StrukturreformDie größten Veränderungen stehen für Kirchengemeinden in der Eifel noch aus

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Dieter Benning und Paul-Joachim Schmülling stehen im Inneren der Kirche St. Anna in Hellenthal.

Das Konzept für einen Förderverein für die Kirche St. Anna in Hellenthal stellten Dieter Benning (l.) und Paul-Joachim Schmülling vor.

Die Strukturreform im Bistum Aachen bringt tiefgreifende Veränderungen für die Kirchengemeinden. Hellenthal bereitet eine Vereinsgründung vor.

Auch wenn noch vieles ungeregelt erscheint – eins steht bei dem Umstrukturierungsprogramm der katholischen Kirche im Bistum Aachen bereits fest: So, wie es jetzt ist, wird es nicht bleiben. „Heute bei Dir“ heißt der Prozess, den Bischof Helmut Dieser bereits 2017 in seiner Silvesterpredigt angestoßen hat.

Viele Gespräche und Sitzungen hat es seitdem gegeben, Fragen zur Geschlechtergerechtigkeit wurden genauso erörtert wie zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Doch die fundamentalste aller Umwälzungen in Folge des Prozesses ist der Strukturwandel der Kirche im Bistum Aachen. Und der wird alle bisherigen Kirchengemeinden betreffen. Um für die Zukunft gewappnet zu sein, wird sich beispielsweise im Februar in Hellenthal ein Förderverein für die Kirche St. Anna gründen.

Entfernungen stellen in der Eifel ein Problem dar

Für die Gottesdienstbesucher, die in der Eifel sonntags in eine Kirche gehen, mag sich auf den ersten Blick bei der Umstrukturierung der kirchlichen Strukturen gar nicht so viel ändern. Außer vielleicht der Tatsache, dass schlimmstenfalls in der gewohnten Kirche gar kein Gottesdienst mehr stattfindet. Doch diese Erfahrung ist angesichts des immer knapper werdenden kirchlichen Personals auch nicht so wirklich neu für die Gläubigen in der Region.

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Seit Jahresbeginn sollten offiziell die neuen Pastoralen Räume bereits ihre Arbeit aufnehmen. Davon ist bislang allerdings noch nicht sehr viel zu merken. Grundsätzlich hatten alle Gemeinschaften der Gemeinden (GdG) in der Eifel sich dafür ausgesprochen, dass der zukünftige Pastorale Raum den Grenzen der bisherigen GdG entsprechen soll.

Das entspricht zwar nicht der erklärten Vorgabe des Bistums, dass die Zahl der Gläubigen pro Pastoralem Raum in den ländlichen Regionen nicht weniger als 15.000 liegen sollte. Doch angesichts der Distanzen, die bei der Zusammenlegung von GdG zu einem Pastoralen Raum in der Eifel ohnehin zurückgelegt werden müssen, wurde diese Grenze unterschritten. „Der Bischof hat dem erklärten Wunsch der GdG in der Eifel zugestimmt“, sagt Alice Toporowsky, Promoter für den „Heute bei Dir“-Prozess in der GdG Steinfeld.

Zahl der Kirchengemeinden soll in Schleiden und Hellenthal reduziert werden

Aber die deutlich größere Baustelle kommt noch. Denn anstelle der 16 Kirchengemeinden, wie es sie bisher zum Beispiel in der GdG Schleiden-Hellenthal gibt, soll es in Zukunft nur noch maximal drei geben. „Der Kirchenvorstand in Hellenthal hat sich für zwei neue Kirchengemeinden ausgesprochen“, erklärt Paul-Joachim Schmülling, Mitglied des Pfarreirates St. Anna. „Die könnten dann zum Beispiel St. Hellenthal und St. Schleiden heißen“, sagt er scherzhaft. Fraglich, ob die Namen überhaupt das größte zu lösende Problem darstellen werden. Bei dieser Fusion wird nämlich auch die Verwaltung der Finanzen der bisherigen Kirchengemeinden auf die dann größer gewordene Gemeinde übertragen.

Die meisten gehören, wie wir auch, der Generation Ü60 an, die sehen die Veränderung zumeist als Verlust.
Dieter Benning, Kirchenvorstand

Für Schmülling und Dieter Benning, Mitglied des Hellenthaler Kirchenvorstands, ist die Reform unvermeidlich. „Starre Strukturen, wie sie die Kirche bisher hatte, sind nicht mehr gefragt“, sagt Benning. Die bislang letzte große Reform sei vor 60 Jahren gewesen, doch diesmal habe die Kirche angesichts der sinkenden Kirchensteuer-Einnahmen deutlich schlechtere Voraussetzungen.

„In der alten Form geht das nicht mehr“, betont er. Dafür gebe es weder genug Hauptamtliche noch genug Ehrenamtler, die sich für die verschiedenen Posten zur Verfügung stellen. „Die meisten gehören, wie wir auch, der Generation Ü60 an, die sehen die Veränderung zumeist als Verlust“, sagt er. Wichtig sei aber, dass die Veränderungen auch als Chance gesehen werden.

