Ukraine-Krisenstab tagt täglich159 Flüchtlinge sind in Leichlingen in Sicherheit

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Die aus der Ukraine geflüchtete Kseniia Balabanova (mit T-Shirt der Hilfsorganisation Humanitycare) neben Pfarrvikar Franck Ahokou  beim Treffen im Leichlinger Pfarrsaal.

Die aus der Ukraine geflüchtete Kseniia Balabanova (mit T-Shirt der Hilfsorganisation Humanitycare) neben Pfarrvikar Franck Ahokou  beim Treffen im Leichlinger Pfarrsaal.

  • Ukrainer werden aufgerufen, sich im Sozialamt registrieren zu lassen.
  • Wer Wohnraum zur Verfügung stellen möchte, kann sich im Rathaus unter 02175/992150 melden.
  • Ukraine-Flüchtlinge bekommen SIM-Karten und Schulunterricht.
  • Fragen zu Asylantrag, Aufenthaltsrecht und Familienzusammenführung können im Rathaus an nazy.schahmohammadi@leichlingen.de, ☎ 02175 / 99 21 21, jan.hermes@leichlingen.de, ☎ 99 21 20, und Sozialamtsleiterin Romana Arendes, ☎ 99 22 32, gerichtet werden.

Leichlingen – „Fuck Putin“ hat jemand auf einen verlassenen Dreiecks-Plakatständer an der Straßenecke hinter dem Pfarrhaus gesprüht. Der drastische Fluch wird den Menschen, die am Dienstagabend auf dem Weg ins Gemeindehaus von St. Johannes Baptist dort vorbeikamen, aus der Seele gesprochen haben. Denn es waren die in Leichlingen untergebrachten Flüchtlinge aus der Ukraine, die sich im Pfarrsaal zur Begegnung mit ihren Landsleuten trafen.

Der aus dem westafrikanischen Benin stammenden Pfarrvikar Franck Ahokou begrüßte die im Kreis sitzenden 100 Besucherinnen und Besucher, vor allem Frauen mit Kindern und ihre Gastfamilien, auf Englisch. Sie bekamen kostenlose SIM-Karten der Telekom, damit sie Kontakt zur Heimat halten können.

Es wird mehr Platz benötigt: Die Stadtverwaltung lässt momentan den Garderobentrakt des Sportzentrums in der Balker Aue umbauen, um dort weitere Räume für Kriegsflüchtlinge zu schaffen.

Es wird mehr Platz benötigt: Die Stadtverwaltung lässt momentan den Garderobentrakt des Sportzentrums in der Balker Aue umbauen, um dort weitere Räume für Kriegsflüchtlinge zu schaffen.

Die vor einer Woche im Rettungskonvoi mit dem Leichlinger Hüttebräucker-Bus aus Charkiw geflüchtete Kseniia Balabanova übersetzte für ihre Landsleute die Hilfsangebote eines anwesenden Notfallseelsorgers, des Arbeitskreises Migration und der Ehrenamtler der Initiative Humanitycare. Sie trug das T-Shirt des von dem Leichlinger Chris Smith und seiner ukrainischen Ehefrau Ekaterina begründeten Vereins. Er hat 73, die meisten der nun in der Stadt lebenden Kriegsflüchtlinge, wie berichtet bei einer privaten Hilfsaktion an der ukrainisch-polnischen Grenze abgeholt und vor den Bomben in Sicherheit gebracht.

Krisenstab tagt täglich

Insgesamt, das gab die Stadtverwaltung am Mittwoch bekannt, sind inzwischen auf verschiedenen Wegen 159 Menschen aus dem Kriegsgebiet in Leichlingen angekommen. Im Rathaus ist ein Krisenstab eingerichtet worden, der täglich tagt, um die Aufgaben zu koordinieren. Es werden weitaus mehr Menschen erwartet als bei der Hochphase 2015, als sich das kleine Team des Sozialamts um 369 Flüchtlinge kümmerte. Außer den neu Angekommenen wohnen in der Stadt derzeit noch weitere 194 Flüchtlinge aus anderen Ländern.

Migrationscafé

Der ökumenische Arbeitskreis Migration und der Leichlinger Integrationsrat kümmern sich um die Betreuung der Flüchtlinge aus der Ukraine und laden sie in ihren Begegnungstreff in der Brückenstraße 33 (gegenüber der Oil-Tankstelle) ein. Das ehrenamtlich betriebene Migrationscafé ist mittwochs von 10 bis 17 Uhr für Gespräche in mehreren Sprachen, zum Kennenlernen und zur Vermittlung von Hilfsmöglichkeiten geöffnet. Kaffee, Tee und andere Getränke sowie Suppe zur Mittagszeit und Kuchen und Gebäck am Nachmittag gibt es kostenfrei. (hgb)

Wegen der Krisenlage wird der Stadtrat für Dienstag, 22. März, zu einer Sondersitzung einberufen. Bereits im Februar hatte die Verwaltung begonnen, sich auf die verstärkte Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen vorzubereiten, Unterbringungsmöglichkeiten zu überprüfen und Hilfsangebote zu vernetzen.

Der kurzfristig organisierte Bus-Transport von Humanitycare überrollte die Planungen dann ziemlich. „Ein solcher nicht koordinierter Zustrom kann von einer Kommune so kaum bewältigt werden“, äußert die Verwaltung erneut Bedenken gegen gut gemeinte und barmherzige, aber nicht abgestimmte private Hilfstransporte: „Es ist wichtig und selbstverständlich, den vom Krieg in der Ukraine betroffenen Menschen zu helfen. Dabei sollte jedoch nicht verständliches, impulsiv-emotionales Handeln Einzelner in diesem Maße Ressourcen binden und eingespielte, gesetzlich bindende Regelungen torpedieren,“ heißt es auf Behördenseite.

