„Ein ganz normaler Tag“Leichlinger Schüler werden für Handicaps sensibilisiert

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Schüler mit Blindenstock in einem Parcours im Schulgarten.

Schüler mit Blindenstock in einem Parcours im Schulgarten.

Blindenstock, Rollstuhl und Co. stellt die Weik-Stiftung Leichlinger Schülern zur Verfügung und sensibilisiert sie so für Inklusion. 

„Es ist ein komisches Gefühl“, sagt ein Grundschüler, der gerade versucht, mit Gewichtsmanschetten Treppen zu steigen. Die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsgrundschule (GGS) Uferstraße in Leichlingen versuchten an verschiedenen Stationen nachzuvollziehen, vor welchen Herausforderungen Menschen mit Handicap im Alltag stehen. Die Grundschule nimmt am Projekt „Ein ganz normaler Tag“ der Elisabeth und Bernhard Weik-Stiftung teil, die Inklusionsprojekte an Schulen anbietet. 

Rollstühle, Blindenstöcke, Tandems, Gewichtsmanschetten, Krücken und vieles mehr stellt die Stiftung für diesen Tag zur Verfügung. Lehrkräfte und Eltern betreuen die einzelnen Stationen. In einem Klassenraum lernen die Kinder in Partnerarbeit Brailleschrift. Während ein Kind Tischtennisbälle in einen Eierkarton legt, muss das andere Kind mit verbundenen Augen den gelegten Buchstaben ertasten. 

Kinder testen Rollstühle in der Turnhalle.

Kinder testen Rollstühle in der Turnhalle.

Die Weik-Stiftung gründeten Elisabeth und Bernhard Weik im Jahr 1996, seitdem haben sie ihre Schwerpunkte auf Tierschutz-, Musik- und Inklusionsförderung gelegt. „Mit diesem Projekt haben wir an Langenfelder Schulen begonnen und wollten diese dann im Rhythmus von vier Jahren besuchen, damit alle Schüler den Aktionstag einmal erleben können“, erzählt Rainer Priebe von der Weik-Stiftung. Dann sei allerdings die Pandemie dazwischen gekommen und so sei der Rhythmus nun etwas durcheinander geraten. Rund 20.000 Kinder besuchte die Stiftung laut Priebe in den vergangenen Jahren und veranstaltete an den Grundschulen Aktionstage.

Zu Beginn des Projekts besuchte die Stiftung die Grundschulen noch mit eigenem Personal, dies ist heute aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich. „Die Schulen müssen selbst Helfer besorgen und das hat an dieser Schule schon mal sehr gut funktioniert“, sagt Rainer Priebe. Ein Vater erfuhr davon, dass die Schule noch Helferinnen und Helfer für den Aktionstag brauchte und verlegte kurzerhand den jährlichen „Social Day“ seiner Firma in die Grundschule. Insgesamt 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Immobilienunternehmens halfen dadurch beim Inklusionstag mit. 

Schulleiterin war sofort „Feuer und Flamme“

„Hier in Leichlingen haben wir wirklich viele engagierte Eltern, die sich für den Tag freigenommen haben“, sagt Direktorin Sabine Michel, „da kann man nicht genug Danke sagen“. Sie habe im Internet erfahren, dass die Stiftung dieses Projekt anbietet und sei sofort „Feuer und Flamme“ gewesen. Mit dem Aktionstag möchte die Schule sensibilisieren und ein Verständnis dafür schaffen, wie kompliziert das alltägliche Leben mit Handcap ist. „Wenn ich hinten auf dem Tandem sitze und nichts sehen kann, dann merke ich, wie schwierig es ist, anderen zu vertrauen und Kontrolle abzugeben“, so die Schulleiterin.

Die GGS Uferstraße versucht, Inklusion auch immer mehr in das alltägliche Schulleben zu integrieren. „Kinder mit Förderbedarf werden hier ganz normal unterrichtet“, erzählt Michel, „wir haben auch eine Förderlehrkraft an unserer Schule. Nur ein Fahrstuhl fehlt momentan noch, aber das ändert sich bald, wenn wir mit dem Umbau beginnen“. In diesem Kontext ist auch Schulhund Henri sehr hilfreich. „Wenn jemand stottert beim Vorlesen, werden Kinder manchmal ungeduldig oder lachen, der Hund hört aber trotzdem zu und ist auch geduldig.“

Sabine Michels möchte den Inklusionstag gerne alle vier Jahre an ihrer Schule anbieten. Jedes Kind solle in seiner Grundschulzeit einen solchen Tag einmal erleben. „Meine eigenen Kinder hatten damals ein ähnliches Projekt an ihrer Grundschule und sie zehren heute noch davon, sie sind jetzt 30“, erzählt sie, „die Kinder nehmen etwas für ihr Leben mit und wissen heute noch, wie sie sich damals an der Blindenstation gefühlt haben“.

Das Projekt ist wichtig, weil man die Leute wertschätzen sollte, egal, ob sie keine Arme haben, nicht hören oder nicht sehen können
Mats, vierte Klasse der Gemeinschaftsgrundschule Uferstraße

Den Schülerinnen und Schülern gefällt der Inklusionstag. „Ich war gerade in der Turnhalle und habe einen Rollstuhl getestet, ich kann mich gar nicht entscheiden, was mir am Besten an diesem Tag gefällt“, sagt die Zweitklässlerin Timmy. Ihre Klassenkameraden Luis und Fritz stimmen ihr zu. „Man kann heute daran denken, was manche Leute alles nicht können“, sagen sie. 

Dem Viertklässler Mats gefällt die Station am Besten, an der man Blindenfußball spielen kann. „Es ist interessant, weil man ganz genau hören muss, wo der Ball ist“, sagt er. Schließlich fügt er noch hinzu: „Es ist einfach der Wahnsinn, heute ist so ein schöner Tag mit so einem tollen Projekt. Das Projekt ist wichtig, weil man die Leute wertschätzen sollte, egal, ob sie keine Arme haben, nicht hören oder nicht sehen können.“

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