Schon vor dem Eklat am erzbischöflichen Bildungscampus Köln-Kalk um Regenbogen-Symbole gab es massiven Druck auf Schulmitarbeiter.
„Provokative Kleidung“Erzbistum Köln setzt Mitarbeitende wegen Regenbogen-Farben unter Druck

Ein Kapuzenpullover in Regenbogenfarben, getragen von einer Lehrkraft des erzbischöflichen Kardinal-Frings-Gymnasiums in Bonn-Beuel bei einer Schulfeier mit Kardinal Rainer Woelki, führte zu einer Vorladung zum Dienstgespräch in der Schulabteilung des Erzbistums.
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Regenbogen-Symbole – hier unerwünscht! Ging es beim jüngsten Ukas von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) in Berlin nur um die Frage, ob die Flagge der queeren Community häufiger als einmal im Jahr über dem Reichstagsgebäude wehen dürfe (durfte sie nicht), sollte das bunte Farbenspiel im Reich von Kardinal Rainer Woelki bei der Einweihung des Bildungscampus Köln-Kalk ganz und gar unsichtbar sein. Schriftlich forderte die Schulleitung Lehrkräfte und Mitarbeitende auf, im Gottesdienst mit Woelki und dem anschließenden Festakt keine „provokative Kleidung“ zu tragen, die sich gegen den Arbeitgeber wende oder eine persönliche Botschaft vermitteln solle. Damit klar würde, welches böse Textil so etwas leisten könnte, war als Beispiel eine Krawatte in den Regenbogenfarben genannt.
Einen Tag nach dem Event und dem Eklat, bei dem zornige Eltern dann doch jede Menge Regenbögen in die Schule schmuggelten und eine Seelsorgerin, beim Sticker-Verteilen erwischt, der Schule verwiesen wurde, bemüht sich das Erzbistum um Deeskalation. Die Frage, ob die Schulabteilung in Sachen Regenbogen präventiv tätig geworden sei, blieb unbeantwortet. Stattdessen gab ein Sprecher dem Bedauern Ausdruck, wenn der Eindruck entstanden sei, dass am Bildungscampus in Kalk nicht alle willkommen seien. Das neue Schulprojekt stehe „in besonderer Weise für Chancengerechtigkeit, Teilhabe und Vielfalt in jeder Hinsicht“. Der Sprecher unterstrich auch, niemand dürfe „wegen seiner sexuellen Orientierung oder seiner geschlechtlichen Identität diskriminiert, ausgegrenzt oder abgewertet werden“. Auch dafür stünden die erzbischöflichen Schulen.
Das empfindliche Regenbogenreizauge des Kardinals
Ob das zu jeder Zeit und für jedermann erkennbar aus dem Verhalten der Bistumsverantwortlichen spricht, darf allerdings mit Recht bezweifelt werden. Was in Kalk zur Unterdrückung eines vermeintlich anstößigen Symbols passiert ist, war jedenfalls keine Einzelaktion, bloßer Ängstlichkeit oder vorauseilendem Gehorsam entsprungen, mit dem Ziel, das empfindliche Regenbogenreizauge des Kardinals zu schonen.
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Kardinal Woelki bei der Einweihung des Bildungscampus in Köln Kalk - ohne Regenbogenflagge natürlich.
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Vielmehr gab es mindestens einen Präzedenzfall: Ein Lehrer am Kardinal-Frings-Gymnasium in Bonn-Beuel, der zur 60-Jahre-Feier Mitte Dezember 2024 in Woelkis Beisein einen Kapuzenpulli im Regenbogen-Design trug, wurde Wochen später vom Bereichsleiter für die katholischen Schulen im Erzbistum, Thomas Kamphausen, einbestellt. Es sollte – betont vage – um das „amtsangemessene Verhalten“ des Lehrers, um seine Rolle an einer erzbischöflichen Schule und „Fragen der Loyalität zum Erzbistum Köln als Dienstgeber“ gehen.
Anwalt: Nie eine vergleichbare Situation erlebt
Dass sein bunter Hoodie der Anlass war, ahnte der Mann zwar, erfuhr es aber erst im Termin, in dem Kamphausen ihn umstandslos mit einer Drohkulisse konfrontierte: Er wolle ja offensichtlich den kirchlichen Schuldienst quittieren, und man wolle nun mit ihm klären, wie das Bistum ihm dabei „behilflich sein“ könne. An dem Dienstgespräch im Maternushaus nahm auch der Kölner Rechtsanwalt in Ruhe Gerhard Hilburg teil. Als Begleiter des Lehrers bestätigt er auf Anfrage dessen Angaben zu Form und Inhalt. Er habe in seiner langjährigen Laufbahn als Anwalt keine vergleichbare Situation erlebt, sagt Hilburg.
