Kiel – Mit einem Touristenstopp und einschneidenden Maßnahmen ins Sozialleben der Einwohner will Schleswig-Holstein die Ausbreitung des Coronavirus möglichst eindämmen. Die Landesregierung beschloss am Sonntag, dass Schleswig-Holstein seine Inseln in Nord- und Ostsee sowie die Halligen in der Nordsee ab Montag 6.00 Uhr für Touristen abriegelt. Deutschland wird seine Grenze nach Dänemark - ebenfalls um 6.00 Uhr - schließen. Dänemark hatte seine Grenze zu Deutschland bereits am Samstag dicht gemacht. In Schleswig-Holstein sind ab Montag die Schulen und Kitas geschlossen.
Zu den vom Touristenstopp betroffenen Nordseeinseln gehören Sylt, Amrum und Föhr, die Halbinsel Nordstrand sowie die Halligen Hooge und Langeneß. In der Ostsee ist die beliebte Ferieninsel Fehmarn für Touristen bis auf weiteres gesperrt.
Nach einer Telefonkonferenz des Kabinetts appellierte Günther an mögliche Schleswig-Holstein-Urlauber, Reisen in den Norden zu unterlassen. Urlauber, die bereits auf einer der Inseln Quartier bezogen hätten, forderte Günther auf, den Heimweg anzutreten. Für den Montag kündigte der Regierungschef weitergehende Regelungen für den Tourismus in ganz Schleswig-Holstein an.
Von den Zugangsbeschränkungen ausgenommen sein sollen lediglich Menschen, die ihren ersten Wohnsitz auf einer der Inseln haben oder zur Arbeit dorthin müssen. Auch die Versorgung der Inseln mit Gütern des täglichen Bedarfs werde weiterhin sichergestellt.
Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) begründete die Maßnahme mit dem Ziel, die medizinische Versorgung auch in der aktuell kritischen Lage für die Inselbewohner sichern zu müssen. Für eine große Zahl Touristen seien die Kapazitäten der Intensivmedizin auf den Inseln nicht ausgelegt.
Die Polizei werde die Anordnungen durch verkehrsleitende Maßnahmen sicherstellen. Wer seinen ersten Wohnsitz auf einer der Inseln habe, dem empfahl Günther, möglichst zügig an seinen dortigen Heimatort zurückzukehren.
Die Einwohner Schleswig-Holsteins müssen jetzt mit drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens zurecht kommen. Am Samstag beschloss die Landesregierung einen entsprechenden Erlass. „Wir werden diese Krise mit deutlichen Einschnitten für viele Menschen bestehen”, sagte Günther nach der Sondersitzung seines Kabinetts. Dafür seien aber klare Vorgaben und die Eigenverantwortung aller Bürger notwendig. „Zusammenhalt stärken, Abstand wahren - das ist meine herzliche Bitte an alle Menschen in Schleswig-Holstein.”
Der Betrieb von Schulen, Kitas und Horten in Schleswig-Holstein wird ab Montag landesweit ausgesetzt. In Kitas und Schulen soll es aber eine beschränkte Alternativ-Betreuung der Kinder von Eltern geben, die in besonders kritischen Infrastrukturen arbeiten und keine andere Betreuung organisieren können. Von den Schließungen nicht betroffen ist die Kindertagespflege (bis fünf Kinder).
Das Bildungsministerium wies am Sonntag darauf hin, dass Lehrkräfte, die durch ihr Alter oder ihren Gesundheitszustand zu den besonders schutzbedürftigen Gruppen gehören, am Montag zu Hause bleiben sollen. „Alle anderen Lehrkräfte bitten wir, in die Schulen zu kommen, um eine Notfallbetreuung sicherzustellen und die kommenden Tage zu organisieren.” Alle eventuell noch geplanten Fortbildungsveranstaltungen oder Lehrerkonferenzen sind abgesagt.
Alle öffentlichen Veranstaltungen sind bis 19. April untersagt, die Regierung empfiehlt darüber hinaus den Verzicht auf private Veranstaltungen. Von dem Verbot sind Bars, Clubs, Diskotheken, Theater, Kino und Museen, Fitnessstudios, Schwimmbäder, Saunen und Angebote der Volkshochschulen, Musikschulen und andere öffentliche und private Bildungseinrichtungen betroffen. Gleiches gilt für Zusammenkünfte in Sportvereinen, Freizeiteinrichtungen und Spielhallen sowie das Prostitutionsgewerbe.
Für Besuche in Kliniken gelten strenge Regeln. Zugelassen ist nur ein Besucher pro Patient und Tag. Ausnahmen davon sind medizinisch oder ethisch-sozial angezeigte Besuche.
Restaurants müssen die Kontaktdaten ihrer Besucher registrieren. Dadurch sollen bei Infektionen Kontaktpersonen ermittelt werden können. Zwischen den Tischen muss ein Mindestabstand von zwei Metern sein. „Der Gesundheitsschutz steht jetzt an erster Stelle” sagte Garg. Gemeinsam könne es gelingen, das Virus zu bremsen.
Die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Menschen in Schleswig-Holstein stieg am Wochenende auf mindestens 70. Mehrere Kreise meldeten neue Fälle. Alle Lehrer und die rund 100 Schüler der Grundschule der Gemeinde Joldelund im Kreis Nordfriesland wurden vom Gesundheitsamt für zwei Wochen in häusliche Quarantäne geschickt. Eine Lehrkraft sei positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden, begründete der Kreis am Sonntag die Maßnahme.
Die NordArt, eine der größten Messen zeitgenössischer Kunst in Europa, wurde abgesagt. Die Veranstalter wollen die Messe, die jedes Jahr mehr als 100 000 Besucher hat, im nächsten Jahr in der Carlshütte in Büdelsdorf bei Rendsburg nachholen.
Die Regierung will mit ihren Maßnahmen den Kliniken Zeit verschaffen, um sich auf schwere Erkrankungen vorzubereiten. „Diese gesundheitliche Lage ist ein Jahrhundertereignis”, sagte Anke Lasserre, Sprecherin der Geschäftsführung der imland Kliniken. „Aus diesem Grund haben wir entschieden, unsere Standorte neu aufzustellen, um die allgemeine Notfallversorgung und die Behandlung der an Covid-19 erkrankten Patienten sicherzustellen.”
Die Klinik bündelt nun die Leistungen und das Personal. Das heißt, dass im stationären und ambulanten Bereich nur noch Notfälle und dringliche Patienten versorgt werden. Die Patienten, die innerhalb der nächsten drei Monate Termine in der imland Klinik haben, würden entsprechend persönlich informiert, hieß es. Die so freiwerdenden Kapazitäten im Intensivbereich werden für zu erwartende schwerstbetroffene Covid-19-Patienten vorgehalten. Für Covid-19-Patienten, die nicht intensivpflichtig sind, hält die Klinik eine Isolierstation am Standort Rendsburg bereit.
Für Reiserückkehrer aus Risikogebieten und allen laut Robert Koch-Institut besonders betroffenen Gebieten gelten Zutrittsverbote nicht mehr nur für Krankenhäuser oder Pflegeheime, sondern zu allen öffentlichen Einrichtungen. Für Rückkehrer aus allen alpinen Skigebieten empfiehlt die Regierung dies auch dringend.
Der Betrieb der Universitäten etwa in Flensburg und Kiel ist weitgehend eingestellt bis zum 19. April.
Ab Montag will die Landesregierung in täglichen Kabinettssitzungen ihr weiteres Vorgehen abstimmen - per Telefonkonferenz. (dpa/lno)