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Vier Jahre danachIn Gemünd ist Kinderlachen am neuen Spielplatz ein Zeichen der Hoffnung

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Kinder spielen auf dem neuen Spielplatz im Kurpark in Gemünd. Die Spielgeräte sind aus Holz gestaltet.

Motto und Ideengeber für den Spielplatz ist unübersehbar der Nationalpark. Die Kinder erobern sich ihr neues Areal.

Zum Jahrestag der Flutkatastrophe ist in Gemünd der neue Nationalpark-Spielplatz am Kurpark-Eingang eröffnet.

Sieben Namen stehen auf den Steinen an der Stele, die an die Flutkatastrophe erinnert. Sie erinnern an sieben der neun Menschen, die in der Nacht vom 14. zum 15. Juli 2021 in der Stadt Schleiden in den Wassermassen ihr Leben verloren haben. Für die anderen beiden liegen unbeschriftete Steine dabei. Schattig und ruhig ist es unter der Doppelreihe Platanen am Marienplatz. Dort sowie in den anderen von der Flut so hart getroffenen Orten im Tal – in Oberhausen, Schleiden, Olef und Nierfeld – hat die Stadt im vergangenen Jahr die Stelen aufgestellt.

Nun sind die aus Cortenstahl gefertigten Stelen mit den Steinen versehen und fertig. Die Steine stammen aus den Bächen und Flüssen, die im Juli 2021 zu Flutwellen anschwollen und so viel Leid über die Menschen im Schleidener Tal brachten. Der Stahl, aus dem die Stelen sind, hat inzwischen deutlich angefangen zu rosten. Das ist gewollt. „Ist schön geworden“, sagt Bürgermeister Ingo Pfennings. Obwohl es ihm natürlich lieber wäre, es hätte keinen Grund für das Aufstellen der Stelen gegeben.

Der 14. Juli hat das Leben in der Region für immer verändert

An diesem 14. Juli ist er vier Jahre her. Der Tag, an dem das Wasser kam. Der Tag, der das Leben in der Region für immer veränderte. An diesem Tag will Pfennings an allen Stelen im Stadtgebiet Blumen niederlegen. „Um es selbst Revue passieren zu lassen“, sagt er. In Ruhe. Grundsätzlich fühlten sich die Tage rund um den Jahrestag für ihn nicht anders an als andere. „Wir kommen ja gar nicht raus aus der Situation. Der Wiederaufbau beschäftigt die Verwaltung seit vier Jahren tagein, tagaus. Deshalb verlässt man diesen Film eigentlich nie.“

Am Marienplatz in Gemünd steht unter den alten Platanen die Gedenkstele für die Flutopfer in der Stadt Schleiden.

Erinnerungsorte hat die Stadt in jedem der fünf von der Flut hart getroffenen Orte geschaffen, hier die Stele neben dem Marienplatz in Gemünd.

Ein Film, der auch seine heilenden Szenen hat. So wie die an diesem Sonntag, als zahlreiche Kinder gemeinsam mit dem Bürgermeister durch das rote Band hindurch zum neuen Spielplatz im Kurpark laufen. Denn auch in Gemünd möchte man den Blick auch nach vorne richten: Der Eingangsbereich zum Kurpark ist wiederhergestellt, zumindest größtenteils. Die Wege sind fertig, der Rasen eingesät, der „Fitnessgarten“ steht. Minigolfanlage, Kiosk und Musikpavillon fehlen noch. Trotzdem nutzt die Stadt den Tag, um den ersten Teil zu eröffnen – als Zeichen, dass es vorangeht mit dem Wiederaufbau.

