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100 Ideen für Köln„Köln braucht einen Drogenpräventionsfonds“

4 min
Am Durchgang vom Haubrich-Hof zur Lungengasse setzt sich ein Drogenabhängiger einen Schuss.

Am Durchgang vom Haubrich-Hof zur Lungengasse setzt sich ein Drogenabhängiger einen Schuss. 

Ulrich Frischknecht ist Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie an der Katholischen Hochschule NRW in Köln. Wie er dem Drogen-Problem begegnen würde.

Was ist meine Idee für Köln?

Mit einem Kölner Drogenpräventionsfonds könnten bestehende Suchthilfeangebote in der Stadt ausgebaut werden, statt Geld für wenig effektive Feigenblatt-Aktionen auszugeben.

Warum wäre das gut für Köln?

Alles zum Thema Erzbistum Köln

Legale Suchtmittel – Alkohol, Nikotin, Cannabis, Glücksspiel, Online-Gaming oder andere – sind aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Gehen Sie mal bewusst durch Köln, und halten Sie jedes Mal an, wenn Sie das nächste Produktlabel oder Werbeschild für Suchtmittel sehen. Sie werden kaum vorankommen. Aber was, wenn man Hilfe wegen dieser Suchtmittel benötigt? Verdrängen? Langsam in einer Suchtspirale absteigen? Warten, bis man auf dem Neumarkt angekommen ist?

Suchtmittel stimulieren unser Belohnungszentrum, besser: unsere Schaltstelle im Gehirn für „et hät noch immer jot jejange“. Suchtmittel führen zur Ausschüttung von Dopamin, das uns auf angenehme Ereignisse einstellt. Doch dadurch entfaltet sie auch ihr Schadenspotenzial. Sie verursachen eine Art Zwang, immer mehr zu konsumieren. Für Produzenten, Händler, Verkäufer ein Traum. Für direkt und indirekt Betroffene oft das Gegenteil. Laut Deutschem Krebsforschungszentrum gehen jährlich 120.000 Todesfälle in Deutschland auf Nikotinkonsum zurück, 40.000 auf Alkohol.

Auch Cannabis und Glücksspiel – mit deutlich erhöhten Suizidraten bei Konsumierenden – sind längst nicht so harmlos, wie wir glauben gemacht werden. Die deutsche Volkswirtschaft muss allein für Personal- und Produktionsausfälle, die auf Alkohol oder Nikotin zurückzuführen sind, mehrere Milliarden Euro pro Jahr aufbringen. Hinzu kommen weitere Milliarden an Belastungen für die Krankenkassen durch Behandlungskosten für durch Suchtmittel verursachte Krebs- oder Herzerkrankungen.

Ulrich Frischknecht schlägt einen Drogenpräventionsfonds für Köln vor.

Ulrich Frischknecht schlägt einen Drogenpräventionsfonds für Köln vor.

Auch das Thema Gewalt und Übergriffe ist in höchstem Maß mit Suchtmitteln assoziiert. Eine aktuelle Schweizer Hellfeldstudie zeigt, dass bei häuslicher Gewalt in 50 Prozent der Fälle Alkohol im Spiel war. Im Dunkelfeld dürfte das wegen der häufig genutzten Entschuldigung „er war halt besoffen“ noch höher liegen. Ganz zu schweigen von der hoch vulnerablen, durch Traumatisierung und biologisch-psychosoziale Multiproblemlagen geplagten Minderheit verelendender Menschen mit schwerer Drogenabhängigkeit, die dringend der Hilfe bedürften.

Alles, was auf diesem breiten Feld zu Verbesserungen führt, wäre gut für Köln. Die Stadt hält einiges an Angeboten bereit. Aber von allem zu wenig! Keine dieser Stellen wird sagen können: „Wir haben nicht genug zu tun.“ Keine wird sagen: „Wir haben genug Finanzmittel, um unsere Fachkräfte für Schulungen freizustellen, noch mehr für die Bekanntheit unserer Angebote zu machen.“ Keine wird sagen: „Es gibt keinen Bedarf für Verbesserungen“ – seien es neue, evidenzbasierte Hilfe-Strategien wie Housing-First, Drug-Checking oder Harm-Reduction-Ansätze.

In der harten Realität ist nicht einmal mal genug Zeit da, sich untereinander sinnvoll zu vernetzen. Aber wie soll es auch besser gehen? Alles ist teurer geworden, die Suchthilfe wurde zusammengespart – trotz zunehmender Probleme; trotz der wachsenden Verbreitung neuer Drogen, gegen die nur scheinbar effizient vorgegangen wird; trotz drängender psychischer und sozialer Probleme, die Drogenkonsum in vulnerablen Gruppen wahrscheinlicher machen.

Dieser Zustand steht Köln überhaupt nicht! Köln ist weltoffen, diversitätsoffen, seit jeher – auch im christlichen Sinne – mit der Unterstützung der Schwachen betraut. Mit der Verelendung in der Stadt ist es wie mit einer feuchten Wand im Keller: Sie ist der sichtbare Teil eines Pilzgeflechts, das durch eine viel zu nasse Wand entstanden ist und genährt wird. Wer jedoch nur diese Stelle behandelt, darf sich nicht wundern, wenn das Mauerwerk weiter erodiert.

Wie könnte die Umsetzung gelingen?

Die traditions- und erfolgreichen Kölner Unternehmen in den Bereichen Lebensmittelhandel, Versicherungswesen, Internet und so weiter könnten in einer medienwirksamen, imagefördernden Initiative einen Drogenpräventionsfonds einrichten. In diesen sollten sie den Anteil ihres Profits einbringen, den sie durch Versicherung, Handel, Vermietung und Umsatz mit direkten Suchtmitteln erwirtschaften. Mit Geld aus diesem Fonds könnten in Köln Suchtprävention, -forschung und -hilfe gefördert werden. Die beteiligten Unternehmen träten damit als ökologisch, sozial und nachhaltig in Erscheinung. Beim „Deutschen Suchtkongress“ an der TH Köln vor einem Jahr haben sich namhafte Branchenvertreter für diese Idee aufgeschlossen gezeigt.

Was braucht es dafür?

Der Fonds könnte unter dem Dach einer Stiftung angesiedelt werden, geleitet von einem Rat, der evidenzbasiert und unabhängig die Gelder vergibt. Ein Beispiel hat es auf europäischer Ebene bereits einmal gegeben: In der „European Foundation For Alcohol Research“ wurden Gelder aus der Brauereiwirtschaft über einen unabhängigen Wissenschaftsrat in die Alkoholforschung eingespeist. Leider kam das Projekt 2022 zum Erliegen.

Die Stadt Köln könnte ein Label entwickeln, das alle am Fonds Beteiligten führen dürfen – auch als Signal an begehrte Nachwuchsfachkräfte, die gerne für ein entsprechend engagiertes Unternehmen tätig sein wollen. Als Professor der Katholischen Hochschule NRW wünsche ich mir natürlich, dass das Erzbistum Köln, welches durch Vermietung und Verpachtung indirekt von Suchtmittelproduzenten und -händlern profitiert, mit gutem Beispiel vorangeht.


Zur Person

Ulrich Frischknecht, geboren 1981, ist seit 2008 am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim tätig. Seit 2020 ist er Professor für Sucht und Persönlichkeitspsychologie am Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung an der Katholischen Hochschule (katho) NRW in Köln. 2024 verantwortete er den Deutschen Suchtkongress an der TH Köln. Wissenschaftlich beschäftigt er sich mit den Systemen, in denen Suchtprobleme entstehen und behandelt werden.