Ticketautomaten sind für ältere Menschen oft herausfordernd. Auch die 86-jährige Elke Jahr aus Euskirchen fühlt sich damit überfordert.
DB-Reisecenter ist zuRentnerin kämpft mit Tücken des Ticketautomaten im Bahnhof Euskirchen

Elke Jahr ist wütend: Das Reisecenter im Bahnhof hat vorübergehend geschlossen, mit dem Ticketautomaten kommt die 86-Jährige aber nicht zurecht.
Copyright: Heike Nickel
Ratlos ist sie. „Und richtig wütend“, wie sie sagt. Kopfschüttelnd steht Elke Jahr vor dem kleinen Plakat am Fenster des DB-Reisezentrums im Bahnhof Euskirchen. Oder besser gesagt: des ehemaligen DB-Reisezentrums. Denn das hat geschlossen und wartet nun auf seine Neueröffnung unter neuer Zuständigkeit.
Einen Ausflug nach Essen zur Zeche Zollverein geplant
Eigentlich will Elke Jahr am Freitag nach Essen fahren. Ein Ausflug zur Zeche Zollverein, den die Rentnerin mit Begleitung geplant hat. Wie bisher auch, wollte sie sich vorab persönlich beraten lassen, um die beste Verbindung in Erfahrung zu bringen und mögliche Spartarife zu nutzen. Am Ende wäre sie mit ausgedruckten Tickets und einem Reiseplan zufrieden nach Hause gegangen.
Stattdessen steht sie nun vor dem leergeräumten Reisezentrum und ärgert sich über die Ansprache auf dem Infoplakat, das sich offenbar an gute Bekannte richtet: „Seid gespannt. Wir sind ganz bald wieder für euch da!“ Im vertraulichen Plauderton geht es weiter. Man erfährt, dass „Tickets wie gewohnt an den Fahrkartenautomaten hier im Bahnhof“ erhältlich sind und dass man sich bei Fragen in der Zwischenzeit an das nächstgelegene DB-Reisezentrum wenden kann. Doch wo das ist, verrät das Infoblatt leider nicht.
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Vor drei Jahren hat Elke Jahr freiwillig den Führerschein abgegeben
Elke Jahr ist 86 Jahre alt, topfit und aufgeweckt. Eine Reise außerhalb des Kreises Euskirchen am Fahrkartenautomaten zu buchen, traut sie sich dennoch nicht zu. „Solche Sachen kann ich einfach nicht“, sagt sie, versucht es aber gleich noch einmal. „Take it eezy!“, wird sie von der Werbung auf dem Automaten-Display begrüßt. Ein älterer Herr mit grauem Bart schaut ihr mit weit aufgerissenen Augen entgegen. Er wirbt für die myGo-App, die man nur downloaden muss, anbei auch gleich der QR-Code. Elke Jahr schnaubt. „Ich hab das Gefühl, wir Alten finden nicht mehr statt in der Welt der Deutschen Bahn.“
Die Euskirchenerin hat vor drei Jahren Führerschein und Auto abgegeben. Freiwillig. „Vorab habe ich ein Jahr lang getestet, wie ich mit Bus und Bahn parat komme“, sagt sie. Jetzt sei sie eine leidenschaftliche Bahnfahrerin, genieße es, selbst nicht mehr fahren zu müssen. Verspätungen und Zugausfälle? Elke Jahr winkt ab: „Das macht mir nichts aus. Im Auto habe ich ja auch oft genug im Stau gestanden.“

Früher DB-Reisecenter, bald schon Go.Center: Rentnerin Elke Jahr kauft ihre Bahnfahrkarten gerne persönlich.
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Die Tücken des Ticketautomaten hingegen bringen sie zur Verzweiflung. Sich im Auswahlmenü zu orientieren, kostet mehrfach soviel Zeit, dass der Vorgang abgebrochen wird. Jemand schaut im Handy nach, wo das nächste DB-Reisezentrum ist, so wie es auf dem Info-Plakat empfohlen wird.
