Freispruch in EuskirchenGewalt-Vorwürfe gegen Ehemann zu widersprüchlich

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Amtsgericht Euskirchen

Das Amtsgericht Euskirchen

Euskirchen – Es begann wie in einer romantischen Geschichte: Tarek P. lernte Sarah M. (Namen geändert) 2018 in Paris kennen und verliebte sich unsterblich in sie. Die beiden, die aus Tunesien stammen, wurden ein Paar. Mittlerweile jedoch ist ihre Beziehung zerbrochen. In Euskirchen trafen sie sich jetzt vor Gericht – er als Angeklagter, sie als Zeugin.

Nach der Hochzeit in der gemeinsamen Heimat hatte P., der seit 18 Jahren in der Bundesrepublik lebt und in der Zwischenzeit eingebürgert worden ist, alles daran gesetzt, seine Ehefrau nach Deutschland zu holen. Und das, obwohl sie aus medizinischen Gründen keinen Geschlechtsverkehr haben durfte. So schilderte es Viktor Dick, der Verteidiger des wegen Körperverletzung angeklagten Weilerswisters. Kaum war die Frau, die in Frankreich als Studentin einen Master-Abschluss erworben hatte, bei ihrem Gatten, begannen die Schwierigkeiten, wie der Anwalt ausführte: „Sie wurde immer abweisender, er wollte sie trotzdem behalten.“

Termin bei der Ausländerbehörde endet in Körperverletzung

Am 31. Oktober 2019 hatte das Paar einen Termin bei der Ausländerbehörde. Wie es in der Anklageschrift hieß, sprach Sarah M., die zu diesem Zeitpunkt des Deutschen kaum mächtig war, mit dem Sachbearbeiter Französisch und Englisch. Dies habe ihren Mann, der die Unterredung nicht verfolgen konnte, offenbar so verärgert, dass es im Auto zu einer Auseinandersetzung gekommen sei.

P., heute 44, habe seine zehn Jahre jüngere Gattin an den Haaren gepackt und ihren Kopf mehrfach gegen die Fensterscheibe der Beifahrertür geschlagen. „Du bist eine schlechte Frau“, habe er zu ihr gesagt, erklärte sie vor Gericht.

Ehefrau kommt im Frauenhaus unter

Am 30. November gab es erneut Streit. Nach einem Einkauf wollten die beiden seinen Bruder in Haan besuchen. „Er forderte mich auf, unsere Taschen zu tragen. Ich weigerte mich und sagte, ich würde seinem Bruder erzählen, wie schlecht er mich als seine Ehefrau behandelt.“

Als sie im Begriff gewesen sei, an der Haustür zu klingeln, habe er ihren Arm weggerissen und an den Schultern gepackt, sodass sie gestürzt sei. Als sie aufstehen wollte, habe er sie getreten. Auch habe er sie am Unterkiefer gepackt und sie so im Gesicht verletzt.

Laut Staatsanwaltschaft erlitt sie multiple Prellungen und einen „Trommelfelldefekt“. Anschließend verließ die Tunesierin ihren Ehemann. In ihrer Not habe sie sich zunächst an das Deutsche Rote Kreuz gewandt, später sei sie in einem Frauenhaus untergekommen. Die Ehe steht vor der Scheidung.

Angeklagter dementiert die Gewalt-Vorwürfe

Tarek P. wies die Vorwürfe von sich. Seine Frau und er hätten zwar miteinander gestritten, beim Besuch des Bruders etwa habe sie ihn einen Verlierer genannt. Es sei aber nie zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen. Schon als sie noch in Frankreich lebte, habe er alles für sie getan.

Auf seiner Arbeitsstelle habe er Überstunden gemacht und seiner Chefin „die Füße geküsst, damit sie mir freigab, sodass ich alle zehn Tage nach Paris fahren konnte“. Er wisse nicht, wie sie behaupten könne, er habe sie schlecht behandelt. „Wir hatten keinen Sex, trotzdem habe ich sie geheiratet. Warum? Weil ich sie liebte.“

Widersprüche der Zeugin führen zum Freispruch

Während also Aussage gegen Aussage stand, hatte Amtsrichterin Stephanie Diel Differenzen ausgemacht zwischen der Zeugenaussage vor Gericht und den Angaben, die Sarah M. nach dem Vorfall in Haan bei der Polizei zu Protokoll gegeben hatte. „Damals haben Sie das Geschehen anders geschildert“, hielt sie ihr vor. Demnach habe ihr Mann sie am Unterkiefer gepackt, sie geschubst, an den Haaren gezogen und ihr eine derart heftige Ohrfeige verpasst, dass sie gestürzt sei. Von einer Ohrfeige war vor Gericht keine Rede. „Und warum haben Sie der Polizei, anders als jetzt, nicht gesagt, dass sie getreten wurden?“, griff Verteidiger Dick eine weitere Ungereimtheit auf. Das habe sie, erwiderte die Zeugin. Vielleicht habe der Übersetzer die Informationen nicht weitergegeben. „Ich halte die Aussage komplett für unglaubhaft“, sagte Dick.

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Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft formulierte es so: „Die Zeugin widerspricht sich.“ Der Angeklagte sei deshalb freizusprechen. Diesem Antrag, den auch die Verteidigung stellte, schloss sich Richterin Diel an. Es sei nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit nachzuweisen, dass Tarek P. die ihm zur Last gelegten Taten begangen habe.

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