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DachzeltnomadenEhrenamtler dürfen ihr Camp in Bad Münstereifel behalten

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Dennis Brandt (l.) und Thilo Vogel, die beiden Geschäftsführer der Dachzeltnomaden gGmbH, sind nach 263 Hilfeeinsatztagen mit dem bisher Erreichten zufrieden. 

Bad Münstereifel-Rupperath – Bis auf Weiteres soll die ehrenamtliche Hochwasserhilfsorganisation Dachzeltnomaden gGmbH (DZN) ihr Camp auf dem ehemaligen Sportplatz oberhalb von Rupperath behalten können. Das teilte jetzt ein Vertreter der Stadt Bad Münstereifel auf einer Zwischenbilanzpressekonferenz der Organisation mit.

Berthold Malburg, Sachgebietsleiter bei der Stadt Bad Münstereifel, erhielt im Catering- und Versammlungszelt der Hilfsorganisation Dachzeltnomaden bei der Zwischenbilanzpressekonferenz stehenden Applaus der Gäste. Er hatte gerade eine frohe Botschaft verkündet, nach der es die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer wie das Organisationsteam der Dachzeltnomaden einfach nicht mehr auf den Stühlen hielt.

Mietvertrag ursprünglich befristet

Eigentlich ist der Mietvertrag zwischen Helferorganisation und Stadt für das „Camp 2.0“ – Steuerzentrum, Materiallager und Treffpunkt der Helfer und Helferinnen in den rheinland-pfälzischen und nordrhein-westfälischen Hochwassergebieten, die von hier aus zu ihren Einsatzorten per Shuttlebus gebracht werden – nur bis zum 30. Juni befristet. Doch seit gestern kann es länger bestehen bleiben: „Wenn die Gremien der Stadt wie der Stadtrat dem zustimmen – von unserer Seite aus haben wir nichts dagegen“, so Malburg.

Es war eine von mehreren guten Nachrichten, die die beiden Geschäftsführer der Dachzeltnomaden auf der Pressekonferenz strahlend entgegennahmen.

800.000 Euro private Spenden

Dazu verkündeten Dennis Brandt und Thilo Vogel beeindruckende Zahlen: Seit Ende Juli 2021 wurden an die 100.000 Einsatzstunden von etwa 3000 Helferinnen und Helfern abgeleistet. Die Freiwilligen, die aus ganz Deutschland nach Rupperath anreisen, um sich hier für ihren Hilfseinsatz an Ahr, Erft oder Urft einteilen zu lassen, waren bislang in 52 Orten, jeweils zur Hälfte an der Mittelahr in Rheinland-Pfalz und im Kreis Euskirchen sowie im Rhein-Erft-Kreis im Einsatz. 227 Haushalte wurden bisher unterstützt. 800.000 Euro private Spenden kamen zusammen, darunter 153.000 Euro aus der „Aktion Deutschland hilft“.

Doch die beiden DZN-Geschäftsführer sehen noch lange nicht das Ende der nötigen Hilfeleistungen erreicht. „Die Not liegt jetzt hinter der Fassade. Nach wie vor wird vor allen Dingen Manpower benötigt. Egal welcher Art, wir finden für jeden und jede, die oder der den Hochwassergeschädigten helfen will, eine Arbeit“, so Dennis Brandt. Etwa auch bei der Beantragung von Hilfegeldern, im Umgang mit Versicherungen oder Sachverständigen und bei der Hilfe nach Traumatisierungen, unter denen Hochwasseropfer leiden. Thilo Vogel nannte es die nötige „Nachkrisenhilfe“.

Die Anfänge der Nomaden

Er und Brandt blickten zunächst zurück auf die Anfänge der Idee ihrer Hilfsorganisation, als „wir mit einer Spendenaktion bei einem Dachzeltnomadenevent den Hochwasseropfern einfach helfen wollten“. Man habe damals zuerst in den nordrhein-westfälischen Hochwassergebieten mit angepackt, doch als man zum ersten Mal das „Chaos“ an der Mittelahr gesehen habe, sei klar gewesen, dass dies der Schwerpunkt der Hilfseinsätze sein musste: „Hier war es schlimmer als nach dem Krieg, das haben uns betroffene Anwohner immer wieder gesagt“, so Thilo Vogel.

