TagebauSuche nach Braunkohle prägte Zülpicher Landschaft

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Mit schwerem Gerät wurden damals in Zülpich Braunkohlen abgebaut. Heute befindet sich dort der Wassersportsee.

Zülpich – Ruht auf dem Grund des Zülpicher Wassersportsees noch ein Bagger oder nicht? Auch ein halbes Jahrhundert nach dem Ende der Braunkohlenförderung wird darüber noch eifrig spekuliert. Taucher der DLRG fanden auf dem Grund des Sees tatsächlich schon einen Bagger. „Der hatte allerdings die Größe eines Spielzeugbaggers“, sagt DLRG-Einsatzleiter Renè Loben: „Für Übungszwecke sind wir damals 40 Meter tief getaucht. Dabei wurde kein Braunkohlenbagger gesehen“, versichert Loben. Eine weitere „Expedition“ sei technisch kein Problem.

„Wir haben Spezialgerät mit einem höheren Sauerstoffanteil. Dadurch können wir tiefer tauchen und länger im Wasser bleiben“, so Loben. Zülpichs Kulturreferent Hans-Gerd Dick, ein Spezialist des regionalen Braunkohlenbergbaus, will kein Licht ins tiefe Dunkel des Sees am heutigen Gartenschaupark bringen: „Keiner weiß etwas Genaues – die einen weisen dies strikt von sich, die anderen wollen ihn mit eigenen Augen gesehen haben.“ Der Zülpicher Geschichtsexperte selbst glaubt nicht daran, dass der Bagger noch auf dem Grund steht: „Die Technik war viel zu neu und modern, um sie auf dem Grund des Sees stehenzulassen. Der Betreiber war ein Geschäftsmann durch und durch. Das hätte er nicht gemacht.“

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Die Brikettfabrik bei Geich war damals auf dem neuesten Stand der Technik. Sie ist heute noch zu sehen, aber nicht mehr im Betrieb.

Für Ruth Horschak, Sportwartin des Ruder- und Segel-Clubs Zülpichs, ist der Bagger ebenfalls eine Mär: „Wir haben seit Jahrzehnten am Wassersportsee unser Domizil. Ich habe schon mit Tauchern gesprochen, die haben keinen Bagger gefunden.“ Im Prinzip sind es nur noch der Wassersportsee, der Neffelsee in Füssenich und ein großes Gebäude  außerhalb Geichs,    die an ein  Kapitel der Zülpicher Stadtgeschichte erinnern: den Braunkohlenbergbau. Zurück reicht dessen Historie bis ins Jahr 1815.

Damals hatte der Kommerner Unternehmer Johann Albert Abels erstmalig ein Abbaufeld „gemutet“ – also offiziell beim preußischen Bergamt in Düren angefragt, in den Gemeinden Kommern und Enzen nach Braunkohle graben zu dürfen. Dick: „Es fanden weitere spekulative Bohrungen in der gesamten Kölner Bucht und der Zülpicher Börde statt. Der Abbau erfolgte damals noch unter Tage in Stollen und Schächten bis zu 40 Metern Tiefe.“  Laut Dick gab es in Virnich die „Abelsgrube“, in Juntersdorf die „Astrea“ und auch in Euskirchen wurde in der Nähe des heutigen Stadtwalds nach Kohle gebohrt. Die Qualität sei aber nicht mit der der Steinkohle vergleichbar und auch die Fördermengen eher gering gewesen.

Auch viele Jahre später war nicht vergessen, dass bei Zülpich noch das „braune Gold“ in der Erde schlummerte. Nach dem Zweiten Weltkrieg sei das Gebiet südlich von Köln ausgekohlt gewesen, so Dick. Während andere sich in Richtung Garzweiler orientierten, wendete sich zu Beginn der 1950er Jahr die Victor Rolff KG, die  Braunkohlenbergbau im Raum Türnich betrieb,  nach Süden. Rolff wollte in Zülpich und Umgebung Braunkohle abbauen und  eine Brikettfabrik mit zugehörigem Kraftwerk in Geich bauen.

Der Unternehmer kleckerte nicht, er klotzte. „Die meisten Maschinen waren nagelneu und auch die Brikettfabrik war auf dem neuesten Stand der Technik. Der Tagebau in Zülpich war sicherlich einer der kleinsten, aber auch zugleich technologisch einer der modernsten seiner Zeit“, sagt Dick. 1955 lief das erste Brikett vom Band. Die östliche Begrenzung des Tagebaugeländes bei Füssenich und Geich – die beiden Orten gehörten damals noch zum Kreis Düren – reichte bis an Zülpich heran. Nur wenige Meter hinter dem Weihertor trugen die riesigen Bagger Unmengen Erde und Braunkohle ab.

