MittelalterVerschollenes Bruderschaftsbuch aus Bad Münstereifel wieder aufgetaucht

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Auf der ersten Seite des Buchs ist von Brüdern und Schwestern als Mitgliedern die Rede.

Auf der ersten Seite des Buchs ist von Brüdern und Schwestern als Mitgliedern die Rede.

  • Über viele Jahrzehnte blieb das Bruderschaftsbuch der Wollweber verschwunden. Seine Spur verlor sich in den 1960er-Jahren.
  • Dem Zufall ist es zu verdanken, dass dieses historische Dokument nun wieder „aufgetaucht“ ist. Lesen Sie hier, wie es zu der Wiederentdeckung kam.

Bad Münstereifel – Die Webstühle ratterten unentwegt, es herrschte ein geschäftiges Treiben, und der Handel mit Stoffen florierte. Der Ort Münstereifel erlebte an der Schwelle zur Neuzeit eine ungeahnte Blüte. Etwa ein Drittel der Bevölkerung soll zur damaligen Zeit dem Handwerk der Wollweberei nachgegangen sein. Dieses Gewerbe sicherte den Münstereifelern über Jahrhunderte ein gutes Auskommen. Noch heute zeugen Exponate der Zunft wie die Fahne und das Siegel von dieser Zeit. Sie sind im Hürten-Heimatmuseum zu sehen.

Verschwunden blieb allerdings über viele Jahrzehnte das Bruderschaftsbuch der Wollweber. Seine Spur verlor sich in den 1960er-Jahren. Dem Zufall ist es zu verdanken, dass dieses historische Dokument nun wieder verfügbar ist. Allerdings: Wirklich weg war es eigentlich nie. Es war im Rahmen seiner Digitalisierung nach 1963 fälschlicherweise als wertvolle Handschrift der Benediktinerabtei Groß St. Martin in Köln zugeordnet worden. Bemerkt hat dies der pensionierte Lehrer Dieter Graf, der das Bad Münstereifeler Pfarrarchiv betreut.

In der Kölner Diözesan- und Dombibliothek konnte Dieter Graf (l.) ein Faksimile des Bruderschaftsbuchs von 1429 aus den Händen von Bernd Schäfers (M.) und Dr. Harald Horst (r.) entgegennehmen.

In der Kölner Diözesan- und Dombibliothek konnte Dieter Graf (l.) ein Faksimile des Bruderschaftsbuchs von 1429 aus den Händen von Bernd Schäfers (M.) und Dr. Harald Horst (r.) entgegennehmen.

Doch der Reihe nach: Die Geschichte der Handschrift begann im Jahr 1429. Damals wurde das Buch von den „Weber Knappen“, die sich zu Beginn des 15. Jahrhunderts zu einer Bruderschaft zusammengeschlossen hatten, angelegt, und zwar „zum Nutzen der Bruderschaft Marien, unserer lieben Frau in Münstereifel“, wie es in der Handschrift heißt.

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Nur wenige Mitglieder haben unterschrieben

Das Bruderschaftsbuch stellt eine namentliche Auflistung aller Brüder und Schwestern der Zunft dar – „ein jeder mit dem Namen aufgeführt, den er sich gegeben hat“, wie Dieter Graf es ausdrückt. Zum Teil tauchen Mitglieder einer Familie unter fünf verschiedenen Nachnamen auf, wie der ehemalige Leiter der Hauptschulen in Bad Münstereifel und Mutscheid herausgefunden hat.

Unterschrieben haben in der Anfangszeit die wenigsten Mitglieder der Zunft. Einfach deshalb, weil sie des Schreibens nicht mächtig waren. Stattdessen haben sie ihre alten Hausmarken neben ihren Namenseintrag gemalt. Noch heute sind diese Marken zum Teil auf Holzbalken alter Münstereifeler Fachwerkhäuser erhalten.

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Wie Dieter Graf weiß, war einer der Gründe für den Beitritt zur Bruderschaft die Bewahrung des Andenkens über den Tod hinaus. Es sei den Zunft-Mitgliedern wichtig gewesen, dass nach ihrem Tod für sie gebetet und regelmäßige Gottesdienste gehalten wurden, erzählte der 73-Jährige. Selbst um Beerdigungen hätte sich die Bruderschaft gekümmert. Weit über 400 Jahre lang wurden die Mitglieder der Wollweber-Zunft im Bruderschaftsbuch verzeichnet. Erst am 20. Dezember 1896 übergab das letzte Mitglied das Buch der Pfarrbibliothek in Münstereifel.