Auch in Gemünd dauert der Wiederaufbau oft länger als erhofft

Denn die Schwierigkeiten zeigen sich am Beispiel des Musikpavillons. „Wir hatten in der ersten Ausschreibung gar keine Rückmeldungen“, sagt Pfennings. Eine zweite Ausschreibung musste her. Inzwischen sei der Auftrag vergeben, bis zum Ende des Sommers soll der Pavillon aufgebaut werden. Die Minigolfanlage wird voraussichtlich ab September bespielbar sein. Hier hat die Verzögerung optische Gründe: Das Thema Nationalpark soll laut Pfennings in der Gestaltung aufgegriffen werden – und dauere in der Praxis länger als zunächst angenommen.

Der Nationalpark soll für die gesamte Neugestaltung Stil- und Ideengeber sein. Unübersehbar ist das auch beim Spielplatz. Zwischen hohen Bäumen befinden sich Spielgeräte aus Holz in Form von Wildschwein, Luchs und Co. Es gibt Klettergeräte und viel Platz zum Toben und Rennen.

Die Kneippanlagen erhalten einen neuen Standort im Kurpark

Die Arbeiten in diesem Bereich des Kurparks sind im Rahmen des Wiederaufbaus erfolgt – und werden aus dessen Mitteln bezahlt. „Das heißt, da bauen wir das auf, was kaputtgegangen ist“, erklärt Pfennings. Deshalb bleibt es bei einer Neun-Loch-Minigolfanlage und sechs Outdoor-Fitnessgeräten.

Auf einer Baustelle in Gemünd ist die Minigolf-Anlage, die dort entsteht, schon zu erkennen.

Viel ist noch zu tun beim Wiederaufbau: Die Minigolfanlage im Kurpark soll ab September bespielbar sein.

Nicht an gleicher Stelle wiederaufgebaut werden Kneippbecken. Das Thema Kur zieht auf die andere Seite der Urft, berichtet Pfennings. Die Finanzierung der Neugestaltung dieses Kurpark-Bereichs erfolgt nicht über Wiederaufbau-Mittel, sondern über die Stadtentwicklung. „Die andere Seite hat nicht so viel Infrastruktur verloren“, sagt Pfennings. Vor allem Wiesen seien in dem Bereich überschwemmt worden.

Manche Wunden in den Seelen heilen vielleicht nie

Dort wird eine neue Kuranlage aufgebaut. Da gebe es mehr Ruhe für die Kneipp-Gäste, so Pfennings. Er kann sich auch vorstellen, die Urft an dieser Stelle begehbar zu machen – aber das ist noch Zukunftsmusik. In den kommenden Monaten soll es mit den Planungen unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger losgehen.

Nun kann man sich aber über den Kurparkeingang freuen. „Super, ich finde das schön“, sagt Uschi Merzenich aus Gemünd, die mit Magda Langanki und Helmut Offermann immer die Kurkonzerte besucht. „Gott sei Dank, dass etwas passiert“, freut sich auch Langanki. Und der Spielplatz? „Das ist gut, ich weiß noch, wie es vorher war“, lobt Silke Klausing aus Scheuren den Platz, über den gerade ihre Enkel aus dem Emsland toben.

Grundsätzlich sei in der Stadt schon viel geschafft beim Wiederaufbau, findet der Bürgermeister. Vor allem, da die Maßnahmen mit den wenigen technischen Mitarbeitern der Verwaltung durchgeführt werden. „Wir sind von der Geschwindigkeit vorne mit dabei“, sagt Pfennings. Doch er weiß auch, dass das Mammutprojekt noch viel Zeit erfordert. Wenn er sich in den Orten umschaue, denke er zuweilen: „Verdammte Scheiße! Warum dauert das so lange?“ Er könne die Ungeduld vieler Menschen nur zu gut verstehen. Doch Hoffnung auf mehr Tempo macht er nicht, das wäre unredlich: „Wir brauchen in der Region mindestens zehn Jahre.“

Und dann sind nur Straßen, Häuser, Spielplätze und Brücken wieder aufgebaut. Wie lange es dauern wird, bis die seelischen Wunden verheilt sind, kann keiner genau sagen. Manche werden wohl nie ganz verschwinden.