Die Evangelischen Gemeinde Euskirchen besteht seit 150 Jahren. Im Zuge der bevorstehenden Fusion mit Weilerswist hat sie ihre Kirche umbenannt.
DoppeljubiläumEuskirchen hat jetzt eine Hoffnungskirche – Evangelische Gemeinde feierte

Mit dem Schlüssel, den er von Pfarrer Gregor Weichsel (v.l.) erhalten hatte, öffnete Küster Michael Bork die Hoffnungskirche für die wartende Gemeinde.
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Die evangelische Kirchengemeinde Euskirchen ließ groß auffahren: zum Auftakt Schildkrötensuppe, anschließend acht weitere Gänge, unter anderem Zander, Rinderbraten mit Trüffeln, Gänsebrust und Rehbraten. Es war ein echtes Festessen, das die Gemeinde ihren Gästen am 28. November 1895 im Hotel Zur Traube kredenzte. Anlass war die Einweihung der Kirche an der Kölner Straße.
Jetzt hatte die Gemeinde wieder Grund zum Feiern: zum einen den 130. Jahrestag der Kircheneinweihung, zum anderen ihr eigenes 150. Jubiläum, das kurz bevorsteht. Denn der Evangelische Ober-Kirchenrat in Berlin hatte im Januar 1876 entschieden, dass der Kirchort der evangelischen Kirchengemeinde Großbüllesheim nach Euskirchen verlegt und die Gemeinde deshalb umbenannt werden solle – eben in „Evangelische Kirchengemeinde Euskirchen“.
Evangelische Gottesdienste waren in Euskirchen lange verboten
Die Stadt Euskirchen hatte im 17. Jahrhundert im Religionsvergleich infolge des 30-jährigen Krieges das Recht verloren, evangelische Gottesdienste zu feiern. So orientierten sich die Gläubigen unter anderem nach Großbüllesheim. Denn die dortige Gemeinde stand unter dem Schutz der reformierten Familie von Quadt, der auch die Burg gehörte.
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Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Euskirchen aber mehr evangelische Menschen als in Großbüllesheim. Nun wurden in der Stadt wieder Gottesdienste abgehalten – zunächst in einem angemieteten Lokal, dann in einem Haus in der Wilhelmstraße, das einen Betsaal und eine Lehrerwohnung beherbergte.

Die evangelische Gemeinde Euskirchen feierte 150-jähriges Bestehen. Ein Ehepaar hatte die Kirche mit Lego-Steinen nachgebaut.
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Pfarrer Frank Thönes führte durch die Festveranstaltung.
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Durch besagten Erlass aus Berlin kam es schließlich zur Gründung der Euskirchener Gemeinde. 1878 hatte sie etwa 180 Mitglieder. Alles dies kann man in einer Festschrift nachlesen, die zum Doppeljubiläum erschienen ist. Auf wichtige Stationen blickten die Gläubigen kürzlich auch während einer Festveranstaltung zurück, zu der rund 200 Menschen in die Kirche gekommen waren.
Ein Festgottesdienst am ersten Advent rundete die Feierlichkeiten ab. Er begann mit einer Besonderheit: Pfarrer Gregor Weichsel übergab Küster Michael Bork vor dem Portal den Schlüssel, damit er die wartende Gemeinde einlassen konnte. Der Posaunenchor spielte dazu „Tut mir auf die schöne Pforte“.
Die Wahl fiel auf Hoffnungskirche, weil wir mit dem, was wir tun, Hoffnung säen wollen.
Damit wurde erstmals die Tür der neu benannten Kirche geöffnet. Sie heißt jetzt Hoffnungskirche. „Bisher war sie die einzige Kirche in der Gemeinde“, sagt Pfarrer Frank Thönes. „Deshalb brauchte sie keine besondere Bezeichnung zur Unterscheidung.“ Dies ändere sich aber zum neuen Jahr: Die Euskirchener Gemeinde fusioniert mit der Gemeinde in Weilerswist – und dort steht die Martin-Luther-Kirche.
Wie sie trägt jetzt auch das Gotteshaus in Euskirchen einen spezifischen Namen. „Die Wahl fiel auf Hoffnungskirche, weil wir mit dem, was wir tun, Hoffnung säen wollen“, erklärt Thönes.