Krisenstab im Kreis

Die Kreisverwaltung hat zur Bewältigung der Flüchtlingssituation einen Krisenstab aktiviert, der auch die Kommunen unterstützen soll. Seine Hauptaufgabe wird die Steuerung und Koordinierung der verschiedenen Aufgaben von Fachämtern, Städten und Gemeinden sein. Leiter des Krisenstabs ist Kreisdirektor Erik Werdel, der bereits während des Fluchtgeschehens ab 2015 den Krisenstab leitete.

„Der Krisenstab wird aktiviert, da derzeit ein größerer Koordinierungsaufwand anfällt und die Strukturen des Krisenstabes eine geordnete Strukturierung und Abarbeitung ermöglichen“, erklärte Werdel zum Start des Gremiums.

Landrat Stephan Santelmann: „Die Lage ist zurzeit sehr dynamisch. Der Rheinisch-Bergische Kreis setzt sich intensiv dafür ein, seine kreisangehörigen Kommunen zu unterstützen und Menschen, die von Krieg und Vertreibung betroffen sind, einen sicheren Zufluchtsort zu bieten. Wir betrachten das nicht nur als Erfüllung behördlicher Aufgaben, sondern als humanitäre Verpflichtung.“ (hgb)

https://www.rbk-direkt.de/informationen-ukraine.aspx

Die Verantwortlichen von Humanitycare empfinden derartige Hinweise und Kritik, die wie berichtet auch der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes geäußert hat, als ungerecht und sie fühlen sich in ihrem großen Engagement entwertet. „Wir konnten alle Menschen in uns privat zur Verfügung gestellten Wohnungen unterbringen“, sagt Mitglied Jonas Dörnen. Der Initiative lägen sogar noch freie weitere Angebote vor, bestätigt Chris Smith. Dem Verein sei auch eine größere Immobilie zur Nutzung angeboten worden, die man mit der Hilfe von Spendern und Handwerkern herrichten müsse. Ein zunächst ins Auge gefasster zweiter großer Hilfstransport sei aktuell aber nicht geplant, „das wäre unverantwortlich“, erklärt Smith, weil die vor dem Krieg flüchtenden Menschen nun täglich mit Sonderzügen an der Grenze abgeholt und bundesweit verteilt würden.

Bürgermeister Frank Steffes: „Die Stadtverwaltung muss in dieser emotionalen Ausnahmesituation – die zugleich von der Corona-Pandemie und den Nachbeben des Hochwassers 2021 erschwert wird – einen kühlen Kopf bewahren und die notwendigen Schritte durchführen. Nur so kann die Sicherheit aller gewährleistet werden; nur so können vorhandene Organisationsstrukturen sinnvoll genutzt und handlungsfähig bleiben.“ Die Stadt sei zu Schritten wie Erstaufnahme, medizinischer Versorgung und Registrierung verpflichtet. Das binde Zeit-, Personal- und Kapazitätsreserven.

Um die Familien nicht auseinanderzureißen, müssten bei der Unterbringung Standards auch bezüglich der Größe erfüllt werden: „Die Verwaltung konnte ad hoc 19 Plätze in ihren Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen, ohne hiesige Asylbewerberinnen und Asylbewerber zu benachteiligen“, bilanziert das Sozialamt. Dank der großen Hilfsbereitschaft der Bürgerschaft sei es gelungen, allen Eingetroffenen kurzfristig eine Unterkunft zu ermöglichen. Mittlerweile seien alle städtischen Räume jedoch ausgeschöpft und werde die Aufnahmequote durch die Aktion von Humanitycare „bereits um das Fünffache überschritten“.

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Künftig in der Blütenstadt eintreffende Flüchtlinge müssten entweder in noch auszubauenden Mehrfachunterkünften oder vorübergehend privat untergebracht werden. Im Sportzentrum Balker Aue wird derzeit bereits das Umkleidegebäude als neue Unterkunft hergerichtet. Auch eine Turnhalle müsse wohl bald belegt werden.

Kinder in der Schule

Die Verwaltung bittet alle Angekommenen darum, sich im Sozialamt zu melden, um Registrierung, finanzielle und gesundheitliche Fragen zu klären. Die Ausländerbehörde des Kreises stellt ihnen einen Aufenthaltstitel aus, der sie dazu berechtigt, sich zunächst für ein Jahr im Bundesgebiet frei bewegen zu können. Das Amt für Bildung und Sport ermöglicht in Absprache mit den Leichlinger Schulen, dass ukrainische Flüchtlingskinder unbürokratisch am Unterricht teilnehmen können. Flüchtlinge aus der Ukraine fallen unter das Asylbewerberleistungsgesetz. Damit können sie Grundsicherung sowie eine Krankenversicherung erhalten.

Fragen zu Asylantrag, Aufenthaltsrecht und Familienzusammenführung können im Rathaus an nazy.schahmohammadi@leichlingen.de, ☎ 02175 / 99 21 21, jan.hermes@leichlingen.de, ☎ 99 21 20, und Sozialamtsleiterin Romana Arendes, ☎ 99 22 32, gerichtet werden. Für die Antragstellung muss ein Termin vereinbart werden.

Wer Wohnraum zur Verfügung stellen möchte, kann sich bei sascha.goebeler@leichlingen.de, ☎ 02175 / 99 21 50 melden.

www.leichlingen.de/leben-in-leichlingen/fluechlingshilfe

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