Im Jahr 1940 lieh der damalige Pfarrer von Münstereifel, Dechant Nicolaus Mertens, die Handschrift seinem Konfrater Nikola Reinartz, dem Pfarrer von Kreuzweingarten, für dessen heimatgeschichtliche Forschungen. In Kreuzweingarten arbeitete auch Münstereifels Stadtarchivar Toni Hürten mit dem Buch und entnahm ihm die Abbildungen der alten Hausmarken, die er erst viel später, im Jahr 1975, veröffentlichte.

Buch sollte vor dem Krieg gerettet werden

Um das historische Dokument vor dem Bombardement im Zweiten Weltkrieg in Sicherheit zu bringen, übergab Reinartz es schließlich an Prälat Paul Heusgen, den damaligen Leiter der Diözesanbibliothek. Als Heusgen 1963 stirbt – Mertens und Reinartz sind zu diesem Zeitpunkt bereits tot –, wurde das Buch kirchlicherseits als Eigentum der Bibliothek betrachtet. Laut Graf gab es zu diesem Zeitpunkt aber noch zwei Personen, die von der Existenz des Münstereifeler Bruderschaftsbuchs wussten: Everhard Hendrichs, der zwischenzeitlich verstorben ist, und Joseph Matthias Ohlerth.

Im Jahr 2010 stieß Dieter Graf bei Internetrecherchen auf das Digitalisat und erkannte in ihm das angeblich im Krieg verschollene Buch der Münstereifeler Liebfrauenbruderschaft. Für ihn, den engagierten Regionalhistoriker, ist völlig unverständlich, dass niemandem bei der Digitalisierung die wirkliche Herkunft aufgefallen ist. „Im Buch befinden sich nämlich etliche Briefe, unter anderem ein Schreiben der Münstereifeler Junggesellen-Bruderschaft, das ebenfalls erfasst wurde. Da hätte man doch schalten müssen“, wundert sich Graf. Bei der Digitalisierung seien aber wohl keine historisch geschulten Personen am Werk gewesen, vermutet der ehemalige Schulleiter.

Da das historische Dokument zu wertvoll ist, um es ins Bad Münstereifeler Archiv zu legen, schloss die Pfarrei St. Chrysanthus und Daria mit dem Erzbistum Köln einen Vertrag ab. Danach ist das Buch nun eine Dauerleihgabe an die Kölner Diözesan- und Dombibliothek. „Zu einem besonderen Fest oder Jubiläum kann die Pfarrgemeinde aber jederzeit das Original in die Eifel holen“, berichtete Graf.

Dauerhaft verbleibt allerdings ein Faksimile des Bruderschaftsbuchs im Pfarrarchiv. Dieter Graf nahm es vor kurzem von Dr. Harald Horst, dem Leiter der Handschriftenabteilung der Dombibliothek, und Restaurator Bernd Schäfers entgegen.

Zeichen des Wohlstands

Im Stadtkern von Bad Münstereifel gibt es heute noch eine ganze Reihe von Gebäuden, die an die blühende Zeit der Wollweberei erinnern. So etwa das im 14. Jahrhundert in der heutigen Marktstraße errichtete Gewandhaus, das den Mittelpunkt des Wollwebergewerbes im Ort darstellte. Laut Detlef Stender, Leiter des Industriemuseums in Kuchenheim und Experte in Sachen Tuchindustrie, soll in der offenen Halle eine Waage gestanden haben. Dort sollen die Tuche gewogen, geprüft und auch verkauft worden sein. Das einstige Gewandhaus bildet den rechten Teil des späteren Rathauses.

An den Wohlstand im Ort erinnert aber auch eine Reihe von stattlichen und reich verzierten Gebäuden. Laut Stender hatten sie alle „geräumige Erdgeschosse, die als Verkaufsräume dienten, sowie überkragende Dachgeschosse zum Ein- und Ausbringen von Ware“.

Das Windeckhaus in der heutigen Orchheimer Straße ist eines dieser repräsentativen Gebäude, das noch erhalten ist. Die Häuser dienten den Wollwebern nicht nur als Wohnhaus, sondern auch als Arbeitsstätte.

Das Secktürmchen am Markt ist ein weiteres Relikt aus der Zeit der Tuchmacherei. Dort wurde der Urin der Bürger gesammelt, der zum Waschen der Wolle und zum Walken des Tuchs verwendet wurde. 

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