Interview mit Marian Wilhelm„Zwischen dem 1. FC Köln und uns liegen Welten“

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Marian Wilhelm

Viktoria-Trainer Marian Wilhelm

Köln  – Für die A-Junioren-Fußballer des FC Viktoria Köln beginnt am Samstag die Saison in der Bundesliga West. Zum Auftakt spielen die Höhenberger gegen den VfL Bochum (11 Uhr). Trainer Marian Wilhelm spricht im Interview über die positive Entwicklung seines Teams und die Unterschiede zum großen Nachbarn 1. FC Köln

Herr Wilhelm, mit dem souveränen Klassenerhalt hat sich der FC Viktoria Köln eine weitere Spielzeit in der A-Junioren-Bundesliga West verdient. Es wird die vierte in Folge. Was spricht für eine Fortsetzung der Serie?

So eine richtige Serie würde ich das noch nicht nennen wollen. Zumindest ist es keine Serie, die ich mit Stolz trage (lacht). Nach zwei von Corona geprägten Spielzeiten haben wir uns diesmal mit immens hohem Aufwand aller Beteiligten erstmals sportlich qualifizieren können. Das ist schon nochmal etwas anderes. Jetzt aber zur Frage: Wir arbeiten in allen Bereichen sehr intensiv und haben dabei auch noch jede Menge Spaß. Und nicht zu vergessen: Wir haben wieder eine ziemlich gute Gruppe beisammen.

24 Punkte bedeuteten im Feld der 17 Bundesligisten am Ende Rang neun. Bemerkenswert dabei war, dass Ihr Team beim deutschen Meister aus Dortmund (0:0) sowie auf Schalke (2:2) punkten konnte. Was sagt das über den Charakter Ihrer Mannschaft?

Vielleicht vorweg: Drei Punkte sind mir immer lieber (lacht). Aber jetzt mal im Ernst: Wir gehen auch die Spiele gegen die sogenannten Großen mit der Überzeugung an, diese auf Augenhöhe gestalten zu wollen. Wenn du es nicht versuchst, werden die Jungs nicht besser. Aber richtig ist auch, dass in solchen Begegnungen vieles passen muss. Insbesondere die Fähigkeit als Team schwere Phasen zu überstehen und leidensfähig zu sein, hat uns in der letzten Saison stark gemacht.

Der BVB und Schalke 04 verfügen gewiss über andere Möglichkeiten. Beim Zuschauerschnitt lagen Sie mit annähernd 250 Fans pro Spiel mit den Revierklubs allerdings auf Augenhöhe.

Youssef Amyn

Youssef Amyn hat bereits 24 Drittliga-Einsätze absolviert. 

Das zeigt, wie sehr der gesamte Verein und alle Teams hinter uns stehen. Da wird deutlich, dass Viktoria auch ein Stück Familie ist. Eine Beziehung, die sehr besonders ist. Nicht nur wir als U19 betreiben einen Riesenaufwand. Das verbindet und schafft ein enormes Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Vermutlich wären es noch mehr, wenn Sie Ihre Heimspiele tatsächlich im Flughafenstadion im Sportpark Höhenberg und nicht im Aggerstadion in Troisdorf austragen würden. Wann ist Besserung in Sicht?

Das Aggerstadion ist eine herausragende Spielstätte. Dafür sind wir insbesondere der Stadt Troisdorf sehr dankbar. Wenn im Sportpark Höhenberg dann gegen Arminia Bielefeld 650 Fans und gegen Alemannia Aachen 565 zusammenkommen, ist das sicherlich ein besonderer Moment, keine Frage. Aber wir nehmen die Gegebenheiten so an, wie sie sind. In Brück haben wir bereits einen zusätzlichen Trainingsplatz, ein weiterer ist dieses Jahr dazugekommen. Wann die dortige Anlage als Spielstätte geeignet sein wird, kann ich nicht beurteilen. Warten wir ab, was die Zeit bringt.