In Rupperath fanden sie in der alten Schule die erste Zentrale für ihr Projekt, hier, wo Lisa Kuhles und ein Team aus dem Dorf schon einen Tag nach der Flut, am 16. Juli, eine Notküche und ein Materiallager für Helfende und Betroffene eingerichtet hatten. Von Rupperath ist der Weg hinunter an die Ahr nach Schuld und Insul nicht weit. Ende Juli waren hier die ersten Dachzeltnomaden um Brandt und Vogel willkommen. Kuhles ist bis heute die gute Seele im Küchenteam der Hilfsorganisation.

Zwei Monate später gründeten die beiden dann die gGmbH. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich schon mehrere hundert Freiwillige, die die Hilfeaufrufe in den sozialen Netzwerken und der Community der DZN gesehen hatten, eingefunden. So ist es bis heute geblieben, wenn auch die Zahl der Freiwilligen, die einfach anpacken wollen, im Vergleich zu den ersten Monaten nach der Hochwasserkatastrophe nachgelassen habe, so Dennis Brandt.

Fester Standort

Er und Thilo Vogel wie viele andere Dachzeltnomaden haben für ihr Projekt mittlerweile die Idee des ortsungebundenen Lebens, unterwegs sein mit ihrem Camper oder dem Klappzelt auf dem Wagendach, bis auf Weiteres aufgegeben. „Man kann hier was tun. Das ‚Wir‘ zählt“, fasste es Thilo Vogel unter dem Beifall des Publikums zusammen. Und es sei klar, „dass wir hier noch lange nicht mit der Hilfe fertig sind“.

Vogel und Brandt glauben sogar, dass sie ihr Hilfskonzept – spontan, flexibel, spendenfinanziert, ein Camp als Basis – auch andernorts umsetzen können: „Vergleichbare Krisengebiete gibt es viele, auch in Deutschland, auch im Ausland“, so Thilo Vogel. Ein Testlauf soll ab dem 30. September anderswo in Deutschland starten. Näheres wurde nicht bekannt. Einen Einsatz in der Ukraine aber halten die beiden Geschäftsführer nicht nur, weil er zu gefährlich sei, für problematisch: „Wir arbeiten nach und nicht in der Krise“, so Vogel.

Finanzielle Hilfe gewünscht

Um die Hilfe auch weiter für die Hochwasseropfer leisten zu können, sind die Dachzeltnomaden für jede finanzielle Unterstützung dankbar, denn alleine „rund 70.000 Euro im Monat kostet die Unterhaltung des Camps“, so Dennis Brandt.

An diesen Rück- und Ausblick schloss sich eine Fragestunde an, in der Inga Laurinat aus Euskirchen-Stotzheim, eine Helferin der Dachzeltnomaden, die Gelegenheit nutzte, sich ihrerseits beim DZN-Team zu bedanken: „Danke, dass man hier einfach helfen kann. Danke, dass hier jeder willkommen ist!“

Und dann ergriff André Bender vom Paritätischen Wohlfahrtsverband „Die Paritätische“ Rheinland-Pfalz das Wort. Der Verband unterstützte die Dachzeltnomaden von Anfang an mit Fahrzeugen und anderem mehr. „Ich kann hier versichern, dass es mindestens bis Ende 2023 Spendengelder vom ‚Aktionsbündnis Deutschland hilft!‘ für Ihre Arbeit geben wird!“

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Das war der Schlusspunkt einer denkwürdigen Veranstaltung und der vorläufigen Geschichte, wie sieben Dachzeltnomaden, die es eigentlich nirgendwo lange hält, zu Helfern in der Not wurden und eine der größten privaten Hilfsorganisationen für die Opfer des Julihochwassers 2021 gründeten.

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