Die Kohle wurde mit einem ausgeklügelten Fördersystem direkt zur Brikettfabrik transportiert. Rolff legte laut Kulturreferent Dick (dazu war er von Gesetz wegen auch verpflichtet) großen Wert auf effiziente Rekultivierung. Mit Bandstraßen wurde eine große Kippe aus Abraum zwischen Juntersdorf und Langendorf aufgeschüttet. Mitunter sei sogar schon rekultiviert worden, während an anderer Stelle im Abbaugebiet noch nach Kohle gebaggert wurde. Ende der 1960er Jahre erreichte der Tagebau die Ortslagen von Füssenich und Geich. Mehr als 700 Menschen hatten inzwischen im Tagebau einen Arbeitsplatz gefunden. In Zülpich wurden 1955 an der Geicher Gasse sogar ein Doppelhaus und zwei Mehrfamilienhäuser für die Arbeiter errichtet. Für die Zukunft hatte Victor Rolff große Pläne: „Er hatte die Idee, drei Tagebaue bis zum Jahr 2050 zu betreiben.“

Realisiert wurden jedoch nur zwei: der Tagebau Zülpich-Süd zwischen Lövenich und Zülpich und der Tagebau Zülpich-Mitte südlich von Geich Die Planungen für einen Tagebau Zülpich-West (zwischen Füssenich und Juntersdorf) wurden nicht umgesetzt. Und auch eine Erweiterung des Tagebaus Zülpich-Mitte konnte nicht realisiert werden: Dagegen liefen, wie aus dem Standardwerk der Rheinischen Denkmalpflege zum Braunkohlenbergbau in der Region hervorgeht, nämlich der Landeskonservator Rheinland wegen der dortigen katholischen Pfarrkirche sowie des im Besitz der Grafen Berghe von Trips befindlichen Herrenhauses Sturm.

„Rolff hatte sogar in Erwägung gezogen, Juntersdorf umzusiedeln“, sagt Dick. Letztlich verwirklichte er seine Vorhaben nicht und konzentrierte sich auf das Gebiet des heutigen Wassersportsees.

Da der Absatz der Braunkohlebriketts durch die Erschließung neuer Energiequellen wie der Ölheizung immer schwieriger geworden war, stapelten sich seit 1965 verstärkt die Briketts. Ende 1968 wurde die Fabrik bei Geich  stillgelegt. Aus dem Tagebau Zülpich-Süd entstand der „Seepark“, der im Rahmen der Landesgartenschau in Zülpich zu neuem Glanz kam. Und aus dem Tagebau Zülpich-Mitte wurde das Naturschutzgebiet Neffelsee (siehe „Die Zülpicher Seen“).

Zülpicher Seen

An der Stelle des heutigen Neffelsees bei Geich wurden 1951 erstmals Braunkohle abgebaut. Der Abbau erfolgte bis zu einer Tiefe von 45 Metern. Als 1969 der Braunkohlentagebau eingestellt wurde, war ein Restloch von etwa 73 Hektar Größe entstanden.

Die Füllung des Neffelsees geht auf das Jahr 1971 zurück. Zwölf Jahre später wurde das künstliche Gewässer samt der Uferzonen zum knapp 73 Hektar großen Naturschutzgebiet erklärt. Da sich in der Nähe auch der Neffelbach befindet, wurde der See 1993 zum Hochwasserentlastungsbecken umfunktioniert.

An den geraden Uferlinien und dem Fehlen von Buchten ist die künstliche Entstehung des Neffelsees  zu erkennen. Die Uferzonen wurden bepflanzt, da es durch den Zulauf von Grundwasser immer zu Verschiebungen von Erdmassen gekommen war.

Auch der Zülpicher Wassersportsee ist ein Relikt aus Zeiten des Tagebaus. Nach dem Ende wurde das Restloch mit Hilfe des Vlattener Baches geflutet. Seitdem wird er als Freizeit- und Erholungszentrum genutzt. Der See ist ca. 1,2 km lang und 500 m breit und hat eine Gesamtfläche von knapp 85 Hektar.

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