Glücksspiel-MillionärProzess wegen erpresserischen Menschenraubs startet in Bonn

Im Bonner Landgericht startet der Prozess.
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- An diesem Montag beginnt der Prozess vor dem Bonner Landgericht. Der Vorwurf lautet erpresserischer Menschenraub.
Bonn – Der Angriff Anfang Februar 2021 erfolgte unvermittelt: Simon Rother (Name geändert) ging gegen 20.20 Uhr auf sein Haus in Troisdorf-Spich zu, als ein maskierter Mann ihn packte und in einen VW Passat mit laufendem Motor zu zerren suchte. Der sportliche Millionär wehrte sich so stark, dass der Partner des Kidnappers zur Hilfe eilte.
Lautstark rief das Opfer um Hilfe. Passanten mischten sich ein. Ein Spaziergänger mit Hund brüllte: „Lassen Sie den Mann in Ruhe“. Ein Nachbar stand dem Opfer ebenfalls bei. Daraufhin gerieten die mutmaßlichen Geiselnehmer in Panik und liefen weg. Den VW ließen sie zurück.
Dort fanden die Ermittler eine Schreckschusspistole, Kabelbinder, eine Rolle Panzertape sowie Handschuhe. Der Fond des Wagens war mit Hilfe von dunklen Müllsacken abgedunkelt worden. Alles Indizien, die auf die geplante Entführung des bekannten Spielautomaten-Unternehmers hindeuten.
Angeklagte wollten Lösegeld von vermögender Familie erpressen
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Deutsch-Türke Mehmet D., 28, und sein ein Jahr jüngerer Bruder Ahmed von der vermögenden Familie des Opfers Lösegeld erpressen wollten. Dies legt die Anklage nahe, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ einsehen konnte.
An diesem Montag beginnt der Prozess vor dem Bonner Landgericht. Der Vorwurf lautet erpresserischer Menschenraub. Im Normalfall droht eine Mindeststrafe von fünf Jahren. Dennoch verschonte der Amtsrichter die beiden Angeklagten bei der Vorführung von der Untersuchungshaft. Sehr zum Unwillen der Staatsanwaltschaft.
Zumal beide Angeklagte unter erheblicher Geldnot leiden sollen. Bei Mehmet D. fanden sich bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Troisdorf in einem Müllsack zahlreiche Mahnungen und einige Strafbefehle. Auch stellte sich bei den Ermittlungen heraus, dass im Familienumfeld schon einmal ein ähnliches Verbrechen aktenkundig wurde.
Latente Wiederholungsgefahr
Für Martin Bücher, Anwalt des Opfers, stand lange Zeit eine latente Wiederholungsgefahr im Raum. „Hier geht es um eine schwerwiegende Straftat, die tief und nachhaltig in den Lebensbereich meines Mandanten eingegriffen hat.“ Die Täter seien mit einem Equipment vorgefahren, „um einen Menschen in ihre Gewalt“ zu bringen.
So fanden sich auf den Entführungsutensilien eindeutige DNA-Spuren der Angeklagten. Auch sollen die Tatverdächtigen in Köln versucht haben, einen Container für die Entführung zu mieten. „Letztlich ist es auch der Gegenwehr meines Mandanten zu verdanken, dass es nur bei einem Kidnapping-Versuch blieb“, führt Bücher weiter aus.
Vor dem Haftrichter wiesen die Angeklagten diesen Vorwurf zurück. So will Mehmet D. selbst nicht an der Tat beteiligt gewesen sein. Vielmehr habe sein Bruder geplant, dem Spielautomaten-Betreiber die Tageseinnahmen zu rauben, gab er zu Protokoll. Auch Ahmed D. stellte den Fall anders dar. Demnach habe er mit seinem älteren Bruder das Opfer überfallen, um ihm das Geld abzunehmen. Etwaige Entführungspläne wies er zurück. Die Ankläger bezweifeln diese Darstellung.
Firma mit 500 Mitarbeitern
Simon Rother leitet laut dem Branchendienst „die-deutsche-wirtschaft“ ein großes Familienunternehmen mit heute etwa 500 Mitarbeitern. Geschätzter Jahresumsatz: etwa 90 Millionen Euro. Der Vater fing vor gut 50 Jahren ganz klein mit dem Aufstellen von Zigarettenautomaten an. Kaum volljährig, stieg der Sohn ein. „Als damals einziger Mitarbeiter“, erklärte Rother einmal in einem Interview dem Kölner „Express“.
Sukzessive baute der Junior sein Unterhaltungs-Imperium in NRW auf. Neben dem Kerngeschäft mit Dutzenden Spielhallen und Sportwettbüros gehören dazu auch einige Bowlingcenter, Billardhallen und -cafés. Der 55-jährige Geschäftsmann kann als Macher bezeichnet werden. Privat blieb der Vater zweier Söhne dem Sport verbunden. Früher als Fußballer, heute als Läufer, der bereits zahlreiche Köln-Marathon-Events absolviert hat.
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Nun soll Simon Rother im Gerichtssaal als einer der wichtigsten Zeugen die Geschehnisse von jenem Februarabend im vergangenen Jahr nochmals detailliert schildern. Eine mutmaßliche Entführung, der er nur knapp entkam.