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Letzter Tag bleibt unvergesslichMehr als 200 Glehner verabschiedeten ihre Postbotin

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Christel Kastl steht links und hält einen Blumenstrauß und einen kleinen Ballon mit der Aufschrift „Danke“ in den Händen. Um sie herum stehen zahlreiche Menschen.

Sichtlich gerührt und überrascht reagierte die im Ort beliebte Zustellerin Christel Kastl auf die Verabschiedung.

Nach 27 Jahren als Briefzustellerin in Glehn geht Christel Kastl in den Ruhestand. Zum Abschied gab es einen Gutschein und ein Glas mit Bargeld.

Das war eine große Überraschung für Christel Kastl. Eigentlich wollte sie an diesem Samstag, so, wie sie es seit vielen Jahren gewohnt ist, zum letzten Mal ihre Runde als Briefzustellerin in Glehn absolvieren, doch plötzlich war alles ganz anders. Denn die Menschen, die sie über Jahre mit Briefen und Paketen versorgt hatte, wollten ihre Postbotin nicht so einfach in die Rente gehen lassen und hatten sich hinter ihrem Rücken eine Überraschung überlegt. So stand Kastl unvermutet auf dem Glehner Dorfanger vor mehr als 200 Menschen, die sie feierten und hochleben ließen.

Ausgedacht und organisiert hatten sich das „Komplott“, das hinter Kastls Rücken geschmiedet worden war, Ortsvorsteher Karl-Heinz Seeliger und Alexandra Milfeit, eine Kollegin der Zustellerin. Sie hatte den Ortsvorsteher von Glehn kontaktiert und auf den bevorstehenden letzten Arbeitstag der Kollegin aufmerksam gemacht. Mit einer Nachricht in der Glehner Whatsapp-Gruppe und Mitteilungen in den Briefkästen wurden die Anwohner über den Abschied und die Aktion informiert. Die Reaktion war überwältigend. „Das Telefon hat nicht mehr stillgestanden, es ging von morgens bis abends“, sagte Seeliger.

Die Postbotin steht links, vor ihr eine Schlange von Menschen, die sich bedanken wollen.

Mehr als 200 Gäste hatten sich spontan versammelt, um Christel Kastl in den Ruhestand zu verabschieden.

Dass ihr letzter Arbeitstag anders verlaufen würde als gewohnt, wurde Kastl erst klar, als sie am Samstagvormittag plötzlich von ihrer Kollegin Michelle Abrecht auf der Mitte ihrer gewohnten Tour abgelöst wurde. Dann kamen ihr Mann und ihre Töchter Julia Frings und Carina Oepen, die in die Aktion eingeweiht waren, um sie nach Glehn zu fahren. Erst als Kastl realisierte, wohin die Reise ging, habe sie etwas geahnt, berichtete Frings.

27 Jahre in einem Postbezirk gearbeitet

Überrascht und mit Tränen der Rührung stand Kastl schließlich vor all den Menschen, denen sie fast drei Jahrzehnte lang die Post gebracht hatte. „31 Jahre war ich bei der Post, 27 Jahre in diesem Bezirk“, sagte sie. So viel Anerkennung zu bekommen, sei ein Wahnsinn. „Das war wie eine Familie“, sagte sie über das Verhältnis zu den Glehnern. Und sie hätte auch gern noch weitergemacht, gestand sie. „Die Pakete sind mir zu schwer geworden, sonst hätte ich das getan“, sagte sie.

Oft habe sie bei den Nachbarn geklingelt, wenn sie Pakete nicht hätte abliefern können oder sogar zur Not angerufen, erinnerte sich Andrea Seeliger an die Zustellerin. „Und sie hat immer die Hunde im Ort mit Leckerchen versorgt“, ergänzte Karl-Heinz Seeliger. „Sie hatte immer Zeit für ein Gespräch, auch wenn es kurz und schnell war“, sagte Elke Mey über ihre scheidende Postbotin.

Viel Herzlichkeit habe sie gehabt, fügte Gerlinde Heinzen hinzu. Doch auf die anderen Zusteller wollten die beiden nichts kommen lassen. „Es gibt jetzt so viele, aber die sind alle nett“, so Mey, und Heinzen stimmte zu: „Die machen das aus Leidenschaft“.

Und so stimmten die mehr als 200 Menschen, die sich zum Abschied versammelt hatten, ein „Hoch soll sie leben“ für ihre scheidende Postbotin an. Jeder der Anwesenden hatte einen kleinen Geldbetrag gespendet, so dass Seeliger einen Restaurantgutschein und ein Glas mit Bargeld an Kastl übergeben konnte. Und während der Musikverein Glehn ein Ständchen anstimmte, übergaben noch viele der Anwohner persönlich ein Abschiedsgeschenk, so dass Kastl schließlich mit Armen voller Präsente ihr ganz persönliches Abschiedsfest genießen konnte.