Amphi FestivalSchwarze Szene zu Gast am Rhein

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Düster und phantasievoll: die Kleidung der Gothic-Fans

Düster und phantasievoll: die Kleidung der Gothic-Fans

Deutz – Jan Schäfer redet gerne über sein Outfit, die grüne Armee-Jacke, die Stiefel und ganz besonders das “Schiffchen”, sein Hut, geziert vom Emblem der Luftwaffe. “Das ist Military-Fashion, kein politisches Statement – mit der rechten Szene hat so ein Outfit nichts zu tun, das wird leider oft missverstanden.” Seit drei oder vier Jahren, schätzt er, ist dieser Stil in der Gothic-Szene vermehrt anzutreffen, einer von vielen. Auch einer von vielen hier auf dem Amphi Festival, dem drittgrößten Gothic-Festival Europas, das übers Wochenende den Tanzbrunnen in auffällige Gewänder und düstere Klänge hüllt. Am Samstag und Sonntag spielen auf zwei Bühnen mehr als 30 Bands, die Stilrichtungen von Mittelalter-inspiriertem Heavy Metal über quietschig-modernen Cyber-Gothic bis hin zu Industrial und Elektro vertreten – vor ausverkauftem Haus.

Während Schäfer spricht, laufen Mädchen mit bunten Stoffhaaren vorbei, eine junge Frau im schwarzen Lack-Korsett führt ihren Begleiter – ebenfalls in Lack – am Halsband spazieren. Sie sind auf dem Weg zur Bühne, denn dort erklingen Dudelsack-Klänge.

Corvus Corax, ausgestattet mit Schalmeien und mittelalterlichen Kutten, beschallen tausende Anhänger der sogenannten schwarzen Szene. Doch zum “alt-irischen Tanzlied” der Band bewegt sich nicht etwa eine einheitlich schwarze Menge – von morbid und gruselig bis glitzernd-schrill ist alles vertreten. Die 17-jährige Juli hat sich gar “bunt und süß” zum Thema gemacht; sie trägt Kirsch-Lutscher als Ohrringe, einen selbst gebastelten “Candy-BH” aus pastellfarbenen Zuckerperlen, rosa-blaue Stoffhaare und schwindelerregend hohe Plateauschuhe. Sie und Fabian, der, ganz in schwarz, mit Maske im Gesicht und Nieten an den Armen, einen guten Kontrast zur farbenfrohen Juli bietet, sind dieses Jahr “weniger wegen der Musik” aus Saarbrücken angereist – es ist mehr das Drumherum, das Sehen-und-Gesehen-werden, das sie anzieht. Sie haben auch ohne die Konzerte ein volles Programm: “Wir gehen jetzt die siebte oder achte Runde, man trifft immer jemanden, mit dem man sich fest quatscht”.

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„Nur die Sisters of Mercy, die sind wichtig“ 

Zu sehen gibt es viel, Geschäfte mit Namen wie “Aderlass” oder “Queen of Darkness”, die die passenden Klamotten verkaufen, und natürlich den beliebten Met-Stand,  an dem es das Honig-Gebräu in den Geschmacksrichtungen Wikingerblut, lieblich, oder Bärenfang gibt. Nebenan, beim Bier, steht Karin Yosef Arraham in ihrem rosafarbenen “Prinzessinnen-Outfit” an – sie ist aus Israel nur für das Amphi Festival angereist. “Wegen allem. Der Musik, den Klamotten, den Leuten – und ich mag Deutschland, vor allem das Bier!” Es ist ihr erstes Jahr im Tanzbrunnen, aber nächstes Jahr will sie die Reise auf jeden Fall wieder machen. Im Theater erklärt derweil Kriminalbiologe Mark Benecke anhand eines Mordfalles „wie CSI in Wirklichkeit aussieht“. Das Publikum quetscht sich auf dem Fußboden, viele Gesichter sind weiß geschminkt wie Geister, der Raum ist dunkel – doch Beneckes Ausführungen zu Blutspritzern und einem Mord in einem Dorf „das auch ohne Leichen schon tot aussieht“ lässt ständiges Gelächter erklingen.

In diesem Jahr ist auch der Sandstrand am Rhein für die Besucher geöffnet. Hier liegen knapp bekleidete Frauen neben Männern in silbernen Stöckelschuhen und genießen ein bisschen Ruhe und Domblick, bevor es auf der Bühne weiter geht. Die Highlights des Samstagabends: die Deutsch-Amerikanische Freundschaft, weltweit eine der einflussreichsten Bands im Elektro-Bereich, und die Sisters of Mercy, die seit über 30 Jahren fester Bestandteil der Szene sind. Ihretwegen sind Diego und Esther aus Madrid eingeflogen – in der skurrilen Masse wirken sie, beide in Jeans und T-Shirt, fast langweilig. Aber die Klamotten, erklären sie, interessieren sie nicht: „Nur die Sisters of Mercy, die sind wichtig.“ 

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