Der Festabend war eine heitere, ungezwungene Veranstaltung
Er erzählt voller Begeisterung vom Festabend, den die Organisatoren bewusst nicht mit Zahlen und trockenen Fakten gestalten wollten, sondern ungezwungen und heiter mit Bildern, Interviews, Geschichten, einem kleinen Theaterstück, Videoeinspielungen, Musik und kurzweiligen Berichten zur Geschichte der Gemeinde und ihren vielfältigen Angeboten. „Das Echo war überwältigend“, resümiert Thönes, der Vorsitzender des Presbyteriums ist und bei der Veranstaltung mit Diakon Jens Schramm und Küster Michael Bork Regie führte.
Im Mittelpunkt standen Wegmarken wie der Bau der Kirche, vor allem jedoch prägende Figuren wie Gemeindeschwestern, Küster, Presbyteriumsmitglieder, Diakone und die Pfarrer, von denen es in Euskirchen in einer Zeitspanne von mehr als 100 Jahren lediglich drei gab: Emil August Fischer (1878-1920), Hermann Strakerjahn (1921-1955) und Gerhard Müller (1957-1988). „Nur drei Pfarrer in einer so langen Zeit – das zeigt: Hier ist es nett“, sagt Thönes schmunzelnd.
Hermann Strakerjahn war in der NS-Zeit Pfarrer in Euskirchen
Von Hermann Strakerjahn, dem Pfarrer in der NS-Zeit, berichtet er: „Er war durchaus national gesinnt, aber kein Nazi.“ Er habe in den Gottesdiensten für Pfarrer gebetet, die von den Nazis ins KZ geworfen worden waren, und Widerstand geleistet, wenn in der Kirche Hakenkreuzfahnen aufgehängt werden sollten. Im Presbyterium, in dem NS-Sympathisanten saßen, eckte er damit an. „Strakerjahn war ein tapferer Mann. Eines darf man aber nicht verschweigen: Für die Juden hat er sich nicht eingesetzt“, so Thönes.
Ihn freute es sehr, dass zu den vielen Gästen Enkel und Urenkel Strakerjahns gehörten. Sie waren aus dem Ruhrgebiet und aus Westfalen angereist, um an der Jubiläumsfeier teilzunehmen.
Das Euskirchener Casino diente als Notkirche
Die evangelische Kirche war im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Die Gemeinde sah sich gezwungen, ihre Sonntagsgottesdienste in der Wohnung von Kirchmeister Ronte in der Mühlenstraße zu feiern. Als der dortige Raum zu klein wurde, wich man in die Ruhrsche Villa an der Kommerner Straße aus, dann ins Casino, das vorher schon der katholischen Herz-Jesu-Gemeinde als Notkirche gedient hatte. Die Protestanten blieben dort, bis 1953 die wieder aufgebaute Kirche an der Kölner Straße eingeweiht wurde.
Noch etwas prägte die unmittelbare Nachkriegszeit: Es galt, 4000 Heimatvertriebene und Flüchtlinge, die meisten aus Pommern, Ostpreußen und Schlesien, zu integrieren. Thönes: „Das war eine gigantische Herausforderung. Heute fragt man sich: Wie haben die Alten das geschafft? Gleichzeitig sollte uns das Zuversicht geben für die heutigen Integrationsaufgaben der Gesellschaft.“
Eine der Anekdoten, die aufs Tapet kamen, spielte nach dem Krieg. Von den Gemeindemitgliedern wurde erwartet, evangelisch zu heiraten. Katholiken und Katholikinnen als Ehepartner waren so gut wie tabu. „Die Auswahl war aber begrenzt bei 950 Menschen in der Gemeinde“, erzählt Thönes. Doch dann kamen die Vertriebenen, viele davon im heiratsfähigen Alter. „Und die Frauen waren auch noch alle hübsch . . .“, wurde ein Zeitzeuge zitiert.
Über das Verhältnis von Katholiken und Protestanten in der ersten Nachkriegszeit sprach in einem der Interviews, die Thönes und Diakon Schramm führten, eine Euskirchenerin, die 1953 in der Nordschule eingeschult worden war. „Der Schulhof war durch eine Mauer getrennt, so dass wir nicht miteinander spielen konnten. Wir durften keinen Kontakt zu den katholischen Kindern haben.“ Nach Schulschluss seien die evangelischen Kinder auf der Unitasstraße von den katholischen beschimpft worden, als „Blauköpp“ und „Pimmocken“. Die Jungs hätten sich oft geprügelt, so die Zeitzeugin weiter. „Von den Lehrern hat sich keiner gekümmert.“