Kamphausen warf dem Lehrer vor, der Schule erheblichen Schaden zugefügt, ihr Ansehen herabgesetzt zu haben. Die öffentliche Provokation habe der Lehrer noch verstärkt, indem er nach dem Festakt auf der Bühne beim Abbau half und so für alle gut sichtbar gewesen sei. Er habe sich profilieren wollen. Mit den Konsequenzen müsse er leben.
Regenbogen-Symbolik als kirchenpolitische Demonstration?
Die Einwände des Lehrers, der Regenbogen sei für ihn kein Zeichen gegen Kardinal Woelki, das Erzbistum oder die katholische Kirche, sondern stehe für Toleranz, Menschlichkeit, die Werte der Schulgemeinschaft – und es sei nicht zuletzt ein urbiblisches Symbol, wischte Kamphausen vom Tisch, sprach von kirchenpolitischer Demonstration und einer Provokation. An diese Diktion habe er sich sofort erinnert gefühlt, als er jetzt vom Schreiben der Schulleitung am Bildungscampus Kalk las, sagt der Lehrer im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Ein Arbeiter hängt nach der Entscheidung im Bundestag über die Ehe für alle vor der Kulisse des Doms und der Kirche Groß St. Martin (r.) eine Regenbogenfahne in Köln auf. (Archivbild)
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Hätte er den Pullover auch in der Messe getragen, säße man jetzt nicht freundlich hier, sondern „unfreundlich woanders“, setzte Kamphausen das Gespräch damals fort, was der Lehrer als weitere Drohgebärde wertete – gefolgt von der Ansage, man werde ihn angesichts jeglichen Mangels an Problembewusstsein „im Auge behalten“. Das Erzbistum teilte auf Anfrage mit, man äußere sich zu Personalangelegenheiten grundsätzlich nicht.
Regenbogenflaggen hängen auch an vielen Kirchen
„Ich hatte und habe tatsächlich kein Problem mit dem Regenbogenpulli, den ich auch nach dem Gespräch getragen habe“, erzählt der Mann. „Ich sehe darin nichts Falsches, und ich verstehe nicht, wie das Bistum aus einem so positiv besetzten Symbol so viel negativen Druck auf Mitarbeitende ableiten kann.“
Zum besseren Verständnis dieser seltsamen Volte mag die Erinnerung an das Jahr 2021 beitragen. In bewusster Übertretung eines Verbots aus dem Vatikan luden Geistliche bundesweit zu Segensfeiern für homosexuelle Paare ein, unter dem Motto „Liebe gewinnt“ und – natürlich – im Zeichen des Regenbogens. Aus Protest gegen die Haltung Roms hissten viele Gemeinden die Regenbogenflagge an ihren Kirchen.
Vermaledeites Stück Stoff sorgte auch schon an Kölner Schulen für Ärger
Zeitweilig wehte sie auch an der erzbischöflichen Ursulinenschule in Köln, was schon damals zu einer Intervention der Schulabteilung führte. An der Liebfrauenschule in Lindenthal, ebenfalls in Trägerschaft des Erzbistums, brach hektische Betriebsamkeit bis hinauf zur Bistumsspitze aus, bis das vermaledeite Stück Stoff wieder verschwunden war.
Ein Jahr danach gingen queere Menschen im Kirchendienst mit der Initiative „Out in Church“ an die Öffentlichkeit und prangerten Diskriminierungen durch die Lehre und Praxis der katholischen Kirche an.
Für Woelki, der die Linie des Vatikans verteidigte und Segensfeiern für Homosexuelle nicht zulassen wollte, wurde der Regenbogen so zum Ausdruck einer Konfrontation, die sich in seinen Augen auch gegen ihn und seine ohnehin umstrittene Amtsführung richtete. 2023 mahnte sein Generalvikar den Pfarrer von Mettmann, Herbert Ullmann, ab, weil er Segensfeiern erlaubt hatte. Die Strafaktion für zivilen Ungehorsam aus seelsorgerlicher Verantwortung – so Ullmanns Sicht – löste eine eigene Welle der Empörung aus.
Das dürfte erklären, warum der Kardinal und die ihm Ergebenen in jedem Regenbogen vor allem eine Farbe sehen: Rot.