Könnte zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt führenExperte warnt vor „Corona-Abitur“

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Abitur

Wie die Abiturprüfungen 2021 unter Corona-Bedingungen ablaufen sollen, steht noch nicht fest.

Düsseldorf/ Köln – Bis zum 31. Januar wird aufgrund der Corona-Pandemie Distanzunterricht erteilt – wie aber werden im Homeschooling Leistungsnachweise erbracht?

Gar nicht. Bis zum Ende des Monats sind alle Prüfungen ausgesetzt; Ausnahmen gelten für die Abschlussklassen der Berufskollegs und die Qualifikationsphasen der gymnasialen Oberstufe, Q 1 und Q 2. Die Annahme, die hinter dieser Regelung steht, geht davon aus, dass der Leistungsnachweis für das erste Halbjahr abgeschlossen ist, das heißt, die Spanne des Präsenzunterrichts hat ausgereicht, um Noten vergeben zu können.

Dennoch sei die Leistungsbewertung in diesem Jahr besonders schwierig gewesen, sagt eine Kölner Gesamtschullehrerin, die anonym bleiben will: „Teilweise waren immer wieder ganze Jahrgänge, Klassen oder auch einzelne Schüler und Schülerinnen in Quarantäne. Es gab keine Planbarkeit, auch Klausuren sind ausgefallen.“ Insgesamt sei es einfach kein normales Schuljahr. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich die Schüler und Schülerinnen so bewerten kann, dass es fair wäre“, so wie die Leistung eben ohne die Pandemie ausgefallen wäre, befürchtet die Lehrerin.

Noch sei die Situation durch den neuerlichen Lockdown nicht dramatisch, sagt Andreas Bartsch, Präsident des Philologenverbands Nordrhein-Westfalen. „Dramatisch wird es erst, wenn sich die Situation fortsetzt.“ Achim Nöhles, Schulleiter der Grundschule am Lerchenweg in Monheim, teilt diese Auffassung für seine Schulform. Grundschüler haben allerdings das Recht, Schuljahre zu wiederholen, und gerade in einem Krisenjahr könnten die Eltern davon Gebrauch machen – in der Konsequenz führe das zu noch nicht absehbaren Platzproblemen im kommenden Schuljahr.

„Corona-Abitur“ wäre problematisch

Auch die Landesregierung ist der Auffassung, dass die Lernrückstände im ersten Halbjahr durch den Präsenzunterricht minimiert wurden. Die Abiturprüfungen sollen um einige Tage nach hinten verschoben werden, der Aufgabenpool soll eine Erweiterung erfahren, was bedeutet, dass die Schüler und Schülerinnen eine größere Auswahl bei den Aufgaben haben. Schulministerin Yvonne Gebauer wendet sich grundsätzlich gegen die Forderung der Opposition, das Abitur 2021 einfacher als in normalen Jahren zu gestalten. Für ein entschlacktes Abitur spricht sich etwa der Fraktionsführer der SPD im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, aus.

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Auch der Philologenverband ist gegen ein abgespecktes Abitur. „Das darf man jungen Menschen nicht antun“, sagt Andreas Bartsch. Ein „Corona-Abitur“ schmälere die Chancen bei der weiteren Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt. Diese Gefahr sieht auch die Kölner Gesamtschullehrerin: „Ich sehe darin durchaus ein Problem für die Schüler und Schülerinnen, wenn sie sich später bewerben, da ihr Zeugnis dann tatsächlich ein besonderes Zeugnis wäre. Ich kann mir vorstellen, dass es anders gewertet würde.“ Sie hätte es aber gut gefunden, wenn die Lehrer und Lehrerinnen in diesem Jahr die Abiturprüfungen selbst gestellt hätten, anstelle der zentral durch das Land vorgegebenen Aufgaben. Schließlich wüssten die Lehrkräfte am besten, welche Themen an ihrer Schule besonders durch die Unterrichtsausfälle gelitten hätten. Bartsch dagegen ist für ein Landeszentralabitur mit erweiterter Aufgabenpalette. An der Erarbeitung weiterer Themen arbeitet gerade die „Qualitäts- und Unterstützungs-Agentur – Landesinstitut für Schule“ (QUA-LiS NRW).

Forderung nach neuen Konzepten für den Unterricht

Bartsch fordert auch im Hinblick auf sämtliche Schulprüfungen Planungssicherheit über den 1. Februar hinaus. „Wer nach dem Prinzip Hoffnung handelt, ist ein unerfahrener Optimist“. Digitalunterricht sei gegenüber der Anwesenheit in der Schule nur eine halbherzige Lösung. Deshalb spricht sich der Philologenverband für eine vorgezogene Impfung von Lehrern aus sowie für eine FFP2-Maskenpflicht für Schüler und Luftfilter in den Klassen- und Kurszimmern. Ähnlich wie beim Digitalpakt fordert Bartsch eine Stärkung der Bildungsfinanzierung mit Engagement des Bundes.

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Die Kölner Lehrerin ergänzt, sie verstehe nicht, warum der Unterricht seit Beginn der Pandemie aus Sicht der Landesregierung stets entweder in voller Präsenz oder in voller Distanz stattfinden müsse. Wechselmodelle seien nicht nur sinnvoller und für die Schüler und Schülerinnen besser, sondern könnten auch für mehr Planbarkeit sorgen.

Machbar seien solche Modelle für die Schulen, das Problem sei vielmehr, dass die Landesregierung den Schulen selbst entwickelte Konzepte nicht gestatte. „Die Schulen werden einfach überhaupt nicht gefragt, was für sie machbar und umsetzbar ist, wie sie Wechselmodelle gestalten könnten.“ Stattdessen heiße es aus dem Bildungsministerium, das gehe nicht, obwohl die Schulen selber sagten, dass es möglich sei oder zum Teil längst selbstständige Lösungen entwickelt hätten, kritisiert die Lehrerin.

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