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World Soccer FestaWie Peter Siebert aus Tondorf mit 71 Jahren plötzlich Nationalspieler wurde

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Peter Siebert trägt das Deutschland-Trikot und hält einen goldenen Fußball in den Händen.

Ein Fußball-Nationalspieler aus Tondorf: Peter Siebert.

Der Tondorfer Peter Siebert ist mit 71 Jahren Fußballnationalspieler geworden und nimmt an der inoffiziellen Ü70-WM in Tokio teil.

„Alte Liebe rostet nicht“ besagt ein bekanntes Sprichwort. Bei Peter Siebert geht es noch weiter. Denn bei ihm strahlt die Begeisterung für seinen Sport so blank poliert wie vielleicht noch nie. Der Tondorfer ist aktuell in Japan, wo er bei der inoffiziellen Ü70-Fußballweltmeisterschaft (offizieller Name: World Soccer Festa 70Plus) teilnimmt und im Dress der deutschen Nationalmannschaft auflaufen wird. Vom 1. bis 3. Oktober messen sich Mannschaften aus vier Kontinenten in den drei Altersklassen Ü70, Ü75 und Ü80, um ihre jeweiligen Sieger auszuspielen.

„Ich bin stolz, dass ich unser Land bei dieser Weltmeisterschaft vertreten darf“, sagt Siebert, der im vorgerückten Alter unvermutet noch zum Nationalspieler wird. So richtig mit Flagge und Nationalhymne werde das sein, unterstützt vom DFB, der auch für die richtigen Trikots gesorgt hat. Dabei habe der Verband eigentlich für diese Altersklassen gar keine Strukturen vorgesehen. „Der DFB hört offiziell mit der Ü50 auf“, sagt Siebert. Auch im Kreis Euskirchen sei das Angebot für ihn mit seinen 71 Jahren recht dünn gesät. Deshalb fahre er auch einmal in der Woche zum Training der Auswahl des Fußballkreises Bonn.

Beim Testspiel gegen England hat sich Peter Siebert empfohlen

Und nun nach Japan. Für Siebert unglaublich: „Da sitzt man immer auf dem Sofa und hört die Nationalhymne“, sagt er. Er habe nie gedacht, dass er einmal selbst auf dem Feld stehen würde, wenn die zu hören sei. Denn er sei auch nie in den höheren Ligen aktiv gewesen. Früher habe er Kreis- und Bezirksliga gespielt, sei allerdings nie bezahlt worden. „Immer nur für Gottes Lohn“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Die Fußballer, die im Seniorenalter noch aktiv seien, würden sich kennen. „In dem Alter gibt es immer weniger“, sagt Siebert. Im Frühjahr sei er auf die Weltmeisterschaft aufmerksam geworden, da ein Kollege, der in der Kreisauswahl im Bergischen Land aktiv sei, darüber berichtet habe. Dann habe er sich beworben und sei nach Auswahlspielen und Sichtungen auch eingeladen worden. Im Mai habe er bei einem Testspiel im niedersächsischen Jeddeloh gegen England auf dem Platz gestanden, das 2:2 ausgegangen sei.

Fast ohne Stars: Ein Zweitligaspieler aus Paderborn ist dabei

Stars und große Namen sind in der Mannschaft allerdings nicht aktiv. „Die Traditionselfs der Bundesligavereine wollen immer Geld“, weiß Siebert. Doch die Ü70-Nationalmannschaft habe keinen Topf und keinen Sponsor. „Deshalb spielen bei uns Leute aus dem Spektrum Kreisliga bis Regionalliga.“ Einzige Ausnahme ist ein Mitspieler, der für den SC Paderborn in der 2. Liga aufgelaufen ist. Es gebe allerdings auch gegnerische Teams, die einen Sponsor haben. Und in der englischen Elf, gegen die es im Mai ging, hätten vier Spieler gestanden, die einmal in der Premier League aktiv waren.

