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ProzessDas sind die Strafen für die  Burscheider Cannabis-Pflanzer

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Die Behelfssäle des Kölner Landgerichts

In einem der Behelfssäle des Kölner Landgerichts führte die 1. Große Strafkammer den Drogenprozess gegen zwei Paare aus Burscheid.

Die Plantage an einem Bauernhof war durchaus ertragreich. Nur der Haupttäter bekommt eine Haftstrafe. 

„Sie alle haben Ihrem Leben eine Wende gegeben.“ Richter Achim Hengstenberg musste am Montagabend schon ausführlich begründen, warum er und seine Kammer so deutlich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft geblieben waren. Die hatte für den Mann, der vor spätestens drei Jahren die Idee hatte, an seinem Hof in Burscheid eine Cannabis-Plantage aufzuziehen, fünf Jahre Gefängnis gefordert. Die 1. Große Strafkammer am Kölner Landgericht beließ es dann bei drei Jahren und neun Monaten. Und im Urteil wird vieles stehen, was Michael E. (Name geändert) einen Offenen Vollzug ermöglichen dürfte.

Klar ist aber auch, dass 2022 und 2023 erhebliche Erträge aus der Plantage erzielt wurden: 2022 konnten sechs Kilogramm Marihuana verkauft werden. Zwei blieben für den Eigenkonsum des Quartetts, das aus zwei Paaren besteht.

Unter dem Strich stand für die Richter allerdings die gute Entwicklung im Vordergrund, die der Haupttäter und seine Partnerin, mit der er seit 16 Jahren zusammen ist, seit der Durchsuchung im Spätsommer 2023 genommen haben: Die 44-Jährige arbeitet jetzt schon länger als Pflegerin, er hat nach ein paar Wochen Probearbeit gerade einen Vollzeit-Arbeitsvertrag als Waldarbeiter unterschrieben. Das Paar ist offenbar wieder in der Spur.

So ähnlich sieht es auch bei dem anderen Paar aus: Sie hat neuerdings ebenfalls einen Job, er zumindest seinen Drogenkonsum offenkundig deutlich reduziert.

Ich war es satt, gestrecktes Zeug auf der Straße kaufen zu müssen
Der Hauptangeklagte

Zuvor hatte sich in dem Prozess die Frage gestellt, wann denn die Drogenplantage in Betrieb gegangen war und wann sie etwas abgeworfen hatte. Die Beweislage ist ein bisschen mau: Es gibt Luftbilder aus den Jahren 2021 und 2022. Sie scheinen den Anbau zu zeigen, aber Michael E. bestreitet das. Er habe auf dem Stück zuvor Tomaten und Paprika angebaut; erst später sei ihm der Gedanke gekommen, selbst Cannabis zu produzieren. „Ich war es satt, gestrecktes Zeug auf der Straße kaufen zu müssen.“

Cannabis in Bio-Qualität

Ganz so einfach war der Anbau dann aber wohl nicht. Er habe mit Mehltau-Befall zu kämpfen gehabt. Und weil er Dope in Bio-Qualität haben wollte, konnte er dagegen auch keine chemische Keule einsetzen. Ein anderes Problem, sagt der Angeklagte: Auch Rehe hätten an den Pflanzen geknabbert.

Den Ertrag für 2022 gibt Michael E. mit rund acht Kilogramm an. Sechs davon habe er nach und nach verkauft, aber nicht vom Hof aus. Das ist im Zusammenhang mit den Waffenfunden dort wichtig. Mit den Schreckschuss- und Luftgewehren, den Messern und dem Golfschläger hätte sich das Quartett auf keinen Fall wehren wollen, wenn es beim Drogenverkauf Stress gegeben hätte. Das alles seien Spaß-Waffen gewesen, heißt es von dem 44-Jährigen.

Kleines Erbe war irgendwann aufgebraucht

Dass Michael E. der Haupttäter ist, war schon am ersten Prozesstag klargeworden. Er hatte eingeräumt, dass von ihm die Idee stammte, auf dem Burscheider Hof Drogen anzubauen. Dass der Ertrag weit über den Bedarf der vier Bewohner hinausgehen würde – obwohl sie täglich erhebliche Mengen konsumierten – schien einkalkuliert. E. habe der Verkauf über die größer werdenden finanziellen Engpässe hinweg geholfen, sagt er: 2022 und 2023 lebte er noch von Bürgergeld, aber zum Beispiel die Energiekosten auf dem Hof seien mit den Überweisungen des Jobcenters nicht zu stemmen gewesen. Spätestens 2023 sei auch das kleine Erbe aufgebraucht gewesen: Seine Mutter, für die er viele Jahre gesorgt hatte, habe ihm 15.000 Euro hinterlassen.

Gutachterin Valenka Dorsch bestätigt am Montag den Eindruck, dass Michael E. in vielerlei Hinsicht die Verantwortung übernahm auf dem Hof. Der frühe Tod des Vaters – da war der Junge neun Jahre alt –, die Erkrankung der Mutter und die Alkoholsucht ihres neuen Lebensgefährten hätten ihn „viel zu früh in eine Erwachsenenrolle gedrängt“.

Dazu passt, dass es für seine Idee, Cannabis selbst anzubauen, wohl nicht nur einen Grund gab: Natürlich wollte er besser an Stoff kommen. Aber er habe sich von dem Eigenanbau auch positive Effekte für seine Nächsten versprochen, die dann tatsächlich auch eingetreten seien: Seine Partnerin, die seinerzeit depressiv war, habe den eigenen Stoff besser vertragen. Und sein Halbbruder, der wegen psychischer Erkrankungen von Ritalin auf Cannabis umgestiegen war, sei mit dem Bio-Dope vom eigenen Hof auch viel besser klargekommen. 

Enorme Mengen wurden geerntet

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist das allerdings sehr zu relativieren. Die enormen Mengen, die in Burscheid geerntet wurden, müsse man schon berücksichtigen. Und wenn einer eine Cannabis-Plantage aufbaut und drei ihm immer wieder zur Hand gehen, dann sei das auch ganz eindeutig eine Bande. 

In vielem, das betont Richter Hengstenberg in seiner Urteilsbegründung, sei die Kammer den Gedanken des Staatsanwalts gefolgt. Dass die daraus resultierenden Strafen niedriger ausfallen, habe vor allem einen Grund: „Wir wollen niemandem seine Zukunft verbauen.“ Jedenfalls dann nicht, wenn die Wende deutlich zu erkennen ist.