Wie das kirchliche Leben in Zukunft aussieht, ist noch völlig offen

Der Prozess werde weitergehen, da sind sich beide sicher. Doch wohin? Praktische Dinge gebe es da, die Sorgen bereiteten, äußert Schmülling und verweist auf Kleinigkeiten, die alle zu regeln sind. Wer wird in Zukunft die Mülltonnen rausbringen, wer Streusalz bestellen, die Zähler ablesen – kurz: die vielen alltäglichen Arbeiten erledigen, wenn die Nähe der Kirche zu ihren Gotteshäusern zu weichen scheint. Dieser Gedanke treibt die Beteiligten um. „Wir dürfen niemanden, der jetzt engagiert ist, verärgern“, sagt Benning. Bereits im letzten Jahr habe es Probleme gegeben, genug Kandidaten zur Wahl des Kirchenvorstands zu finden.

Noch ist die Umstrukturierung im Gange, eine Vielzahl von Problemen wird diskutiert und erst kurzfristig entschieden. Vieles ist noch komplett ungeklärt, etwa, was die spätere Verteilung der Mittel innerhalb einer Kirchengemeinde angeht. Was wird dann aus den Gebäuden und dem kirchlichen Leben an den einzelnen Orten? „Es ist in Zukunft wichtig, die gesamte Gemeinde im Blick haben, auch wenn in einem Kirchenvorstand zum Beispiel Delegierte aus Hellenthal oder Losheim sind“, so Schmülling. „Wir müssen weg vom Kirchturmdenken“, ergänzt Benning.

Doch trotzdem sollen die Geschicke der heimischen Kirche vor Ort nicht vernachlässigt werden. Um ein zusätzliches Finanzierungsinstrument zu haben, wird sich am Dienstag, 20. Februar, 19 Uhr, im Gemeindehaus in Hellenthal ein Förderverein für St. Anna gründen. Der solle ähnlich arbeiten wie der Förderverein einer Schule, erläutert Benning. Nicht die Finanzierung des Gebäudes sollte damit sichergestellt sein, sondern der Verein solle dann einspringen, wenn für ein Vorhaben das Geld nicht reiche. „Wir wollen keine Gebäude übernehmen, sondern das kirchliche Leben in Hellenthal fördern.“

In Hellenthal ist ein Förderverein für die Kirche geplant

Vorbild ist dabei der Kirchbauverein, der sich einst für den Neubau der Hellenthaler Kirche gegründet hatte, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war. „Ich bin damals noch als Messdiener herumgegangen und habe Spenden gesammelt“, erinnert sich Schmülling. Aus Mitteln des bis heute bestehenden Vereins sei zum Beispiel auch die Sanierung des Kirchenvorplatzes in Hellenthal bezahlt worden. Was sich noch auf den Konten des Kirchbauvereins befinde, solle auf den neuen Förderverein übertragen werden.

Auch andere kirchliche Vereine und Gruppierungen wie Pfadfinder, Frauengemeinschaft, Besuchsdienst oder Kirchenchor sollten sich in dem neuen Verein wiederfinden. Der ehemalige GdG-Leiter Philipp Cuck habe das Vorhaben begrüßt, berichtet Benning. Mit seinem Nachfolger Thomas Schlütter solle dazu ihm Rahmen seines Einführungsgottesdienstes in der Kirchengemeinde Hellenthal am 20. Januar das Gespräch gesucht werden, kündigt Schmülling an. „Wir hoffen auf eine gute Kooperation“, so Benning.


Neue Rahmen sollen geschaffen werden

Die Struktur der katholischen Kirche im Rheinland ist vor allem deshalb kompliziert, da sie einen geistlichen Teil und einen rechtlichen Rahmen enthält.

Bisher war die Pfarrei, die den seelsorgerischen Bereich benennt, deckungsgleich mit der Kirchengemeinde, die als juristische Person die Verwaltung der Finanzen zur Aufgabe hatte. Auf dem Gebiet einer Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) waren die Kirchenvorstände der verschiedenen Gemeinden in einem Kirchengemeindeverband zusammengeschlossen.

In den nächsten Monaten werden sich im Zuge des Umstrukturierungsprozesses alle Kirchengemeinden auflösen und sich zu einem größeren Zusammenschluss vereinigen müssen. Damit werden auch die jeweiligen Kirchenvorstände fusionieren und ein größeres Gebiet verantworten. Zum Beispiel in Steinfeld und Schleiden sind die Diskussionen über die konkrete Ausgestaltung bisher noch nicht abgeschlossen.

Die einzelnen Kirchen werden in Zukunft „Orte von Kirche“ sein. Das kann nach der Definition des Bistums auch ein Kindergarten sein, Kapellen kommen genauso infrage – gemeint ist einfach jeder Platz, an dem kirchliches Leben stattfindet.

Für diese Orte könnten sich Gruppen oder Vereine bilden und so die weitere Existenz der einzelnen Gebäude und Einrichtungen sicherstellen, erläuterte Thomas Aymanns vom Bistum Aachen bei einem Termin in Steinfeld.  

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