Nein in 16 SprachenRote Bänke machen in Euskirchen auf Gewalt an Frauen aufmerksam

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Aufmerksamkeit schaffen für das Thema „Gewalt an Frauen“ sollen die roten Bänke, die jetzt vor dem Kreishaus stehen.

Aufmerksamkeit schaffen für das Thema „Gewalt an Frauen“ sollen die roten Bänke, die jetzt vor dem Kreishaus stehen.

Kreis Euskirchen – „Freiheit ist der Schlüssel zum Leben und der Schlüssel zur Freiheit ist Mut“, steht in schwarzen Lettern auf der einen knallroten Bank. Die andere ist verziert mit dem Wort „Nein“, und zwar in 16 verschiedenen Sprachen. Direkt vor dem Eingang des Kreishauses stehen die augenfälligen Sitzgelegenheiten, die nur in zweiter Linie zur Rast einladen. In erster Linie sind sie ein Mahnmal, eine Erinnerung daran, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen überall in der Gesellschaft stattfindet, auch im Kreis Euskirchen. Und das niemand wegschauen darf.

„Die Idee stammt aus Italien“, erzählte Astrid Günther bei der Vorstellung der Bänke am Dienstag. Sie sollen deutlich machen, dass Gewalt an Frauen ein Thema sei, das aus der Tabuzone heraus in die Öffentlichkeit gehöre. Die rote Farbe verweise auf das Blut betroffener Frauen, das vergossen wurde. Günther: „Häusliche Gewalt findet teilweise subtil, häufig aber auch sehr brutal statt.“

Die Bänke bleiben stehen und mahnen jeden Tag

Gestaltet wurden die Bänke von Frauen und Kindern, die im Schutzhaus des Vereins „Frauen helfen Frauen“ leben. Dieser Prozess wurde filmisch begleitet, ein QR-Code zu dem Kurzfilm wird in Kürze an einer der Bänke angebracht. Bis dahin kann man sich die Dokumentation, in der Frauen und Kinder ihren Gefühlen und Gedanken eindrucksvoll Ausdruck geben, auf der Seite des Kreises (Unterpunkt Gleichstellung) ansehen.

Spürbar mehr Gewalt an Frauen

Auch im Kreis Euskirchen gehört Gewalt in Familien zum traurigen Alltag: Jährlich suchen mehr als 100 Frauen bei der Frauenberatungsstelle Hilfe, weil sie von häuslicher Gewalt betroffen sind. Mitbetroffen von Gewalt in der Familie sind stets auch die Kinder. Darüber hinaus finden jedes Jahr rund 70 Frauen und Mädchen den Weg in die Beratungsstelle, weil sie aktuell oder in der Vergangenheit sexuelle Gewalt erlebt haben. „2021 war die jüngste Klientin 13 Jahre, die älteste Hilfesuchende fast 70 Jahre alt“, heißt es aus der Beratungsstelle des Vereins „Frauen helfen Frauen“.

Im Durchschnitt werden in Deutschland stündlich 13 Frauen Opfer von Gewalt in der Partnerschaft, so die Statistik des Bundeskriminalamts. Alle zweieinhalb Tage wird eine Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet. (hn)

Silvia Alt, Mitarbeiterin im Schutzhaus für Frauen und Kinder, sagte: „Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen haben wir sonst immer irgendwo einen Stand auf- und abends wieder abgebaut. Diese Bänke aber bleiben stehen und mahnen jetzt jeden Tag.“ Das Schutzhaus, das in Euenheim betrieben wird, sei ein sicherer Ort für jene, die den Mut aufgebracht haben, mit ihren Kindern zu fliehen. „Hier können sie in Ruhe zu sich kommen, Entscheidungen fällen und Kraft für ein möglichst selbstbestimmtes neues Leben tanken.“

Anton Dickopp, Opferschutzbeauftragter der Kreispolizeibehörde, betonte, dass die Pandemie die Situation auch im Kreisgebiet spürbar verschärft habe. „Von Januar bis September dieses Jahres waren die Beamten bei 180 Fällen von häuslicher Gewalt im Einsatz“, so der Kriminalhauptkommissar. Im Vergleichszeitraum 2020 seien es 149 gewesen. „Die Hauptsteigerung fand in den ersten Monaten des Jahres statt, als die Beschränkungen besonders groß waren.“ Man rechne damit, dass es zudem ein großes Dunkelfeld gebe. Auch Ellen Mende von der Frauenberatungsstelle sprach von einem spürbaren Anstieg der Fälle. „Um das alles auffangen und verarbeiten zu können, wird noch Erschreckendes auf unser Sozialsystem zukommen“, meinte sie am Dienstag.

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Dass das Thema „häusliche Gewalt“ keines ist, was im Kreis Euskirchen unter den Tisch gekehrt wird, zeigt auch der Runde Tisch, der seit 16 Jahren das vernetzte Arbeiten aller Akteure erfolgreich begleitet. Zu tun gibt es aber noch genug. Darin waren sich auch am Dienstag alle einig.

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