die Lupe genommen. Und so ziehen die Bergklänge nahezu täglich im E-Werk in Köln-Mülheim auf die Bühne.

Bonn / Rhein-Sieg-Kreis - Das Tambourcorps Bergklänge aus Heisterbacherrott ist seit Jahrzehnten ein Aushängeschild des Siebengebirgskarnevals. Das haben viele Karnevalisten im Großraum Köln / Bonn erkannt. Jahrelang sicherte sich die Kölner Prinzengarde die musikalischen Qualitäten des traditionellen Musikzuges. Seit einigen Jahren begleiten die Musiker aus den sieben Bergen die Bonner Ehrengarde bei deren närrischen Aufzügen. Prompt wurden die Kölner neidisch, und schwupp sind die Bergklänge seit dieser Session wieder im kölschen Karneval präsent.

Allerdings nicht körperlich, sondern eher kabarettistisch. Das Ensemble der Stunk-Sitzung hat die Eigenarten des Traditionscorps auf seine Weise genauer unter die Lupe genommen. Und so ziehen die Bergklänge - gespielt von den Stunkern - nahezu täglich im E-Werk in Köln-Mülheim auf die Bühne. Allerdings ist die Inszenierung sicherlich nicht so richtig nach dem Brauchtums-Geschmack der Bergklänge: In der Parodie wird der alte Karnevals-Mief auf die Schippe genommen. Dicke Backen Musik, zerknitterte Uniformen, schräge Töne - die klassischen Klischees, die der alternative Karneval seit jeher gerne karrikiert.

Doch wie kommen die Stunker auf die Bergklänge. In der Hausband der Stunksitzung - niemand anders als die kölsche Kultband „Köbes Underground“ - spielen zwei ehemalige Bergklänge, die im Laufe ihrer musikalischen Karriere die Fronten gewechselt haben. Die „Trompeten“ Erhard Rau aus Oberkassel und Axel Deland aus Oberdollendorf trugen viele Jahre die blau-weiße Uniform der Heisterbacherrotter und kamen jetzt auf die Idee. „Parodien auf Traditionscorps kommen immer gut an. Und was lag für uns näher, als die Bergklänge darzustellen. Aber das hat nichts mit einer späten Rache oder einer Abrechnung zu tun“, erklärt Rau, „dieses Corps verkörpert den klassischen Musikzug halt ideal. Man will hip sein, ist aber das ganze Gegenteil.“

Unglaubliche Energie

Axel Deland ist sogar ein Bergklänge-Urgestein. 32 Jahre lang spielte er in Heisterbacherrott Trompete. Der 41-Jährige macht seit 1988 bei Köbes Underground mit. Rau, der schon zwei Jahre früher in Köln spielte, holte ihn in die Domstadt. „Es ist für uns ein großes Glück, dass wir in einer so tollen Truppe mitspielen dürfen“, weiß Rau. Die Kultband ist das ganze Jahr über bundesweit aktiv. „Der musikalische Anspruch ist zwar da, aber unser oberstes Ziel ist einfach, den Funken von uns auf das Publikum überspringen zu lassen. Wir können unglaubliche Energie entfachen“, erzählen Deland und Rau.

Ur-Stunker Reiner Rübhausen lebt nach wie vor in Heisterbacherrott. Der ehemalige Sitzungspräsident ist heute erfolgreicher Kabarett-Autor - natürlich auch für die Stunk-Sitzung. Seit der Session 1997 / 98 zählt Tom Simon zu den Stunkern. Der 1,96 Meter große Hüne lebt mit Frau und Kindern in Oberpleis. Vom Türsteher zum Komiker - so verlief seine Karriere. Steht er auf der Bühne, zeigt er sein zweites Gesicht. Seine Mimik ist urkomisch, sein Humor mitreißend. Wegen seines Gardemaßes fällt er im Alltag auf. Und dann kommt es schon mal beim Einkaufen in Oberpleis vor, dass die Kunden hinter den Regalen tuscheln: „Guck mal, den kenn ich doch von der Stunk-Sitzung.“ Simon weiß, dass die Stunker viele Fans im Siebengebirge haben: „Der ein oder andere kleine Karnevalsverein schreibt unsere Stücke schon mal um, und das erfahre ich hier und da schon mal. Wir werten das als Beweis für unsere Klasse." Simon ist von Beruf Schauspieler, tourt mit Theatern wie „N.N.“ durch die Lande und übernimmt kleinere Rollen im Fernsehen. Rau ist Musiklehrer und Deland Architekt.

Zwölf Stunden am Tag

Aber rund sechs Monate im Jahr sind sie Stunker - durch und durch. In der heißen Phase vor der Premiere üben sie die Stücke zwölf Stunden pro Tag. „Eigentlich gehen wir dann nur zum Schlafen nach Hause“, sagt Rau. Nach Weihnachten bis Karnevalsdienstag wird durchgehend gespielt - außer montags. In dieser Session treten die Stunker 48 Mal im E-Werk auf, und das immer vor vollem Haus. „Pro Spielzeit sehen uns rund rund 60 000 Menschen“, weiß Deland. (hol)

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