Auffällig viele Ihrer Junioren dürfen sich bei den Profis zeigen. Aus dem Kader der Saison 21/22 sind es neun. Eine überragende Quote. 

In den Corona-Jahren bekamen viele die Chance, sich zu zeigen und haben diese genutzt. Wir haben alle viel investiert, Spieler, Trainer und Betreuerstab. Auf und neben dem Platz. Viele Jungs sind in dieser Zeit regelrecht aufgeblüht. Diese kurzen Wege nach oben sind eine zusätzliche Motivation. Aber zuallererst steckt da Arbeit, viel Arbeit drin.

Youssef Amyn ist fester Bestandteil der deutschen U-19-Auswahl, Benjamin Hemcke debütierte für den DFB gegen Dänemark und Seokju Hong kommt bereits auf 24 Drittligaspiele. Was zeichnet diese drei aus?

Seokju Hong

Seokju Hong begeistert Trainer Marian Wilhelm mit seiner Einstellung.

Sie haben eine unglaubliche Arbeitsmoral und alle drei sind mit ihren Rückschlägen und Hindernissen herausragend umgegangen. Für einen jungen Spieler keine Selbstverständlichkeit. Seokju hat über den SV Deutz spät den Weg zu uns gefunden, Benni war lange schwer verletzt und Youssef hat nach dem Aus beim BVB nicht aufgegeben. Diese Mentalität stellt jeder von ihnen jeden Tag aufs Neue unter Beweis.

Die Spielweise der Viktoria ist geprägt von Intensität. Es geht laut zu und Luftholen ist dem Gegner kaum gestattet. Die meisten Gegner sind von Ihrem Spiel genervt.

Wir wählen stets einen aktiven Ansatz und suchen fußballerische Lösungen. Egal gegen wen. Wir versuchen dem Gegner alles abzuverlangen, ihn in allen Phasen maximal zu stressen. Am Ende wollen wir aber erfolgreich sein. Ich brauche keine Schulterklopfer und null Punkte. Umgekehrt ist es mir deutlich lieber.

Die Vorbereitung auf die neue Spielzeit läuft, statistisch betrachtet, ziemlich gut. Wie beurteilen Sie die Lage?

Siege, Niederlagen, das alles ist Schnee von gestern. Vorbereitungsspiele sind Schall und Rauch. Alles was bisher war, zählt nichts und ist schon gar nicht mit einem Meisterschaftsspiel vergleichbar. Entscheidend ist jetzt, wie gehen wir mit Wettkampfdruck und Rückschlägen um. Das lässt sich in Testspielen nicht simulieren. Ab dem 13. August müssen wir Farbe bekennen.

In Torhüter Ben Dennerlein, Kaden Amaniampong, Joel Udelhoven, Josia Walther und Romeo Aigbekaen konnten Sie gleich fünf Spieler des 1. FC Köln für die andere Rheinseite gewinnen. Wie machen sich die fünf?

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Wo sie herkommen, war für ihre Verpflichtung nicht entscheidend. Wir erkennen bei allen sehr spannende Perspektiven und haben die Fantasie, dass sie bei uns den nächsten Schritt machen können. Die ersten Eindrücke sind vielversprechend, wichtig sind aber die individuellen Fortschritte in der U19.

Vier Punkte trennten Ihre Mannschaft in der Saison 2021/22 vom 1. FC Köln. Werden Sie die innerstädtische Aufholjagd fortsetzen?

Ach was. Zunächst einmal sind vier Punkte Rückstand in einer einfachen Runde sehr viel. Außerdem liegen zwischen dem FC und uns in jederlei Hinsicht Welten. Wir wissen sehr genau, wo wir in Köln stehen. Ich freue mich, dass wir ihnen zuletzt alles abverlangt haben und in Köln mittlerweile als stärkster Konkurrent wahrgenommen werden. Aber wir maßen uns nicht an, von Aufholjagd zu sprechen. Wir schauen nur auf uns und wollen den Verein und die U19 stetig verbessern. Wir tun gut daran, diesen Weg intensiv fortzusetzen.  

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