Nach der FlutGemünder Schützen trotzen den Trümmern mit einem Fest

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Trotz der Zerstörungen im Schützenhaus stemmt der Verein um Ditmar Krumpen (r.) und Siegfried Lang das Fest.  

Schleiden-Gemünd – Es hat alles nichts geholfen: Mit einer gut einen halben Meter hohen Kunststoffplatte und Silikon haben Siegfried Lang und Rolf Wiedemeyer die Tür zum Schützenhaus abdichten wollen. Wasser kennt man schließlich als Bachanrainer – fünf, zehn Zentimeter sind es ab und an mal auf dem Schützenplatz gewesen. Doch die Urft lässt sich nicht bändigen an diesem 14. Juli. Das Wasser steigt und steigt, rasend schnell. Die beiden Schützen schaffen es so grade rechtzeitig und unversehrt vom Platz in Malsbenden.

Am nächsten Morgen ist das Gelände des Bürger-Schützenvereins ein Trümmerfeld – wie ganz Gemünd. Bis auf etwa 2,30 Meter ist das Wasser hier gestiegen, hat alles mit sich gerissen, was die Schützen über Jahrzehnte aufgebaut haben. Ein Mitglied hat die schreckliche Nacht nicht überlebt, ist in den Fluten der Urft ertrunken. Etwa die Hälfte der rund 180 Vereinsmitglieder, so der Vorsitzende Ditmar Krumpen, sei selbst betroffen. Bei den allermeisten anderen sind im Familien- oder Freundeskreis Betroffene. Sie haben nun alle Hände voll zu tun: Das große Aufräumen beginnt in den Wohnhäusern und Geschäften. Der Schützenplatz ist nicht wichtig.

Die Schützengemeinschaft hilft in Gemünd

Doch in der Schützengemeinschaft spricht sich herum, wie schlimm es die Gemünder getroffen hat. Zum ersten echten Arbeitseinsatz zehn Tage nach der Katastrophe kommen Schützen aus der ganzen Region: aus Jünkerath, aus den Bezirken Schleiden und Monschau, aus Korschenbroich, aus Paderborn – Krumpens Liste ist lang. Dazu all die anderen Helfer, die aus der ganzen Republik in die Orte kommen, um den Menschen zu helfen.

Im Klubhaus mit seinen zwei Räumen und der Schießanlage ist nichts zu retten. Küche, Kühlraum, Theke, die ganze Einrichtung ist zerstört. Ein Baum hat sich durch die Giebelwand gebohrt, die Mauern der Schießanlage sind weg. „Der Estrich sah aus, als wäre ein überdimensionaler Maulwurf darunter durchgelaufen“, sagt der zweite Vorsitzende Siegfried Lang.

Erinnerungsstücke sind unwiederbringlich verloren

Gesichert werden die Waffen. Drei Kleinkaliber-Gewehre sind es im Tresor, der standgehalten hat, aber mit Wasser vollgelaufen ist. Und die historischen Gewehre, die zum Königsschießen verwendet werden – gelagert bei einem ebenfalls von der Flut betroffenen Schützen – macht ein Waffenmeister wieder flott.

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Die Spuren der Flut sind auch im Kleinen noch sichtbar.

Verloren sind dagegen Erinnerungsstücke: Pokale und Degen hat die Flut einfach fortgespült. Die Fahnen, teils aus dem 19. Jahrhundert, sind zwar noch da, haben aber Unmengen kontaminiertes Wasser abbekommen. Ob sie vielleicht doch zu restaurieren sind, wird demnächst ein Experte aus Erkelenz entschieden. „Das tut schon weh“, sagt Krumpen: „Solche Sachen sind unwiederbringlich.“

Vom Schützenhaus steht nur noch das Ständerwerk

Nun, ein Jahr später, steht vom Schützenhaus kaum mehr als das Ständerwerk. Etwas besser sieht es in der Festhalle aus. Die 26 Meter lange, weggedrückte Mauer ist wieder aufgebaut, neue Tore sind installiert, der Strom ist da, die Theke kann in Betrieb genommen werden. Doch die massiven Eichenmöbel, einst maßgefertigt von den Schreinern der fünften Kompanie, die längst nicht mehr leben, sind zerstört.

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In der Festhalle kann am Wochenende gefeiert werden.

Und doch werden die Schützen am Wochenende feiern. Ein kleines Schützenfest, wie sie betonen. Nach Corona und Flut haben Krumpen und Lang die Idee. „Und wir mussten keinen überzeugen“, sagt Lang. Ein gutes halbes Dutzend Schützen werkelt seit April unermüdlich, um Platz und Halle festtauglich zu machen. Warum es nicht mehr sind in einem Verein mit 180 Mitgliedern? Viele stecken daheim mitten im Wiederaufbau. Die Zahl der Handwerker in den Reihen der Schützen ist längst nicht mehr so hoch wie vor einigen Jahren. Und die Altersstruktur ist auch nicht gerade optimal.

Am Wochenende wird auf dem Schützenplatz gefeiert

Sie haben es geschafft. Es wird ein wenig improvisiert, Tische und Bänke sind geliehen. Mit dem Neustart betreten die Schützen auch ein wenig Neuland. Dennoch freuen sie sich auf ihr Fest – und ein Wiedersehen mit denen, die wie in so vielen Orten als Helfer gekommen und als Freunde gegangen sind.

Das Programm

Am Samstag, 23. Juli, beginnt der gesellige Abend auf dem Schützenplatz bei freiem Eintritt um 19 Uhr. In dem Rahmen werden auch verdiente und langjährige Mitglieder geehrt.

Am Sonntag, 24, Juli, starten die Schützen um 11 Uhr mit dem Frühschoppen. Ehrengäste und auswärtige Vereine werden ab 13 Uhr erwartet, bevor der Umzug durch Gemünd um 14 Uhr startet. Bis etwa 17 Uhr ist das Preisvogelschießen geplant, danach wird der neue Gemünder Schützenkönig ermittelt. (rha)

Sogar ein Schützenkönig wird ermittelt. Dank eines von einem Verein aus Mönchengladbach ausgeliehenen, mobilen Schießstands geht das. Für den werden Absperrungen installiert, die Abnahme durch die Polizei ist für Freitag vorgesehen. Und eins darf bei einem Gemünder Schützenfest nicht fehlen: die Arbeit der Brüder Matthias und Heinrich Quetsch. Sie haben ihr Werk bereits vollendet, der Königsvogel wartet auf seinen großen Auftritt.

Schaden beläuft sich auf rund eine Million Euro

Nach dem Fest hoffen die Schützen, Klarheit in Sachen Wiederaufbau zu erhalten. „Der Schaden ist wohl bis siebenstellig“, sagt Krumpen. Alleine für Schützenhaus und Schießstand sei mit 700.000 bis 800.000 Euro zu rechnen. Versichert ist nichts. Wie Krumpen berichtet, hat sich der Verein vor einigen Jahren um eine Elementarschadenversicherung bemüht: „Doch als die Police kam, war alles, was mit Wasser zu tun hat, ausgeschlossen.“ Sinnlos für Bachanrainer.

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Derzeit warten die Schützen auf das Gutachten, um die Wiederaufbauhilfe beantragen zu können. Doch der Gutachter hat alle Hände voll zu tun, Familien und Betriebe sind logischerweise zuerst an der Reihe. Krumpen und Lang hoffen auf eine Hundert-Prozent-Förderung für den Wiederaufbau. Damit die mehr als 300-jährige Geschichte der Bruderschaft nicht mit einer Flutnacht, viel Arbeit und einem kleinen Fest endet.

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