Eine Deutschland-Karte mit unzähligen roten Punkten ploppt auf, leider aber nicht die dazugehörigen Städtenamen. Man sucht – und findet nicht. „Es scheint, dass ich erst nach Köln fahren muss, um meine Fahrkarten persönlich kaufen zu können“, sagt Elke Jahr frustriert. Was man wissen muss: DB-Reisezentren gibt es eigentlich nicht mehr. Sie heißen jetzt Go.Center, und die sind auf der Homepage des neuen Betreibers zu finden.
SVE in Euskirchen verkauft Fahrkarten nicht für alle Reiseziele
Benjamin Jeschor, Pressesprecher der Go.Rheinland GmbH, teilt auf Anfrage mit, dass es neben den Fahrkartenautomaten am Bahnhof „gleich nebenan bei den Verkaufsstellen der SVE die Gelegenheit gibt, alle Tickets des VRS-Tarifs zu erwerben – und zudem auch einige Pauschaltickets für den Bereich NRW, wie mir auf Rückfrage von der SVE versichert wurde.“ Elke Jahrs Freundin habe dieser Tage eine gegenteilige Erfahrung gemacht: „Sie wollte ein Ticket nach Trier kaufen und bekam bei der SVE-Verkaufsstelle gesagt, man könne ihr nur bis Gerolstein eine Fahrkarte verkaufen, die Strecke danach liege außerhalb des VRS-Gebiets.“
Elke Jahr hat schließlich eine Lösung gefunden. Sie hat ihren Enkel – internetaffin wie alle seines Alters – um Hilfe gebeten. „Und er hat dann ganz schnell das beste Angebot herausgesucht und die Tickets online für mich gekauft.“ Positiver Nebeneffekt dabei: Am Ticketautomaten im Bahnhof hätte die Reise nach Essen hin und zurück für zwei Personen 156,80 Euro gekostet. Am Automaten wird man eben nicht beraten. Der Enkel fand schnell heraus, dass es auch sehr viel günstiger geht: Mit dem Schöner Tag Ticket Single NRW, mit dem man einen Tag lang durch ganz NRW fahren kann: für 38,60 Euro pro Person.
Neues Servicecenter eröffnet bald
Die DB-Reisezentren haben einen neuen Betreiber: den Zweckverband Go. Rheinland. Dieser ist unter anderem mit der Bestellung und Finanzierung des Vertriebs von Nahverkehrsfahrkarten betraut – an Fahrkartenautomaten oder über den persönlichen Verkauf.
„Am 2. September wird das neue go.Center in Euskirchen eröffnet“, so Benjamin Jeschor, Pressesprecher der Go.Rheinland GmbH. Kunden, die ihre Tickets persönlich kaufen wollen, seien aber in der Minderheit: „Bezüglich der Nutzung von digitalen Angeboten übers Handy hat eine Untersuchung unserer beim VRS angesiedelten Marktforschungsabteilung 2023 ergeben, dass 30 Prozent der Handy-Ticket-Kunden 60 Jahre und älter sind.“ Bei der Befragung sei festgestellt worden, dass die Handy-Ticket-Kunden ab 60 Jahren nicht mehr Probleme haben als Jüngere, etwa bei der Anmeldung oder dem Ticketkauf.
Auch der Bundesverband der Verbrauchzentrale hat 2024 eine Befragung durchgeführt: „47 Prozent würden sich etwas oder stark eingeschränkt fühlen, wenn der Fahrkartenkauf nur noch digital möglich wäre.“ Vorständin Ramona Pop: „Digitalisierung soll Mobilität einfacher und besser machen. Und keine neuen Barrieren schaffen. Die Digitalisierung im Ticketvertrieb darf nicht zum Ausschluss einzelner Gruppen vom Bus- und Bahnfahren führen.“