„Wir kommen an unsere Grenzen“Über 40 Covid-Patienten werden in Euskirchen behandelt

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Die Schilder an der Tür zur Station 4a sind eindeutig.

Die Schilder an der Tür zur Station 4a sind eindeutig.

Euskirchen – Weihnachtsstimmung? Die kommt hier nicht auf. Da können die vier Energiesparlampen auf dem Adventskranz so hell leuchten wie sie wollen. Sie machen das Ambiente aus gelben Kitteln, beige-grauen Schiebetischen und mit Desinfektionsmittel gefüllten grünen Flaschen auf dem langen Flur vor jedem Zimmer auch nicht ansehnlicher.

Es ist Mittwochmorgen auf Station 4a des Euskirchener Marien-Hospitals. Hinter diesen Türen werden Covid-19-Patienten behandelt – 40 zurzeit, wie Professor Michael Loick, der ärztliche Direktor des Hospitals und Chefarzt der Intensivmedizin, mitteilt. So viele wie noch nie während der Pandemie.

„Kein Bett mehr frei“

Fünf weitere Menschen werden ebenfalls im Marien-Hospital behandelt, auch schwer erkrankt, wenn auch nicht an Covid. Viel darf nicht mehr passieren. „Kein Bett mehr frei“, fasst Loick die Lage in klaren Worten zusammen: „Wir haben mehr Patienten zu versorgen, mit weniger Personal.“ Sobald der Notarzt vorfahre, beginne die Suche nach Behandlungskapazitäten aufs Neue. „Wir müssen Patienten, die beispielsweise vorübergehend eine künstliche neue Lunge brauchen, nach Bonn und Köln verlegen“, sagt der Ärztliche Direktor.

Vor einigen Wochen seien Intensivpatienten aus Belgien im Marien-Hospital aufgenommen worden. „Das war in einer Phase, in der wir hier in Euskirchen noch nicht eine solch angespannte Lage hatten. Das war für uns eine Frage der Solidarität zum Nachbarland“, so Loick.

Angespannte Situation im Krankenhaus

Mittlerweile ist der komplette linke Gebäudeteil des Krankenhauses Covid-Station. „Das tägliche Geschäft“, sagt Loick, „ist anstrengender als sonst. Die Corona-Pandemie hat den Alltag innerhalb des Krankenhauses komplett durcheinander gebracht.“ Von den 465 aufgestellten Betten im Marien-Hospital sind laut Loick etwa zehn Prozent mit Covid-19-Patienten belegt, die einer ganz besonderen Behandlung bedürfen. Als „angespannt“ bezeichnet Loick die Lage – sowohl, was die Raum- und Bettensituation als auch die Belastung des Teams angeht.

Im gebotenen Abstand steht Pflegedirektorin Kerstin Beissel daneben und pflichtet Loick bei. Auch sie spricht von einer angespannten Lage. „Wir machen das Beste aus der Situation“, sagt Beissel: „Uns ist aber bewusst, dass es ein anderes Weihnachten wird als sonst. Für das Team, für die Patienten, für die Angehörigen.“ Und für den ganzen Ablauf im Hospital. Operationen, die zeitlich zu planen sind, finden seit zwei Wochen nicht mehr statt, berichtet Loick. Covid-19 reißt alle Kräfte gnadenlos an sich.

60 Mitarbeitende fallen derzeit aus

Selbst die reichen nicht immer. Michael Bothe ist Chefarzt der „Inneren“. 60 Mitarbeitende des 320-Kopf starken Pflegeteams fielen zurzeit aus unterschiedlichsten Gründen aus: Krankheit, Urlaub, Versorgung der Kinder, deren Kitas und Schulen geschlossen sind, Ferienzeit. Die ganze Palette der Corona-Kollateralschäden halt. Während der ersten Welle seien es teilweise 120 Pfleger gewesen, die gefehlt hätten.

Der Umgang mit dem Virus selbst ist indessen in Fleisch und Blut übergegangen. Mit der ersten Welle hat der maximale Schutz vor einer Corona-Infektion Einzug gehalten: Visiere, Schutzbrillen, Handschuhe sowie Haube und FFP2-Maske. „Wir haben ein gutes Schutzprogramm für alle Patienten“, versichert Bothe.

Ansteckungsgefahr nicht höher als im Supermarkt

Sich hier anzustecken, sei nicht wahrscheinlicher als in einem Supermarkt. „Eher sogar geringer, weil unser Personal ausnahmslos FFP2-Masken trägt.“ Einen 100-prozentigen Schutz gebe es zwar nicht, konstatiert Bothe: „Seit der ersten Welle agieren wir aber so, als wäre der Mensch, der neben einem steht, positiv auf das Coronavirus getestet. Selbst, wenn er es nicht ist.“

Die Gefahr, sich bei einem Patienten anzustecken, sei daher nicht das größte Problem. Die Team-Mitglieder hätten aber noch ein Privatleben, so der Chefarzt. Er kenne seine Kollegen aber und habe volles Vertrauen, dass alle die privaten Kontakte auf ein Minimum reduzierten – auch an Weihnachten. So schwer es auch falle.

Hohe Belastung des Personals

Die Belastung sei immens. Durch die intensiven Schutzvorkehrungen dauerten die Visite deutlich länger, sagt Bothe. Das steigere den Personalaufwand zusätzlich. „Selbst, als wir nur vier Patienten auf der Corona-Station hatten, hat das gesamte Team nur auf der Isolationsstation gearbeitet. Es gab keine Vermischung“, sagt Bothe und fügt hinzu: „Derzeit ist die Motivation sehr wichtig, weil wir alle merken, dass die Kräfte weniger werden.“

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Loick bestätigt: „Wenn man zwölf Stunden eine FFP2-Maske trägt, merkt man, wie anstrengend das ist. Auch ich bin derzeit müder als sonst, wenn ich nach Hause komme.“ Da falle die Joggingrunde schon mal kürzer aus. Es wäre schon schön, wenn man Weihnachten Kräfte sammeln könnte. Aber das Virus kennt kein Fest. Und wenn das Böllern und damit hoffentlich die damit verbundenen Verletzungen ausfallen sollten, habe das auch keinen Einfluss auf die Intensivmedizin – das entlaste höchstens die Chirurgie ein wenig, sagt Chefarzt Bothe.

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