„Wie eine Heroin-Sucht“Frauen in toxischen Beziehungen erhalten in Burscheid Hilfe

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Anja Haussels, Beraterin beim Frauen-Zimmer in Burscheid

Burscheid/Rhein-Berg – Eigentlich wollen sie ihren Partner verlassen, der sie schlägt oder bedroht, doch wenn er auf Knien seine Liebe beteuert und ihnen Geschenke macht, werden sie schwach – sie kehren zurück und der Teufelskreislauf beginnt von Neuem. Frauen, die emotional abhängig und in so einer toxischen Beziehung gefangen sind, sollen nun ein weiteres Hilfsangebot in Burscheid bekommen.

Beratungsstelle für den Rheinisch-Bergischen Kreis

Die Frauenberatungsstelle „Frauen-Zimmer“, die für den gesamten Rheinisch-Bergischen Kreis zuständig ist, möchte eine Selbsthilfegruppe in Leben rufen, innerhalb derer sich Frauen gegenseitig unterstützen können.  Zielgruppe sind sowohl Frauen, die sich aus einer solchen Partnerschaft nicht lösen können oder Angst vor ihrem Partner haben, wie auch Frauen, die sich bereits aus der Gewaltspirale befreit haben und sich austauschen wollen, heißt es.

Knapp 40 Frauen werden aktuell bei der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in der Höhestraße betreut, Beraterin Anja Haussels schätzt, dass knapp 80 bis 90 Prozent von ihnen in so einer emotionalen Abhängigkeit sind. Da rauszukommen, sei nicht einfach, betont Haussels. „Das ist wie eine Heroin-Sucht“, die Frauen seien dann „auf Entzug“.

Am Anfang sind Männer extrem aufmerksam

Haussels schildert beispielhaft, wie eine solche destruktive Beziehung aussehen könnte: Die Männer seien zu Anfang extrem aufmerksam, kochten für ihre Partnerinnen, stellten eine „Gleichheit mit den Partnerinnen“ her, gleiche Hobbys oder Ideen. „Love bombing“ nennt Haussels diese Phase. Doch dann fingen diese Männer an Gewalt auszuüben, seien sehr eifersüchtig, kontrollierten, erpressten und bedrohten ihre Partnerinnen. Kommentare sorgten dafür, dass die Frauen sich entwertet fühlen und ihr Selbstwertgefühl verlieren.

Schuldzuschreibungen sorgten darüber hinaus dafür, dass die Frauen, die Opfer einer solchen Beziehung werden, „wie auf Eierschalen laufen, um nicht noch eine Abwertung zu kassieren“, erläutert die Diplom-Sozialpädagogin und Psycho-Traumatologin. Wenn diese Frauen sich zur Trennung entschlössen, würden die Männer, die vielleicht zusätzlich an Persönlichkeitsstörungen wie Narzissmus oder Borderline leiden, „aufdrehen“, um die Partnerin zurückzuholen. Das Muster: Zuckerbrot und Peitsche.

„Der Ausstieg wird immer schwerer“, sagt Anja Haussels. Vor allem, wenn das Umfeld sich von der Frau abwende, da es die Entscheidung, zum gewalttätigen Partner zurückzukehren, nicht nachvollziehen könne. Viele Frauen seien sozial isoliert oder auch finanziell abhängig, erklärt Haussels.

Hohe Dunkelziffer, keine Statistiken

Wie viele Frauen tatsächlich in Burscheid und im Rheinisch-Bergischen Kreis von einer solchen emotionalen Abhängigkeit betroffen sind, kann sie nicht sagen. Die Dunkelziffer sei „unglaublich hoch“, sagt die Beraterin. Es gebe auch keine Statistiken, „das Thema ist viel zu wenig in der Öffentlichkeit oder in Fachkreisen präsent“, kritisiert Anja Haussels.

Ob die Zahlen sich zwischen ländlichen Regionen wie im Rheinisch-Bergischen Kreis und Großstädten wie Leverkusen oder Köln sich unterscheiden, könne man so auch nicht sagen. In Großstädten hätten die Frauen aber noch mehr Möglichkeiten rauszugehen und Anschluss zu finden, das könnte zumindest ein Unterschied sein, vermutet die Sozialpädagogin. So könne eine Frau nicht so schnell sozial isoliert werden.

Infos und Anmeldung

Ein Termin für die Selbsthilfegruppe steht noch nicht fest. Interessentinnen melden sich unter der Telefonnummer 02174-1047 oder per Mail an: team@frauenberatung-burscheid.de. Mehr Infos auf der Webseite: www.frauenberatung-burscheid.de. Weitere Angebote sind in Planung, beispielsweise soll es eine Stabilisierungsgruppe für Frauen, die sexuelle Gewalt erlitten haben, geben. Sie trifft sich an den Terminen 2., 9., 16. und 23. November.

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Der Verein Frauen-Zimmer wurde 1992 von Burscheider und Leichlinger Frauen gegründet, um Frauen und Mädchen eine Beratung vor Ort anbieten zu können. In den Anfangszeiten untergebracht in einer Gartenlaube, befinden sich die Vereinsräume und die Beratungsstelle nun in der Höhestraße 76 in Burscheid. Das Angebot richtet sich darüber hinaus an Angehörige, Bezugspersonen und Fachkräfte, die mit betroffenen Mädchen und Frauen zu tun haben und diese unterstützen möchten, schreibt das Team auf seiner Webseite. Es freut sich auch über Spenden für seine Arbeit.

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