Das offizielle Mannschaftsfoto der Ü70-Fußball-Nationalmannschaft.

In Tokio angekommen: die deutsche Ü70-Nationalelf.

Seit 2017 gibt es die inoffizielle Senioren-Weltmeisterschaft, für die sich immer mehr Mannschaften interessieren. Seit 2022 ist auch Deutschland vertreten. Nach den vier Mannschaften, die im ersten Jahr gegeneinander antraten, war das Feld im vergangenen Jahr, als die Weltmeisterschaft in Wales stattfand, bereits auf 26 Mannschaften angewachsen. Dabei wurden die deutschen Vertreter in der Altersklasse Ü70 Siebte und die Ü75 mit dem Adler auf der Brust gewann Bronze.

In diesem Jahr sind Mannschaften aus Japan, Australien, Taiwan, England, Wales und den USA mit dabei. Zwölf Mannschaften treten im Wettbewerb der Ü70 an, zehn bei Ü75 und bei den über Achtzigjährigen, die in diesem Jahr zum ersten Mal ebenfalls einen Wettbewerb austragen, sind es noch vier Mannschaften, darunter ein internationales Team aus den USA, Australien, Deutschland und Japan.

Das gesamte Turnier ist nach drei Tagen schon wieder vorbei

Auf die 22 Spieler in den jeweiligen Kadern kommt eine anstrengende Zeit zu. Denn das gesamte Turnier wird in nur drei Tagen gespielt werden. Eine K.o.-Phase gibt es nicht, die Gruppenphase wird in zwei Tagen absolviert, mit zwei Spielen täglich. Zweimal 30 Minuten werden die Partien dauern, eine wird am Vormittag gespielt, die andere am Nachmittag. Am dritten Tag stehen die Finalspiele und die Begegnungen um den dritten Platz auf dem Programm.

Am Donnerstag sind die 22 deutschen Spieler losgeflogen, erst nach Singapur, um dann nach Tokio umzusteigen. Ein Testspiel steht für die Alten Herren noch auf dem Programm, dann wird es ernst. Siebert selbst hofft auf einen Platz in der Startelf. „Ich spiele Mittelfeld, entweder Sechser oder klassischer Zehner“, sagt er. Doch er habe auch einen starken Zug zum Tor, und es gebe in seiner Altersklasse nicht mehr viele Stürmer. „Die kommen lieber von hinten und stellen sich nicht gerne vorne rein“, verrät er.

Peter Siebert ist die Signalwirkung des Turniers wichtig

Denn da könne es erfahrungsgemäß schon einmal wild zugehen. Bei dem Testspiel gegen England aber sei es nicht übermäßig hart gewesen, berichtet er. „Aber das war ja ein Freundschaftsspiel. Wir wollen mal sehen, wie das wird, wenn es um etwas geht“, sagt er.

Wichtig sei ihm aber vor allem die Signalwirkung, die von einem derartigen Projekt ausgehen könne. Denn es gebe bundesweit keine einheitlichen Strukturen. „Als unser Torwart beim Verband in Baden-Württemberg nach einer Mannschaft ab 70 Jahren nachfragte, wurde ihm Walking Football nahegelegt“, berichtet er. Solche Strukturen für Senioren müssten aufgebaut werden.

Vielleicht klappt es dann ja auch irgendwann mit einem Sponsor. Denn den Flug nach Japan zahlen die Sportler selbst. Der DFB habe sie allerdings mit Trikots ausgestattet, sagt Siebert. Auch würden Trainer und ein Physiotherapeut mitkommen. „Der DFB guckt sich das an, und wenn wir liefern, kann auch mehr daraus werden“, sagt Siebert geheimnisvoll. Denn es gebe Überlegungen, dass der Deutsche Fußballbund 2027 als Veranstalter auftreten könnte. Doch im nächsten Jahr gehe es erst einmal nach Australien.